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Die Kunst für alle: Malerei, Plastik, Graphik, Architektur — 18.1902-1903

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Pauli, Gustav: Louis Tuaillons Denkmal des Kaisers Friedrich für Bremen
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Tuaillon, Louis: Erklärung des Bildhauers L. Tuaillon
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https://doi.org/10.11588/diglit.12081#0079

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^S35> DAS KAISER FRIEDRICH-DENKMAL FÜR BREMEN <S^~

Imperatorentracht!" Der patriotisch empfin-
dende Mann, der dieses schrieb, und seine
Gesinnungsgenossen wünschten den Kaiser
so verewigt zu sehen, wie sie ihn einst leib-
haft oder in Photographien kennen gelernt
hatten — in der Uniform der Pasewalker
Kürassiere mit Kanonenstiefeln hoch zu Roß,
oder etwa als „unsern Fritz" mit der Mütze
auf dem Kopfe und der Pfeife in der Hand.
Und diese Forderung erschien als so selbst-
verständlich, daß sie keiner Diskussion fähig
sei. Nun hat ja Tuaillon selbst sich bereits
zu der Sache geäußert, allein die Frage ist
für uns alle heutzutage so bedeutungsvoll,
daß sie wohl noch einmal aufgenommen wer-
den darf. Besinnen wir uns einmal ruhigen
Blutes auf die eigentliche Bestimmung eines
Denkmals.

Wollen wir mit diesen Erz- und Marmor-
bildern ein Faksimile der äußeren Erschei-
nung einer Person der Nachwelt überliefern,
damit dereinst Kind und Kindeskind es wisse,
nicht allein, wie das Antlitz des großen Mannes
geschnitten gewesen sei, sondern auch welchen
Rock und welche Stiefel er anno dazumal zu
tragen pflegte? — Oder soll ein Denkmal
nicht vielmehr eine symbolische Huldigung
sein, und der Schmuck eines Platzes? — In
dieser doppelten Bedeutung liegt seine Be-
stimmung beschlossen. Dabei kommt die
Kostümfrage in zweiter Linie in Betracht.*)
Jede Tracht ist angemessen, die der Bestim-
mung der Huldigung nicht widerspricht und
die Tracht ist die beste, die dem Gesamt-
bilde des Denkmals am meisten zur Zierde
gereicht. Die Entscheidung kann hier immer
nur der Künstler treffen. Es ist ganz wohl
denkbar, daß ein Künstler sich auch für die
moderne Uniform oder die bürgerliche Tracht
entscheidet, wenn er seinem Wesen nach sich
nicht von dem Naturalismus der äußeren Er-
scheinung befreien kann und will. Man denke
an Paul Troubetzkoy. Aber Männer wie
Tuaillon und Hildebrand empfinden nun ein-
mal anders. Für sie ist unsere Uniform ein
System von zylinderförmigen Futteralen, in
denen sich die Schönheit des Menschenleibes
verbirgt. Und sie haben recht. Wenn Lederer
seinen Bismarck als geharnischten Hüter des
Landes hinstellt, wenn Tuaillon den Kaiser
in verklärter Gestalt als einen gütigen edlen
Herrscher — losgelöst von den Zufälligkeiten
des Zeitkostüms — erscheinen läßt, so sind
das befreiende Taten. Denn sie lassen sich

*) An und für sich erscheint aber auch sie allein uns für die
Denkmalskunst wichtig genug, daß wohl eine weitere Aussprache
gerade aus Künstlerkreisen darüber am Platze wäre. Wir stellen
dafür die Spalten unserer Zeitschrift gern zur Verfügung.

Die Redaktion der „K. f. a."

der öffentlichen Meinung zum Trotz von den
künstlerischen Erwägungen leiten, die hier
allein maßgebend sein müssen. Und sie haben
die Tradition der Blütezeiten bildender Kunst
für sich. Man hat wohl auf Schlüters Denk-
mal des Großen Kurfürsten hingewiesen, der
auch als antiker Imperator einherreitet, trotz-
dem er ein so guter Patriot war, man hat
auch an die Mediceergräber erinnert. Allein
man hätte ruhig sagen können, daß seit den
Zeiten der Hochrenaissance bis zum Beginn
des 19. Jahrhunderts bei allen Fürstendenk-
mälern eine ideale Tracht verwendet sei. Die
Dargestellten erschienen in antikem Gewände,
in phantastischem Harnisch, in vereinzelten
Fällen sogar nackt, aber niemals in dem
Habit, das ihre Landeskinder tagtäglich an
ihnen sahen. Diese sentimentale Forderung
äußerster und äußerlichster Porträtähnlichkeit
mit den künstlerischen Erfordernissen der
Monumentalität zu verquicken, das blieb erst
dem 19. Jahrhundert vorbehalten.

Gustav Pauli

Die in obigem Aufsatz erwähnte

ERKLÄRUNG DES BILD-
HAUERS L. TUAILLON

lautet wie folgt:

Meine Auffassung der Kaiserfigur, die von den
jetzt herrschenden Ideen abweicht, ist eine unum-
gängliche Forderung der plastischen Form.
Ich muß vorausschicken, daß Kunst eine Abstrak-
tion vom Leben, daß direkte Wiedergabe vom Leben
unmöglich ist, und daß, je größer die Dimensionen
eines Werkes sind, desto notwendiger sich eine
Uebersetzung und Steigerung ins Monumentale er-
gibt. Eine Darstellung des Kaisers als ;unser Fritz <
ist schließlich als Buchillustration noch möglich,
als großes Werk aber monumental unmöglich. Man
hat das Denkmal Friedrichs des Großen er-
wähnt, über welches Goethe mit Rauch lange
disputiert hat, weil der Dichter eine ideale Auf-
fassung wünschte. So sehr man die Vorzüge
dieses in vieler Beziehung ausgezeichneten Werkes
schätzen muß, so darf doch nicht übersehen werden,
daß hier weit weniger Wert gelegt ist auf die Eigen-
schaften des großen Staatsmannes, Feldherrn und
Denkers, als auf eine gewisse, zu scharf betonte
Originalität der äußeren Erscheinung.

Kaiser Friedrich, >unser Fritz<, mit Tabaks-
pfeife, langen Feldstiefeln und Mütze, würde kom-
menden Geschlechtern einen recht wenig königlichen
Eindruck machen; und doch tritt bei keinem Fürsten
seines Hauses das Majestätische und Prächtige
der äußeren Erscheinung so in den Vordergrund,
wie bei ihm. Diese typischen Merkmale der Er-
scheinung wiederzugeben, ist für den Künstler
natürlich eine ungemein dankbare Aufgabe; er wird
nach den Mitteln suchen, die diese Eigenart klar
zum Ausdruck bringen und nach Möglichkeit sogar
steigern. Eine für den Typus geeignete Tracht
wird ein wesentliches Mittel sein. Da nun unsere
moderne Kleidung, die militärische sowohl wie die
bürgerliche, rein formell betrachtet, sich zur direkten

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