■sr-Sö> DIE WERKE ARNOLD BOCKLINS IN DER
der aus den Wolken zu dem Muttergottesbild reichender Versuche. Ich erwähne nur die
dringt und das geneigte Haupt des Alten zwei bekanntesten, die sich in der Schack-
streift. Wenige hellere Farbenflecke, wie der galerie befinden. Das allgemeine Schema ist
blaue Mantel der Statuette, die Schillerflügel immer dasselbe. Im Hintergrund die italie-
des auf den Fusspitzen sich streckenden nische Villa mit Arkaden und horizontalem
Engelchens und das helle Grün des Rasen- Abschluss, von Baumgruppen umgeben. Vorn
Stücks, über das ein bläulicher Lichtschein eine blumige Wiese, von der hochstämmige
huscht, verhindern die Monotonie. Aehnliche Bäume, Cypressen oder Pappeln in die Tiefe
Darstellungen bei Murillo oder gar Rembrandt leiten. Das früheste Bild, die „Ideale Frühlings-
(die heilige Familie der Ermitage) wirken ja landschaft" (Abb. a. S. 3 d. lauf. Jahrg.) ist das
weit stärker, doch kaum mit derselben Innig- heiterste und frühlingshafteste. Alles spriesst
keit der Empfindung. Aber man muss sich und treibt und blüht, weisse Wölkchen ziehen
der Art erinnern, in der Schwind verwandte vor dem Himmelsblau. Die Behandlung ist
Motive behandelt, um der spezifisch male- locker und duftig, durchaus impressionistisch,
rischen Anschauungsweise Böcklins gerecht Mehr die Lufttöne geben das Raumgefühl als
zu werden. die Linienführung. So sichtbar komponiert
Im Jahre 1882 wurde der „Eremit" gemalt, die Darstellung ist, so wenig ausgesprochen
ein Jahr später entstand der „Frühlingstag" ist in der Komposition die Tendenz auf Raum-
(Abb. a. S. 19 d. lauf. Jahrg.). Hat jener als for- Wirkung. Und es fehlen völlig deutliche, weit
males Problem Böcklin weiter gar nicht be- wirkende Silhouetten. Einen wesentlichen
schäftigt — ohne Vorstufe und ohne Nach- Fortschritt im Sinne klarer, räumlicher An-
folge steht er da — so ist dieser das abge- Ordnung bedeutet die nur wenig später ge-
klärte Resultat vorausgehender, weit zurück- malte „Italienische Villa im Frühling" (Abb.
XIV. Jahrg., H. 11). Die in die
Diagonale gestellte Cypressenreihe
führt sehr energisch in die Tiefe,
aber die Bewegung läuft sich rasch
an der ziemlich uninteressanten
Villenfront tot. Sie wird im ent-
gegengesetzten Sinn ganz schüch-
tern von der Baumgruppe rechts
aufgenommen. Es bleibt dem Auge
überlassen, zu beiden Seiten der
zentralen Komposition führungslos
ins Weite zu schweifen. Eine ähn-
liche zentrale Anordnung weist die
„Toteninsel" auf, doch soll hier
der Blick in die geheimnisvollen
Schauer der Felsengrabstätte ge-
zogen werden, während das Meer,
das man zu beiden Seiten des Ei-
landes sieht, nur das Gefühl der
Einsamkeit zu heben hat.
Wendet man sich nun zum
„Frühlingstag" der Nationalgalerie,
so empfindet man sofort die reife
Kunst, die hier gewirkt hat. Die
Komposition ist im höchsten Masse
überlegt, sie enthält keinerlei Un-
klarheit oder müssiges Element.
Und gerade deshalb wirkt sie so
überzeugend und gar nicht kom-
poniert. Die Florentiner Villa, deren
starke Horizontalen sich mit den
rundlichen Formen der Steineichen-
gruppe zu einer wundervoll be-
eugene burnand der mann der schmerzen lebten Silhouette zusammenschlies-
(Nach einem Kohledruck von Braun, Clement & de. in Dornach) sen, ist Zur Seite gerückt. Die
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der aus den Wolken zu dem Muttergottesbild reichender Versuche. Ich erwähne nur die
dringt und das geneigte Haupt des Alten zwei bekanntesten, die sich in der Schack-
streift. Wenige hellere Farbenflecke, wie der galerie befinden. Das allgemeine Schema ist
blaue Mantel der Statuette, die Schillerflügel immer dasselbe. Im Hintergrund die italie-
des auf den Fusspitzen sich streckenden nische Villa mit Arkaden und horizontalem
Engelchens und das helle Grün des Rasen- Abschluss, von Baumgruppen umgeben. Vorn
Stücks, über das ein bläulicher Lichtschein eine blumige Wiese, von der hochstämmige
huscht, verhindern die Monotonie. Aehnliche Bäume, Cypressen oder Pappeln in die Tiefe
Darstellungen bei Murillo oder gar Rembrandt leiten. Das früheste Bild, die „Ideale Frühlings-
(die heilige Familie der Ermitage) wirken ja landschaft" (Abb. a. S. 3 d. lauf. Jahrg.) ist das
weit stärker, doch kaum mit derselben Innig- heiterste und frühlingshafteste. Alles spriesst
keit der Empfindung. Aber man muss sich und treibt und blüht, weisse Wölkchen ziehen
der Art erinnern, in der Schwind verwandte vor dem Himmelsblau. Die Behandlung ist
Motive behandelt, um der spezifisch male- locker und duftig, durchaus impressionistisch,
rischen Anschauungsweise Böcklins gerecht Mehr die Lufttöne geben das Raumgefühl als
zu werden. die Linienführung. So sichtbar komponiert
Im Jahre 1882 wurde der „Eremit" gemalt, die Darstellung ist, so wenig ausgesprochen
ein Jahr später entstand der „Frühlingstag" ist in der Komposition die Tendenz auf Raum-
(Abb. a. S. 19 d. lauf. Jahrg.). Hat jener als for- Wirkung. Und es fehlen völlig deutliche, weit
males Problem Böcklin weiter gar nicht be- wirkende Silhouetten. Einen wesentlichen
schäftigt — ohne Vorstufe und ohne Nach- Fortschritt im Sinne klarer, räumlicher An-
folge steht er da — so ist dieser das abge- Ordnung bedeutet die nur wenig später ge-
klärte Resultat vorausgehender, weit zurück- malte „Italienische Villa im Frühling" (Abb.
XIV. Jahrg., H. 11). Die in die
Diagonale gestellte Cypressenreihe
führt sehr energisch in die Tiefe,
aber die Bewegung läuft sich rasch
an der ziemlich uninteressanten
Villenfront tot. Sie wird im ent-
gegengesetzten Sinn ganz schüch-
tern von der Baumgruppe rechts
aufgenommen. Es bleibt dem Auge
überlassen, zu beiden Seiten der
zentralen Komposition führungslos
ins Weite zu schweifen. Eine ähn-
liche zentrale Anordnung weist die
„Toteninsel" auf, doch soll hier
der Blick in die geheimnisvollen
Schauer der Felsengrabstätte ge-
zogen werden, während das Meer,
das man zu beiden Seiten des Ei-
landes sieht, nur das Gefühl der
Einsamkeit zu heben hat.
Wendet man sich nun zum
„Frühlingstag" der Nationalgalerie,
so empfindet man sofort die reife
Kunst, die hier gewirkt hat. Die
Komposition ist im höchsten Masse
überlegt, sie enthält keinerlei Un-
klarheit oder müssiges Element.
Und gerade deshalb wirkt sie so
überzeugend und gar nicht kom-
poniert. Die Florentiner Villa, deren
starke Horizontalen sich mit den
rundlichen Formen der Steineichen-
gruppe zu einer wundervoll be-
eugene burnand der mann der schmerzen lebten Silhouette zusammenschlies-
(Nach einem Kohledruck von Braun, Clement & de. in Dornach) sen, ist Zur Seite gerückt. Die
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