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Die Kunst für alle: Malerei, Plastik, Graphik, Architektur — 18.1902-1903

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Oesterreichische Kunstpflege
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https://doi.org/10.11588/diglit.12081#0224

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OESTERREICHISCHE KUNSTPFLEGE

Der österreichische Unterrichts - Minister,
Herr von Hartl, hat in der letzten Kunst-
ratsitzung die Stellung, welche die Unter-
richtsverwaltung der modernen Kunstpflege
gegenüber einnimmt, eingehend besprochen.

Wer die letzten Jahre hindurch die Vor-
gänge auf diesem Gebiet in Oesterreich mit
aufmerksamem Auge verfolgt hat, wußte wohl,
daß diese Worte des Ministers eine Abwehr
waren gegen Angriffe und Einmengungen aller
Art, die von den reaktionärsten Elementen
aller Schattierungen mit zäher Ausdauer gegen
ihn gerichtet wurden.

Exzellenz von Hartl hat seine Haltung in
der Kunstförderungsfrage selbst wie folgt
charakterisiert: „Wenn aber dieser Werde-
prozeß (der neuen Kunst), wie seine Aus-
breitung und durchgreifende Wirkung erken-
nen lässt, ein natürlicher war, so lag es außer
dem Machtkreis staatlicher Einflußnahme, ihn
abzuhalten oder im Keime zu zerstören, und
die Unterrichtsverwaltung durfte sich am
wenigsten verleiten lassen, Erscheinungen
dieses turbulenten Prozesses — mochten sie
den ererbten Geschmack kunstliebender
Kreise noch so sehr befremden, verwirren,
verletzen — oder ihren Urhebern mit vor-
gefaßter Sympathie oder Antipathie entgegen-
zutreten. Sie muß unvoreingenommen und
wohlwollend die Vorgänge auf künstlerischem
Gebiet nicht nur im eigenen Lande, sondern
auch in der übrigen Welt mit wachsamem
Auge begleiten, was die Entfaltung der natür-
lichen Kräfte ermöglicht, vorkehren, jeder ehr-
lichen Arbeit freie Bahn schaffen, und so nach
Maßgabe ihrer Mittel die Interessen der ein-
zelnen Künstler oder ihrer Korporationen
fördern. In das künstlerische Schaffen re-
glementierend eingreifen, das kann sie nicht
und braucht sie nicht zu können, darauf
bauend, was die Geschichte der Kunst be-
ruhigend lehrt, daß das Schöne, Echte und
Wahre siegreich von selbst durchzudringen
und sich zu erhalten vermag."

Wohlwollend und unvoreingenommen der
Zeitkunst gegenüber zu sein, anstatt sie mit
Hilfe von bureaukratischen Barrikaden und
Paragraphen zu knebeln, dies galt in den
Kreisen des aristokratischen und des bürger-
lichen Philistertums als revolutionäre Hand-
lungsweise, galt als Verrat an den heiligen
Satzungen der akademischen Kunstüberliefe-
rungen. Mit allen Mitteln vergifteter Intri-

guen und lügenhafter Entstellungen, mit der
ganzen Macht, über welche eine „kompakte
Alajorität" verfügt, versuchte man es, dem
Minister die Fortführung seiner Kunstpolitik
unmöglich zu machen. Es bedurfte des Mutes
einer festen Ueberzeugung, aber auch der
gleitenden Geschicklichkeit eines gewiegten
Diplomaten, um in den letzten Kampfesjahren
aufrecht und stark zu bleiben.

Nicht gleich bei der Gründung der Se-
cession prallten die Gegensätze heftig an-
einander. So lange diese Künstlerschar sich
damit begnügte, individuelle Erscheinungen
des Auslandes dem Publikum zu zeigen, so
lange wurde der neue Ton geduldet. Erst
als Kumt es wagte, auf seine Weise die
evolutiven Umwertungen seines Kunsterken-
nens zu gestalten, erst als die Secession das
erste jener Deckengemälde zur Ausstellung
brachte, das für die Ausschmückung der
Wiener Universität bestimmt war, erst als
es sich um den Schutz der heimischen Markt-
ware gegen die Uebergriffe ehrlicher, echter
Kunst handelte, erst da entbrannte jene fas-
sungslose Wut, gegen welche zu verteidigen
der Unterrichtsminister immer wieder sich
bemüßigt sieht. — Von den drei, die Philo-
sophie, die Medizin und die Justiz darzu-
stellenden Allegorien, welche die staatliche
Kunstkommission seinerzeit bestellte, — es
sind das Aufträge, die so bescheiden dotiert
wurden, daß man in Deutschland nie daran
denken würde, größere Werke so zu be-
zahlen —, erregten die bisher fertiggestellten
Bilder der Philosophie und der Medizin hef-
tigsten Widerspruch. Der Unterrichtsminister
erhielt eine Protesteingabe der Universitäts-
professoren, denen sich allerdings ein Minori-
tätsvotum einiger von ihnen entgegenstellte. Er
mußte Parlaments-Interpellationen entgegen-
nehmen und konnte die versuchte und angeregte
Ablehnung und die Zurückweisung der Gemälde
nur mit großen Schwierigkeiten vereiteln.

Die überragende Bedeutung der Klimt-
schen Werke wurden das rote Tuch für die
Gegner der österreichischen Zeitkunst. Es
verschlug nichts, daß der Künstler für die
„Philosophie" auf der Pariser Weltausstellung
des Jahres 1900 die große goldene Medaille,
eine der allerhöchsten künstlerischen Aus-
zeichnungen erhielt. Die Alinierarbeiten gegen
Kunstübung und Kunstvertretung wurden fort-
gesetzt. Besonders von einer Aristokratie,

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