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Die Kunst für alle: Malerei, Plastik, Graphik, Architektur — 17.1902

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Stroever, J.; Neumann, Ernst; Esswein, Hermann: Zum Thema "Kombinationsdrucke" - Zwei Entgegnungen
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https://doi.org/10.11588/diglit.12080#0493

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ZUM THEMA „KOMBINATIONSDRUCKE": ZWEI ENTGEGNUNGEN

t.
Und dennoch! möchte ich auf den unlängst in diesen
Blättern veröffentlichten Aufsatz von A. L. Plehn
(1. Jahrg., S. 346 ff.) erwidern, wird der Kombina-
tionsdruck ganz gewiss aufblühen. Ich spreche
hier von nicht mehr als eigener Erfahrung, will
daher nur einmal der Kombination der Lithographie
mit Radierung das Wort reden.
Mag man auch im Besitz alles technischen Raf-
finements sein: die Lithographie allein ist eben
doch nicht geeignet, den menschlichen Körper der-
art vollendet darzustellen, vor allem Präzision der
Kontur und Schmelz des Stofflichen zu verbinden,
wie es gleicherweise die Radierung kann. Die
Kreide wird stets das Fettige, Schmierige ihrer
Substanz im Strich verraten, die Feder ihre Härte,
der Gelatineüberdruck das spitzige der geritzten Linie.
Springschaber allein lässt am ehesten Befriedigung
zu, doch ein feinstes Durchfeilen der Form ist da-
mit unmöglich. Nun frage ich aber: warum soll ein
Künstler, um einen beabsichtigten Eindruck möglichst
vollendet zu erzielen, warum soll er nicht Mittel,
nicht jedes Mittel anwenden, das ihm gut dünkt?
Ich gehe doch nicht darauf aus eine recht schöne
Lithographie zu machen, sondern ich will dar-
stellen! und zwar so darstellen, wie ich innerlich
erschaue, erlebe! Ich sage dann, womit kann ich
das erreichen — gut, das nehme ich her. Es kommt
allemal und trotz aller Kennerdogmatik darauf an,
was bei einer Arbeit zum Schluss herausschaut.
Die Persönlichkeit, das ist alles, Kupfer ist Kupfer,
Stein ist Stein. Wenn ein grosser Gedanke in
schöne Form gegossen wird, so geniesst man eben,
und nur ein Philister fragt, welche Legierung das
Metall des Gefässes hat.
Als ich letzthin bei Käthe Kollwitz war und wir
über lithographische und Kupferdrucktechnik spra-
chen, sagte ich, ich begriffe nicht, dass noch kein
Künstler auf die Idee gekommen sei, die Schärfe,
den Schmelz der letzteren mit der Farbigkeit der
ersteren Technik zu verbinden. Frau Dr. K. ging
darauf an einen Schrank und entnahm ihm jenes
Blatt, das Fräulein Plehn in ihrem Aufsatz anführt,
indem sie hinzufügte, dass auch sie sich viel von
dieser Kombination verspreche. Ich muss sagen:
ich fand das Blatt famos und war nicht die Spur
verletzt durch die erzielte Wirkung — im Gegen-
teil! Beide Verfahren schlössen sich sehr schön
ineinander. Ich will damit durchaus nicht sagen,
dass jedes lithographische Verfahren und jedes
Radierverfahren nun unbedingt zusammengehen;
vielmehr das sich ergänzende in dem weiten Ge-
biet beider Techniken zu verschmelzen — das ist
der springende Punkt; das rechte auszuwählen für
das, was man sagen möchte!
Hier und da mag es ja anders sein, indes glaube
ich, dass man in der Regel klar jede Technik für
sich erkennen kann, auch auf Kombinationen. Da-
gegen lege ich aber entschieden Protest ein, dass
französischen Radierungen (übrigens sind sie an
und für sich vorzüglich), bei denen auf einer Platte
mehrere Farben vertupft und dann gedruckt sind, der
Vorzug gegeben werde vor Radierungen mit unter-
legten lithographischen Platten. Vom dogmatischen
Standpunkt nämlich; denn dem Begriff des »ge-
druckten Blattes« kommt letzteres denn doch näher
als jene Kupfermalerei. j. Sthoever

II.
A uch wir glauben dem Aufsatz von A. L. Plehn
gegenüber in nachfolgenden Betrachtungen
unsern entgegengesetzten Standpunkt niederlegen
zu müssen, wobei wir dem Leserkreis dieser Zeit-
schrift gerne die Entscheidung darüber anheim-
stellen, welche der beiden konträren Anschauungen
näher auf den Zeitwillen eingeht, welche mehr ge-
eignet ist, modernem Kunstschaffen die Wege ins
Volk zu öffnen. Im besonderen der zeitgemäss er-
fassten Graphik, die wie kein anderer Zweig der
bildenden Kunst berufen scheint, unsere Zeit künst-
lerisch zu durchdringen, um dann ihrerseits, von
einem ernsten Entwicklungswillen erfüllt, wieder be-
freiend, kulturfördernd aufs Leben zurückzuwirken.
Es scheint uns, als habe Fräulein Plehn, als sie
die Anwendung kombinierter graphischer Verfahren
so kurzer Hand verwarf, nicht lange genug bei der
Ueberlegung verweilt, was wohl den modernen Gra-
phiker auf dergleichen Bestrebungen hinleitete!
Die Antwort, die sie auf diese Frage findet, dürfte
nur diejenigen Kreise zufriedenstellen, die in miso-
neistischer Befangenheit von vornherein Gegner
einer modernen, evolutionistischen Kunstanschau-
ung sind. Sie scheint uns ebenso knapp als un-
richtig und lautet dahin: Durch Anwendung kombi-
nierter Verfahren beweise der Graphiker nur, dass
sein Können nicht im stände ist, sein Wollen im
Rahmen einer Technik zu erschöpfen.
Dieser Haupteinwand, den Fräulein Plehn gegen die
Anwendung kombinierter Verfahren ins Treffen führt,
indem sie in ihnen nicht mehr zu sehen vermag,
als ein künstlerisches testimonium paupertatis, sei
hier zunächst widerlegt, und zwar dadurch, dass
wir die oben gestellte Frage nach dem Ursprung
der Kombinations-Bestrebungen auf unsere Art be-
antworten wollen:
Der neue geistige Gehalt, den unsere Epoche
aus ihren technischen und wissenschaftlichen Ent-
deckungen, Neuerscheinungen, Fortschritten ge-
wonnen hat, der moderne Geist, der ein modernes
Leben, das in durchaus keiner realen Beziehung
mehr zum Leben der Vergangenheit steht, so
mächtig durchflutet, er sucht heute auf allen Ge-
bieten geistigen Lebens in Erscheinung zu treten,
gleicherweise in Philosophie wie in Kunst und
Litteratur.
In all diesen Bereichen jedoch findet der neue
Geist, ständig bestrebt, Form, Ausdruck, Erschei-
nung zu gewinnen, nur solche Ausdrucksmittel, die
seiner Natur oft geradezu widersprechen, stets aber
veraltet, zu eng sind, und ihn daher in seinen Mani-
festationen beschränken, seine freie Entfaltung und
damit das Aufblühen einer neuen, allseits harmo-
nischen Gesamtkultur hinausschieben. — Folglich
durchbricht, zerstört der neue Geist die herge-
brachten Formen!
Auf diesem Wege gab er uns Werke der Dicht-
kunst, die zum Entsetzen aller behaglichen Miso-
ne'fsten in keine der akademischen Schubladen mehr
passen wollen, deren Entstehung nicht mehr auf
den Gesetzen beruht, die man von früheren Litte-
raturen abstrahiert hat.
Neuformen, die geeignet wären, modernes Fühlen
und Denken — von unmodernem so verschieden,
wie das Automobil von der Postkutsche — restlos
auszudrücken, können nun wohl nicht aus der Luft

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