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Die Kunst für alle: Malerei, Plastik, Graphik, Architektur — 16.1900-1901

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Rosenhagen, Hans: Grosse Berliner Kunstausstellung 1901
DOI Artikel:
Herman Grimm: geb. Kassel 6. Jan. 1828, gest. Berlin 16. Juni 1901
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https://doi.org/10.11588/diglit.12079#0529

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-ü-4Ö> HERMAN GRIMM f <ös^

Jahren bearbeitet hat, und enthält nicht nur
die Entwürfe, sondern sehr sorgsam ausgeführte
Modelle, worunter sich sogar Teilmodelle in
natürlicher Grösse finden. Diese plastische
Architektur ist als Ausstellungsmaterial natür-
lich sehr viel wirksamer, als die früher so
beliebten, meist ganz falsche Vorstellungen
erweckenden aquarellierten Fassaden. Ludwig
Hoffmann macht Kunst in retrospektiver Rich-
tung, nicht ganz mit einer so hervorragenden
Begabung wie Gabriel Seidl, aber doch mit
grossem Verständnis und vielem Feingefühl.
Vor allem berücksichtigt er stets die Wirkung
auf die Umgebung und den Zweck des
Gebäudes, worauf sich die Berliner Archi-
tekten nicht immer gut verstehen. Weniger
glücklich als in seinen Bauwerken, unter
denen sich das Märkische Museum, Schulen,
Feuerwachen, Standesämter, Irrenhäuser, Ge-
meindeschulen, Badeanstalten befinden, ist er
in Denkmälern und Brunnen für die städtischen
Parkanlagen. Jedenfalls aber bedeutet die Thä-
tigkeit Hoffmanns einen schönen Gewinn für
die Stadt, die durch Bewilligung reicher Mittel
für die Inscenesetzung dieser Ausstellung be-
wies, dass sie die hervorragende Begabung
ihres ersten Architekten zu würdigen weiss.

HERMAN GRIMM

geb. Kassel 6. Jan. 1828, f Berlin 16. Juni 1901.

Cin schöner Tod beendete am 16. Juni das glück-
liehe Leben Her.man Grimms. Nach einem
Tag, der, wie alle seine Tage, im Denken und
Schreiben vergangen war, schlummerte er sanft ein.
Das Leben war still von ihm gewichen, als der
Sommersonntag heraufzog, derselbe, der dem Grün-
der und ersten Kanzler des Reiches in der Hauptstadt
das öffentliche Denkmal gab. Nicht weit vom Fest-
jubel die jetzt vereinsamte Gelehrtenwohnung mit
dem Entschlafenen. Die in Berlin wichtig und
mächtig sind, rüsteten sich zum Fest, gerade da
war Herman Grimm dem Leben entrückt worden.
Er bedeutete wenig für die Oeffentlichkeit Berlins,
alles aber für seine Gesellschaft. Die Träger klang-

voller Namen, die um das neue Denkmal sich
sammelten, das war sein Umgang gewesen, und
mancher von ihnen mochte wohl vom Festplatz
einen wehmütigen Abschiedsgruss zum nahen Sterbe-
zimmer hinüberdenken. Und die man das beste
Berlin nennt, kamen auch alle zur letzten Ehrung.
Die Universität war da, alte und junge Gelehrte,
Studenten in ihrem farbigen Wichs mit Bannern
und Fahnen. Und doch war's anders als sonst bei
der Professorenbeerdigung, der gesellschaftliche Ver-
lust wurde deutlich durch ernste Leidtragende, denen
auch das reife Alter die vornehme Haltung nicht
nehmen konnte, Damen, die ihre einfachen Trauer-
kleider mit der immer seltener werdenden Distink-
tion zu tragen wussten. In manches noch schöne
zartblaue Frauenauge konnte man sehen, das mit
weinendem Blick von dem Grabe Abschied nahm.
Die so bei dieser Beerdigung waren, wussten, dass
der letzte vom alten geistigen Berlin von ihnen ge-
schieden war. Donnerstag den 20. Juni war die
Beisetzung. Der Kalender notierte Raphael als
Tagesheiligen. Der Name des Künstlers, dem der
reichste Teil von Grimms Denken galt.

Im Glück ist Herman Grimm geworden. Er war
der Erbe eines besten deutschen Namens, der ihm
gewiss im Leben dienlich war. Er hat diesen grossen
Namen mit Würde getragen und ihm in neuer Weise
einen guten Klang gegeben. In seinen Kreisen
wurde er geehrt und gefeiert. Da herrschte er.
Ehrungen, die ihm nichts Kleines waren, wurden
ihm reichlich und ohne weiteres zu teil. Nicht er
hatte eigentlich Gegner, aber sein Wirken und sein
Schreiben. Seinen Büchern wuchs die Feindschaft,
weil die falschen Fragen an sie gestellt wurden.
Ein Kleiner, dem eigenes Denken nicht die Arbeit
stört, nannte einmal Grimms Raphael einen histo-
rischen Roman. Jedenfalls ist es gelehrte Arbeit
im gewohnten Sinn nicht. Darum aber doch und
vielleicht gerade deswegen bedeutsame Litteratur.
Grimms Meinungen mochten oft in die Irre gehen,
aber die starke Kraft seiner Überzeugung machte
immer Eindruck. Er beanspruchte das Recht der
persönlichen Meinung, unter den heute Schreiben-
den war er gewiss der Subjektivste. Auf die, die
noch bestimmbar sind, wirkte er sicher. Darum
war seine Stellung in der Gesellschaft grösser, als
unter den Gelehrten. In der Unterhaltung immer
äusserst reizvoll, eine Art geistreichen Plauderns,
wie sie von Jüngeren keiner mehr besitzt. Oft mit
einem glücklichen Humor, der etwas Berlinisches
hatte. Der Mann der Deutschen Rundschau, der
das Bedürfnis hatte, von seinem Denken vielen zu
geben. Mit einer gewissen Koketterie ist Grimm
bei einer bestimmten Erkenntnis stehen geblieben,
wollte darüber hinaus keine Erweiterung. Was er
an Anschauungen in der Jugend, die bei ihm lange
dauerte, erworben hatte, damit wollte er wirtschaften.
Die modernste Kunstgeschichte lehnte er ab. Sein
Urteil über neuere Kunst beruhte auf der Jugend-
gewöhnung, dass Peter v. Cornelius ein einziger
grosser deutscher Künstler sei. Manchmal lockte
es ihn noch, für irgend einen Heutigen sich im
kräftigen Lob zu äussern, so für Geselschap, für
den Freiherrn von Gleichen-Russwurm.

Daten ? Er selbst legte so geringen Wert auf
exakte Jahreszahlen. In seinem langen Leben, das
im gleichmässigen Strome dahinfloss, haben die
Nummern der Jahre keine Bedeutung. An dieser
Stelle sollte nur von dem kurz gesprochen werden,
was Herman Grimm den Berlinern war. Das litte-
rarische Berlin verliert in ihm einen starken Führer,
er war als Erbe und aus eigenem Schaffen der letzte
aus der grossen Zeit des geistigen Berlins. J. S.

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