■*^g> ZUM 100. GEBURTSTAG LUDWIG RICHTERS <Ös^
die schlichte Anmut ihres Handelns und Tuns.
Es liegt etwas Zeitloses in dieser Kunst —
d. h. nicht eine bestimmte Rasse, eine scharf
umgrenzte Periode unserer geschichtlichen
Entwicklung spiegelt sich in ihr, sondern ein
zart und gefühlvoll Menschliches von blei-
bender Schönheit hat sich in ihr versichtbart.
Ich leugne nicht den Einfluß des sächsischen
Bodens, auch nicht den der politischen Stim-
mung, die damals über unserem deutschen
Vaterlande lag. Aber ich empfinde in dem
Geist von Ludwig Richters Kunst ein Etwas,
das, losgelöst von den Banden der unmittel-
baren Umgebung, zum Ausdruck drängte, ein
Tröpflein Himmelsäther, das aus den Rau-
heiten und Härten dieser Welt in tausend
Bildern und Gestalten seine überirdische Her-
kunft ausstrahlte, bis es, angezogen vom
Glanz der Höhe, endlich heimfand.
Ludwig Richter hat geholfen, die Land-
schaft aus den Gauen Italiens wieder in ihre
deutsche Heimat und zur Erkenntnis von
deren Reizen zurückzuführen. Er hat seiner
Zeit gelehrt, in der verachteten Wirklichkeit
des Alltäglichen einen Schatz von leben-
spendender Schönheit wiederzufinden, und hat
selbst als ein treuer Eckart der deutschen
Volksseele diesen Schatz zu heben begonnen.
Die Gegenwart hat ihn als künstlerische
Schaffenskraft überwunden, aber sie wird sich
hüten müssen, die künstlerische Gesinnung,
in der seine Arbeit wurzelte, in dem be-
wegten Strome ihrer Lebenskräfte aus den
Augen zu verlieren.
Erich Haenel
st
Mi
LESEFRÜCHTE
Was die Epoche besitzt, das ver-
künden hundert Talente;
Aber der Genius bringt ahnend her-
vor, was ihr fehlt.
Geibel
Dem Künstler gönn' ich gern des
Königs Gunst,
Nur zweifl' ich, ob zugleich sie
fördert stets die Kunst.
Daniel Sanders
•
Der gnädigste von allen Richtern
ist der Kenner.
Schiller
Dem ergibt die Kunst sich willig,
der sich völlig ihr ergibt,
Der die Freiheit heißer, als er Not
und Hunger fürchtet, liebt.
A. v. Platen
Kunst üben kann nur der Erkorne,
Kunst lieben jeder Erdgeborne.
Anastasias Grün
Die Künste ahmen nicht gerade
%\v -. "iSs,-^r~Ni- nach, was man mit Augen sieht,
--^C - : V • '1/ '•' ' ' y 1^25 V sondern gehen auf jenes Vernünftige
i l "i '^ffrW^Ci.j > - ZlF^ J zurück, aus welchem die Natur be-
l^SfoZ XJ^r ^XoVrC // 1%;rs~~^ steht und wornach sie handelt.
^"QU T>,i*f sy/T, -"Tf&fi^
Goethe
Kunst ist die rechte Hand der
Natur. Diese hat nur Geschöpfe,
ludwig richter rosengarten (1858) . jene hat Menschen gemacht.
Zu „Klaus Groth". Farbig getönte Bleizeichnung. Eigent.: Herr Ed. Cichorius in Leipzig Schiller
572
die schlichte Anmut ihres Handelns und Tuns.
Es liegt etwas Zeitloses in dieser Kunst —
d. h. nicht eine bestimmte Rasse, eine scharf
umgrenzte Periode unserer geschichtlichen
Entwicklung spiegelt sich in ihr, sondern ein
zart und gefühlvoll Menschliches von blei-
bender Schönheit hat sich in ihr versichtbart.
Ich leugne nicht den Einfluß des sächsischen
Bodens, auch nicht den der politischen Stim-
mung, die damals über unserem deutschen
Vaterlande lag. Aber ich empfinde in dem
Geist von Ludwig Richters Kunst ein Etwas,
das, losgelöst von den Banden der unmittel-
baren Umgebung, zum Ausdruck drängte, ein
Tröpflein Himmelsäther, das aus den Rau-
heiten und Härten dieser Welt in tausend
Bildern und Gestalten seine überirdische Her-
kunft ausstrahlte, bis es, angezogen vom
Glanz der Höhe, endlich heimfand.
Ludwig Richter hat geholfen, die Land-
schaft aus den Gauen Italiens wieder in ihre
deutsche Heimat und zur Erkenntnis von
deren Reizen zurückzuführen. Er hat seiner
Zeit gelehrt, in der verachteten Wirklichkeit
des Alltäglichen einen Schatz von leben-
spendender Schönheit wiederzufinden, und hat
selbst als ein treuer Eckart der deutschen
Volksseele diesen Schatz zu heben begonnen.
Die Gegenwart hat ihn als künstlerische
Schaffenskraft überwunden, aber sie wird sich
hüten müssen, die künstlerische Gesinnung,
in der seine Arbeit wurzelte, in dem be-
wegten Strome ihrer Lebenskräfte aus den
Augen zu verlieren.
Erich Haenel
st
Mi
LESEFRÜCHTE
Was die Epoche besitzt, das ver-
künden hundert Talente;
Aber der Genius bringt ahnend her-
vor, was ihr fehlt.
Geibel
Dem Künstler gönn' ich gern des
Königs Gunst,
Nur zweifl' ich, ob zugleich sie
fördert stets die Kunst.
Daniel Sanders
•
Der gnädigste von allen Richtern
ist der Kenner.
Schiller
Dem ergibt die Kunst sich willig,
der sich völlig ihr ergibt,
Der die Freiheit heißer, als er Not
und Hunger fürchtet, liebt.
A. v. Platen
Kunst üben kann nur der Erkorne,
Kunst lieben jeder Erdgeborne.
Anastasias Grün
Die Künste ahmen nicht gerade
%\v -. "iSs,-^r~Ni- nach, was man mit Augen sieht,
--^C - : V • '1/ '•' ' ' y 1^25 V sondern gehen auf jenes Vernünftige
i l "i '^ffrW^Ci.j > - ZlF^ J zurück, aus welchem die Natur be-
l^SfoZ XJ^r ^XoVrC // 1%;rs~~^ steht und wornach sie handelt.
^"QU T>,i*f sy/T, -"Tf&fi^
Goethe
Kunst ist die rechte Hand der
Natur. Diese hat nur Geschöpfe,
ludwig richter rosengarten (1858) . jene hat Menschen gemacht.
Zu „Klaus Groth". Farbig getönte Bleizeichnung. Eigent.: Herr Ed. Cichorius in Leipzig Schiller
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