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Die Kunst für alle: Malerei, Plastik, Graphik, Architektur — 18.1902-1903

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Volkmann, Ludwig: Das Wesen der Kunst: ein Schlußwort
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https://doi.org/10.11588/diglit.12081#0399

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DAS WESEN DER KUNST <^*»

an und ist einer sachlichen Auseinandersetzung nicht entfernt, apriorische, idealistische Forderungen in
förderlich, denn so gut er seine Meinung eine wohl- die ästhetische Betrachtung hineinzutragen. Wir
erwogene und abgeschlossene nennt, so gut muß sind also in vielen Punkten vollkommen einig mit
er gestatten, daß andre dem eine ebenso wohl- ihm und erkennen aufrichtig und dankbar an, was
erwogene, wenn auch abweichende Ansicht ent- er in dieser Richtung durch Beseitigung von Vor-
gegenstellen. Beginnt doch sein Werk mit den urteilen und klare, im besten Sinne realistische
schwerwiegenden Worten: Dieses Buch möchte Darstellung der Allgemeinheit geboten hat. Andrer-
sowohl eine wissenschaftliche Aesthetik als auch seits aber muß festgestellt werden, daß seine ge-
eine populäre Kunstlehre sein. Der Verfasser samten gegen solche angebliche Mißverständnisse
bittet deshalb, bei seiner Beurteilung den Maßstab gerichteten Ausführungen gegenstandslos sind; die
anzulegen, zu dem dieser doppelte Anspruch heraus- Mißverständnisse existieren nicht, brauchen also
fordert. Es ist nicht nur seine Absicht, die wissen- auch nicht aufgeklärt zu werden. Wenn wir trotz-
schaftliche Forschung durch eingehende Begründung dem in entscheidenden Fragen stark von Langes
der Illusionstheorie auf eine neue Grundlage zu Auffassung abweichen, oder — um meine seinerzeit
stellen, sondern auch weitere Kreise, die sich für gebrauchten Worte zu wiederholen — wenn wir so
Kunst interessieren, zum Nachdenken über ihr manche Gedanken seiner Lehre gern annehmen.
Wesen und ihre Aufgaben anzuregen. Kommen und doch noch etwas über dieselbe hinausgehen
wir dann aber und erklären auf Grund intensiver möchten, so scheint mir hierfür ein Grund all-
Beschäftigung mit seiner Theorie, daß wir trotz gemeinster und natürlichster Art vorzuliegen: die
vollster Anerkennung der vielen trefflichen und Entwicklung der modernen Kunst und in Verbindung
höchst anregenden Einzelausführungen den Kern damit der modernen Kunstwissenschaft überhaupt,
seiner Lehre nicht anerkennen können, dann sollen — Wiederum darf ich Lange hier seine eigenen
wir nur nicht imstande gewesen sein, ihm zu folgen, Worte entgegenhalten, wie sie sich auf Seite 30
und alles ist — Mißverständnis . Nein; ich und seines ersten Bandes finden. Er sagt dort: Jede
viele andre, die gleich mir urteilen, haben Langes Kunsttheorie ist in ihrer Gültigkeit beschränkt, denn
Illusionstheorie sehr wohl verstanden, und sie ist jede ist ein Kind ihrer Zeit oder sollte es wenig-
auch gar nicht so schwer zu verstehen wie er stens sein. Die meinige ist der Hauptsache nach
meint. Insbesondere wissen wir sehr gut, daß er in den achtziger Jahren des neunzehnten Jahr-
unter Illusion nicht die grob materielle, wirkliche hunderts entstanden, also gerade in der Zeit, in der
Täuschung versteht, die aller Kunst entgegengesetzt die nach meiner Auffassung gesunde realistische
ist, er braucht uns also nicht zu ersuchen, uns Kunst auf dem Höhepunkt ihrer Entwicklung an-
seinem Illusionsbegriff anzubequemen , wenn wir gelangt war. Sie ist deshalb ein theoretischer
seine Theorie bekämpfen. Auch geben wir die Niederschlag des Realismus.- Wie nun aber, wenn
wichtige Rolle, die der so gefaßte Begriff der künst- auch wir Kinder unserer Zeit sind, und auf Grund
lerischen Illusion im Kunstschaffen wie im Kunst- einer augenscheinlichen Weiterentwicklung des
genuß spielt, völlig zu und sind gleich ihm weit davon Kunstschaffens auch eine Weiterbildung der Kunst-
theorie fordern? Wir stehen ja heute dem
Realismus der achtziger Jahre noch nahe genug,
um seine ganze grundlegende Bedeutung noch
voll empfinden und würdigen zu können.
Andrerseits aber sind wir ihm auch schon
wieder fern genug, um nicht auf Grund der
tatsächlichen Erscheinungen erkannt zu haben,
daß er in vielen Dingen noch keine Erfüllung,
sondern nur eine unumgänglich nötige Vor-
bereitung war; nicht ein absolutes Endziel,
sondern ein Durchgangsstadium. Wir danken
es jenen Männern wahrlich, daß sie die Kunst
wieder auf den festen und gesunden Boden
der Natur gestellt haben, auf dem allein sie
gedeihen kann, aber wir wissen auch, daß sie
weiter gediehen ist und sich zu mancher
tieferen und geistigeren Durchdringung der
Natur fortentwickelt hat, auch ohne den realen
Boden dabei zu verlieren und sich in Symbo-
lismus, Mystizismus, Primitivismus und alle
die >ismen« zu verflüchtigen, die Lange so
lebhaft bekämpft. Und so gehen wir denn
auch in ästhetischen Fragen heute zwar gern
lediglich von der festen Basis exakt erforschter
Tatsachen aus, aber wir suchen das künst-
lerische Problem trotzdem nicht nur in äußer-
lichen, sondern noch in erhöhtem Maße in
geistigen Vorgängen zu fassen, die darum nicht
minder real sind. Konrad Lange mag diese
Entwicklung von seinem Standpunkt aus be-
dauern, aber leugnen kann er sie nicht. Uns
dagegen schmerzt es, zu sehen, daß ein Mann,
den wir als Verfasser der Künstlerischen
Erziehung der deutschen Jugend', der Freiheit
der Kunst u. s. w. allseitig schätzen, an die-
sem einen Punkt Halt gemacht hat und nicht
LEO"SAMBERGER PROF. W. v. ROMANN weiter mitgegangen ist. Gerade als einseitiger

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