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Die Kunst für alle: Malerei, Plastik, Graphik, Architektur — 16.1900-1901

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Zuckerkandl, B.: Die achte Ausstellung der Wiener Secession
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https://doi.org/10.11588/diglit.12079#0173

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DIE ACHTE AUSSTELLUNG DER WIENER SECESSION

Jede evolutioneile Bewegung, sei sie sozial,
wissenschaftlich oder künstlerisch, hat als
Triebkraft ein ideales Wollen. Wenn Menschen
ganz das Interesse für persönliche Zwecke
verlieren, wenn sie ihr Empfinden nur der
Durchführung eines von ihnen ersehnten
idealen Zustandes widmen, dann treten jene

MAX LIEBER MANN del.

überraschenden Umwandlungen zu Tage,
welche durch ihre Plötzlichkeit geradezu ver-
wirrend wirken . . . Nur durch die Stärke
solch unpersönlichen Strebens war es mög-
lich, binnen vier Jahren das künstlerisch in
so trostloser Isolierung versumpfende Wien
plötzlich zu einem lebhaften Mittelpunkte
modernen Kunstlebens zu machen. Als die
Wiener Secession ins Leben trat, war ihre
erste That, das Publikum mit den Strömungen
und Kunstleistungen des Auslandes bekannt
zu machen. In ihrer Eröffnungs-Ausstellung
brachte sie in freudiger Erregung Meister-

(Nachdruck verboten)

werke grosser moderner Künstler aus allen
Ländern. Sie selbst traten in anspruchsloser
Bescheidenheit auf. Worauf es ihnen vor
allem ankam, war, sich Kunstfreunde, Kunst-
verständige zu erziehen, sich ein Publikum
zu verschaffen, dessen Geschmacksniveau so
hoch wäre, dass die neue Vereinigung auf
eine verständige eingehende Würdigung ihres
Schaffens rechnen konnte.

Die konsequente Festhaltung dieses Pro-
grammpunktes hatte nicht nur eine erfreuliche
Erhöhung allgemeinen Kunstverständnisses
zur Folge, sondern die Künstler selbst wuchsen
merklich in der Beherrschung ihrer Aus-
drucksmittel. Sie hatten sich die ihrer Aus-
reifung unentbehrliche Atmosphäre geschaffen,
die Atmosphäre erwartungsvollen Interesses.
Individualitäten wurden von allem Zagen be-
freit; kräftig griff jeder nach dem ihm richtig
dünkenden Ausdrucksmittel. Grosse Talente
auf dem Gebiete des Dekors und der ange-
wandten Kunst traten auf.

Die letztvergangene Frühjahr-Ausstellung
zeigte zum erstenmale ein Resume der selbst-
erziehlichen Arbeit, welche diese Wiener
Künstler an sich geübt haben. Alle Probleme
des Freilichtes, der Farbenzerlegung, der
Momentwiedergabe, welche der Oelmalerei
neue Horizonte eröffnet hat, wurden von ihnen
in höchst interessanter und künstlerisch
wahrer Weise behandelt. Ein ebenso klares
Bild erhält man über den gegenwärtigen
Stand der dekorativen Kunst Oesterreichs
in der am 3. November eröffneten ersten
kunstgewerblichen Ausstellung der Wiener
Secession. Der grosse Wert, welchen die
Secession stets auf die dekorative Wirkung
ihrer Ausstellungsräume legte, hat ja, wie
der so laute Erfolg auf der Pariser Weltaus-
stellung es bewies, eine völlig neue Aesthetik
der Gemäldeplazierung geschaffen. Nun zeigen
dieselben Künstler, welche die diskrete Be-
gleitung für Bildereffekte schufen — ihre Art,
die Interieur-Kunst zu gestalten. Die kunst-
gewerbliche Ausstellung enthält Hausgeräte,
Kunstgegenstände und eine bedeutende Pastell-
und Aquarellsammlung — dieser für die Aus-
schmückung von Räumen so wichtigen, der
modernen Tönung des Milieus sich so an-
schmiegenden Kunstart. Unsere „Dekorative
Kunst" wird eine ausführliche Würdigung der
kunstgewerblichen Arbeiten in Wort und
Bild bringen, so dass hier nur eine kurze Be-
sprechung der skulpturellen und bildlichen

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