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Die Kunst für alle: Malerei, Plastik, Graphik, Architektur — 19.1903-1904

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Eckener, Hugo: Das "Wie" und das "Was" in der Kunst, [2]
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https://doi.org/10.11588/diglit.12082#0070

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DAS „WIE" UND DAS „WAS" IN DER KUNST

Von Dr. Hugo Eckener (Friedrichshafen)
(Schluß von Seite 48)

Solange ein Volk unter dem Banne einer be- Ideale nicht mehr so recht glaubt, das
stimmten und einheitlichen Lebensanschau- höchste Monumentale in der Kunst erreicht,
ung steht und die bestehenden Lebens- und d. h. die Verkörperung großer und klarer
Gesellschaftsformen entschieden oder still- Ideen in höchster Vollendung und Simplizität,
schweigend billigt und bejaht, solange ist Allmählich aber, im weiteren Fortschreiten,
das stoffliche Gebiet des künstlerischen wird die Spannung zwischen der alten
Schaffens ein selbstverständlich gegebenes. idealen Lebensauffassung und den modernen
Es sind die Erscheinungen und Betätigungs- Empfindungen zu groß. Die Schulen und
formen des wirklichen Lebens und die Ideale, Akademien, die ja die überlieferten äußeren
zu denen das Herz dieselben nach mensch- Kunstformen stets mit unglaublicher Zähig-
licher Weise fortspinnt. Das Volk lebt in keit weiterschleppen, können diese alten
den Kunstwerken sein mit heißer Inbrunst Formen nicht mehr mit dem alten Geiste
bejahtes eigenes Leben in verklärter Weise erfüllen. Die Kunst wird zu einer leeren,
noch einmal und berauscht sich an den Er- blutlosen Nachahmung und Nachempfindung
füllungen der innersten Sehnsucht und Hoff- vergangenen Lebens, wenn sie nicht neue,
nung seines Herzens. Es wäre abge- lebendige Anschauungen und originale Be-
schmackt zu denken, daß etwa ein gebildeter trachtungsformen der Welt finden kann. Das
Athener da zu Praxiteles
sagen sollte: „Deine Hera
bewundere ich ob ihrer
unendlichen Hoheit und
Würde, mehr aber noch
bewundere ich den künst-
lerischen Geist', der diesem
Bildnis innewohnt". Oder
daß ein Kind des Quattro-
cento dem Bellini schmei-
chelte: „Deine Madonna mit
den musizierenden Engeln
halte ich für die edelste
und innigste Schöpfung
unter allen Madonnenbil-
dern, doch die künstleri-
sche Vollendung' ist das
Größte daran". Die Ent-
wicklung des Volks schreitet
weiter. Die bisher geltende
Weltanschauung und die
alten Lebensformen be-
ginnen zu zerfallen. Gleich-
wohl kann die Kunst jetzt
noch eine Weile an einer
höheren künstlerischen Dar-
stellung der alten Ideale
erfolgreich arbeiten, weil
man den Ideen objektiver
gegenübersteht und weil
das technische Können dem
Willen naturgemäß etwas
nachhinkt, und so wird
meist erst dann, wenn man
an die Heiligkeit der alten ernst stöhr der abendstern

Die Kunst für Alle XIX. 3. 1. November 19C3.

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