-*-s^> WIENER KUNSTAUSSTELLUNGEN <5^-
george minne denkmal für den dichter rodenbach
XV. Ausstellung der Wiener Secession
surrektion von Brügge symbolisieren könne. ist nur bis zum Eilenbogen sichtbar. Er
Man kennt die Art der Künstlers, die heraus- hängt schlaff herab, verhüllt vom Leichen-
gewachsen ist aus dem tiefen Zusammenhang, tuch. In wenigen breiten Strichen hat Minne
der zwischen dessen Fühlen und den Kunst- die Gestalt gemeißelt. Aus dem Gefüge des
traditionen seines Landes besteht. An die Steines entsprungen, verschwindet sie wieder
stillen, ernsten Gestalten knüpft er an, an in die Schichtung des Marmors und bildet
die synthetisch modellierten Formungen, die, mit Sockel und Aufbau eine streng einheit-
eingefügt in den Domen der gotischen Städte, liehe, stilistische Linie.
unberührt vom Wechsel der Zeiten, die herr- Die sphinxartige Gestalt ist nicht nur als
liehe Einheit bezeugen, welche einstens reines Kunstwerk zu genießen, sie ist auch
zwischen architektonischen und plastischen im kultur-ethischen Sinne von großer Bedeu-
Gebilden bestand. Diese Einheit in sich tung. Weist sie doch der Denkmalskunst
aufgenommen zu haben, als festen uner- neue Bahnen.
schütterlichen Grundpfeiler seines Kunst- Die Secession aber ehrt es, daß sie gedank-
schaffens, das ist das charakteristische Mo- liehe Umwertungen unseres Kulturempfindens
ment, welches uns bei der Beurteilung dessen, mit feinem Verstehen auslöst, und durch die
was Minne mit seinen Skulpturen will, leiten Vorführung solcher ihrer Zeit vorauseilender
muß. Werke den Sinn der Menge zu höherem Er-
Und dieses Moment tritt mit großer Kraft kennen führt,
an der Bildung des Rodenbach - Denkmals b. Zuckerkandl
hervor. Mit der grabförmigen Platte des
Sockels tektonisch verbunden, deckt ein
weißes, starres Leichentuch eine Frauen- GEDANKEN
gestalt. Das Linnen ist vom Oberkörper . , „ . ,. . , „. . , , ,
? , . ,, . ,. _ , , . , In der Kunst liegt der >i>mni viel mehr an der
herabgefallen, denn die Tote erhebt sich Spitze unserer Werkzeuge und in deren Kontakt
langsam aus der Gruft. Ein mächtiger Kör- mit dem Material als in Gemüt, Verstand, Wissen
per, dessen edel und kühn sich biegende oder Kombinieren. Ueber diese Gaben verfügen
Nackenlinie einen Kopf mit stolzem, müdem, auch Nichtkünstler reichlich, ohne ihnen Form geben
. , , .. _ ' ,. , zu können. Ein Glanz der Kristalle des Steins oder
versunkenem Ausdruck tragt. Den linken der Farben oder von Tongebilden und neue Per-
Arm aufgestützt, scheucht die Hand leise spektiven öffnen sich — dem Künstler.
den Schlaf von den Augen; der rechte Arm Max Kiinger (im Nekrolog auf Hans Merlan >
Die Kunst dir Alle XVIII.
169
george minne denkmal für den dichter rodenbach
XV. Ausstellung der Wiener Secession
surrektion von Brügge symbolisieren könne. ist nur bis zum Eilenbogen sichtbar. Er
Man kennt die Art der Künstlers, die heraus- hängt schlaff herab, verhüllt vom Leichen-
gewachsen ist aus dem tiefen Zusammenhang, tuch. In wenigen breiten Strichen hat Minne
der zwischen dessen Fühlen und den Kunst- die Gestalt gemeißelt. Aus dem Gefüge des
traditionen seines Landes besteht. An die Steines entsprungen, verschwindet sie wieder
stillen, ernsten Gestalten knüpft er an, an in die Schichtung des Marmors und bildet
die synthetisch modellierten Formungen, die, mit Sockel und Aufbau eine streng einheit-
eingefügt in den Domen der gotischen Städte, liehe, stilistische Linie.
unberührt vom Wechsel der Zeiten, die herr- Die sphinxartige Gestalt ist nicht nur als
liehe Einheit bezeugen, welche einstens reines Kunstwerk zu genießen, sie ist auch
zwischen architektonischen und plastischen im kultur-ethischen Sinne von großer Bedeu-
Gebilden bestand. Diese Einheit in sich tung. Weist sie doch der Denkmalskunst
aufgenommen zu haben, als festen uner- neue Bahnen.
schütterlichen Grundpfeiler seines Kunst- Die Secession aber ehrt es, daß sie gedank-
schaffens, das ist das charakteristische Mo- liehe Umwertungen unseres Kulturempfindens
ment, welches uns bei der Beurteilung dessen, mit feinem Verstehen auslöst, und durch die
was Minne mit seinen Skulpturen will, leiten Vorführung solcher ihrer Zeit vorauseilender
muß. Werke den Sinn der Menge zu höherem Er-
Und dieses Moment tritt mit großer Kraft kennen führt,
an der Bildung des Rodenbach - Denkmals b. Zuckerkandl
hervor. Mit der grabförmigen Platte des
Sockels tektonisch verbunden, deckt ein
weißes, starres Leichentuch eine Frauen- GEDANKEN
gestalt. Das Linnen ist vom Oberkörper . , „ . ,. . , „. . , , ,
? , . ,, . ,. _ , , . , In der Kunst liegt der >i>mni viel mehr an der
herabgefallen, denn die Tote erhebt sich Spitze unserer Werkzeuge und in deren Kontakt
langsam aus der Gruft. Ein mächtiger Kör- mit dem Material als in Gemüt, Verstand, Wissen
per, dessen edel und kühn sich biegende oder Kombinieren. Ueber diese Gaben verfügen
Nackenlinie einen Kopf mit stolzem, müdem, auch Nichtkünstler reichlich, ohne ihnen Form geben
. , , .. _ ' ,. , zu können. Ein Glanz der Kristalle des Steins oder
versunkenem Ausdruck tragt. Den linken der Farben oder von Tongebilden und neue Per-
Arm aufgestützt, scheucht die Hand leise spektiven öffnen sich — dem Künstler.
den Schlaf von den Augen; der rechte Arm Max Kiinger (im Nekrolog auf Hans Merlan >
Die Kunst dir Alle XVIII.
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