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Die Kunst für alle: Malerei, Plastik, Graphik, Architektur — 16.1900-1901

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Matthaei, Adelbert: Der aesthetische Genuss am Bauwerk, [1]
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https://doi.org/10.11588/diglit.12079#0116

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KARL ALBERT BAUR

IM FRANKEN-JURA

DER AESTHETISCHE GENUSS AM BAUWERK

Von Adelbert Matthaei-KicI

Die Vertreter der Kunst-Wissenschaft sind in
ihren Beziehungen zum Laienpublikum in
den letzten Jahren im Vergleich zu früher recht
zurückhaltend geworden. In Lübkes Tagen
wagte man noch mit einem fertigen System
zu kommen, in das man die Kunstwerke, wie
die Pflanzen in Linnes Klassen, nach den
Merkmalen einreihen konnte. Die grossen
Erfolge, welche dieser neue Zweig der For-
schung seit den Tagen Schnaases, Rumohrs
u. a. aufzuweisen hatte, verführten diejenigen,
welche den Riesenweg der Forschung zu über-
blicken in der Lage waren, zu dem Versuche,
das Einzelne unter bindenden Gesichtspunkten
zusammenfassend, Gesamtdarstellungen zu
geben, die Frage nach dem Wesen der bil-
denden Kunst zu beantworten und „mit Wor-
ten ein System zu bereiten", auf das die
einzelnen Kunstwerke die Probe zu bestehen
hatten. Die Laienwelt fügte sich nicht nur
darein, sondern sie war dankbar dafür, dass
sie einen Faden bekam durch das Wirrsal
von Erscheinungen, die die neuen Verkehrs-
verhältnisse ihr mit einem Schlage näher
brachten.

Da trat ein Wandel ein, der dem schönen
Vertrauensverhältnis der Laienwelt zu den
Kunstgelehrten einen Stoss versetzte. Die
Künstler waren wohl die ersten, die sich da-
gegen sträubten, nach jenem System bemessen
zu werden. Die kunsthistorische Forschung

(Nachdruck verboten)

selber lieferte dann den Beweis, dass noch
so weite Gebiete der Aufklärung harren, dass
die Aesthetik noch keineswegs über ein aus-
reichendes Material verfügt, um operieren zu
können. Die Laien endlich gewannen für
beides Verständnis und merkten, dass der
Faden, der durch die Kunstgeschichte leitete,
vor den Denkmälern doch zuweilen abriss.
In den Büchern mit ihren Abbildungen fand
man das System allemal herrlich bestätigt,
aber vor den Kunstwerken selber Hess es oft
genug im Stich.

Seit jener Wandel eingetreten ist, haben
sich die Kunstgelehrten, soweit ihr Verhältnis
zur Laienwelt in Betracht kommt, im ganzen
in zwei Gruppen geschieden. Die einen ver-
zichten ganz auf den Gedankenaustausch mit
den Laien oder sie beschränken sich darauf,
das zum Verständnis älterer Kunstwerke
historisch Wissenswerte zu geben, sei es in
Bädekermanier, sei es in zusammenfassenden
Schriften. Die anderen sind in der Verzweif-
lung an der Möglichkeit eines Systems dazu
übergegangen, die objektive Darstellung über-
haupt zu verwerfen und statt deren dem Publi-
kum, besonders gern auf dem Gebiete der mo-
dernen Kunst, einfach ihre persönlichen Ein-
drücke in möglichst geistreicher, anziehender
Form, aber ohne Verantwortlichkeit, zu geben.

' Bei beiden Gruppen ist das wünschenswerte
Verhältnis zum Publikum auf die Dauer nicht

Die Kunst für Alle XVI. 5. 1. Dezember 1900.

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