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Die Kunst für alle: Malerei, Plastik, Graphik, Architektur — 18.1902-1903

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Zuckerkandl, B.: XVII. Ausstellung der Wiener Secession
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https://doi.org/10.11588/diglit.12081#0375

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VT ALTER LEISTIKO VC PARK BEI KOPENHAGEN (1896)

XVII. AUSSTELLUNG DER WIENER SECESSION

Eine neue Etappe für die immer subtiler,
keuscher und ernster werdende Ent-
wicklung, welche der Begriff „Kunst" in
unserer Epoche erfährt, bildet diese Aus-
stellung.

Das Streben der Secession in Wien ging
seit ihrem ersten Auftreten dahin, die unor-
ganischen Massenvorführungen, welche allen
Kunstausstellungen ein barbarisches Jahr-
marktsgepräge gaben, durch kleine, gewählte,
sorgsam plazierte Darbietungen zu ersetzen.
Auf möglichst dem Material angepaßten Hinter-
gründen, in bedachtsamer Erwägung der er-
forderlichen Distanz, nie über Augeshöhe sich
erhebend, konnten Werke, welche früher an
intimer Wirkung schwere Einbuße erlitten
hatten, nun harmonisch und klar ihre Indivi-
dualität bekunden.

Doch scheint es, daß den Begründern und
Verfechtern einer neuen Kunstethik, daß den
bildenden Künstlern Oesterreichs die errun-
genen Vorteile einer gereinigten und vor-
nehmen Ausstellungsart auf die Dauer nicht
genügten. Unablässig suchten sie den zuerst
ausgesprochenen Gedanken zu vertiefen und
weiter auszugestalten. Nachdem sie im vori-
genjahre den Versuch unternahmen, sich und
dem Publikum zu lehren, wie einem großen
Kunstwerk durch die organische Verbindung
mit der dasselbe umgebenden Architektur
und deren dekorativen Hilfsmitteln in adeliger

Weise gehuldigt werden könne, haben sie
dieses Jahr nun einen neuen Ausstellungs-
typus gefunden.

Wieso, lautete die Frage, welche die Mit-
glieder der Vereinigung sich stellten, kann
die Individualität eines Künstlers am ruhigsten
wirken? Wie kann ein Künstler vollkommen
ungestört sein Wollen aussprechen, wie kann
sein Wesen mit allen Mängeln und Vorzügen
sich am deutlichsten offenbaren? Und die
Antwort lautete: Durch die vollkommene
räumliche Abgeschlossenheit einer Persön-
lichkeit von der andern. Durch die Elimi-
nierung jeder Nachbarschaft, durch die Ab-
haltung jedes die Harmonie störenden frem-
den Einflusses. Dem Einzelnen der Einzel-
raum, dies wurde die Devise für die inter-
essante Enunziation unserer Künstlerschaft.

So zählen wir in dem schon so oft umge-
stalteten und immer dem Zweck so vollendet
dienenden Haus der Secession diesmal vier-
zehn kleine Zimmer, welchen sich dann noch
ein großer Längssaal anschließt. Beinahe
jedes der Mitglieder beherrscht einen Raum
allein. Er konnte die Wahl des ihm für seine
Werke am kongenialsten dünkenden Hinter-
grundes treffen. Er konnte den einheitlichen
Typus seiner Umrahmungen bestimmen, er
war unumschränkter Herr seiner Wirkungen.
Es ist selbstverständlich, daß ein erster Ver-
such noch nicht vollkommene Reife zeigen

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