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Die Kunst für alle: Malerei, Plastik, Graphik, Architektur — 19.1903-1904

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Jessen, Jarno: Moderne Präraffaeliten
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https://doi.org/10.11588/diglit.12082#0105

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■^r^> MODERNE PRÄ RAFF AELITEN -QsW-

leise über blaues Wasser gleiten, Engel, liegen ganz in der Vergangenheit, bei Vor-
Märtyrer, die reinen Toren des mittelalter- bildern wie Gozzoli und Pesellino, und Mo-
lichen Epos leben in ihrer Phantasie. Wir tive für seine Stoffe und Draperien hat ihm
atmen Klosterluft und den Weihrauch des Perugino geliefert. Besonders verdienstvoll
Marienkultes. Auch diesen modernen Prä- um diese Bewegung ist auch John Batten,
raffaeliten fehlt die originelle Kraft ihrer der sie als Maler und Schriftsteller eifrig
Vorbilder. Es sind nur milde Epigonen, aber fördert. Die technische Disziplinierung, deren
sie erscheinen sympathisch durch die Lauter- er als Illustrator englischer, keltischer und
keit ihres Gemütes und den Ernst ihrer Mal- indischer Sagen und Märchen bedurfte, hat
meihode. Mit erstaunlicher Leuchtkraft wirken er auf die verwandten Stoffkreise seiner Bil-
die Lokaltöne ihrer Temperafarben. Sie er- der übertragen.

halten tatsächlich unter ihrer Handhabung Wir möchten auch nicht unterlassen, einen
einen so überzeugenden Reichtum des Farben- genialen Dekorativkünstler wie Anning Bell
lebens, daß die weiten Kreise, die diese Be- hier mit zu nennen, obgleich er weniger aus
wegung bereits zog, durchaus verständlich streng präraffaelitischer Gesinnung schöpfte,
sind. An der Spitze dieser Künstler stehen als vielmehr die großen Venetianer zu er-
die Dekorativmeister Birminghams Southall, reichen strebte. Im Sinne eines Meisters,
Gaskin, Gere, wie auch Sleigh und Miß der in all seinen Gemälden und kunstge-
Bunce, die den Weg zur Malerei über die werblichen Entwürfen nach würdigem Kunst-
Brücke der Buchillustration fanden. Southall, inhalt und klassischer Formensprache zielte,
dem auffallendsten Talente unter ihnen, ge- zählt er zu dem Sammelbegriff, der unserer
lingen auch vielfigurige Bilder, die legendari- Ueberschau den Namen gab.
sehe Stoffe dramatisch gestalten. Er ist der Präraffaelitische Ausstrahlungen haben
Meister der Zeichnung und tiefer Tonhar- auch noch so manchen anderen englischen
monien, aus denen reines Rot, Blau, Grün Maler mitgetroffen, der zum Ruhm seiner
und Gold wie Edelsteine strahlen. Die ty- vaterländischen Kunst tätig ist und sonst
pische Ausdruckslosigkeit der meisten Ar- gänzlich andere Bahnen wandelt. Ebenso-
chaisten weicht bei ihm einer nicht unbe- wenig wie der Begriff der Präraffaeliten auf
trächtlichen Begabung für physiognomischen eine Formel beschränkt werden kann, lassen
Ausdruck. Die Quellen seiner Inspiration sich die modernen Präraffaeliten mit einem

einzigen Attribut charakterisieren. Die Ten-
denz ihres Schaffens ist symbolisch, alle-
gorisch und religiös und ihre Vortragsmanier
naturalistisch wie die der älteren Meister.
In dem Maße, wie sie es verstehen werden,
die Gefühlswerte Rossettis und Burne-Jones
mit dem farbensynthetischen Schauen der
Reynolds und Gainsborough zu vereinen,
wird ihre ernstmeinende Kunst von führen-
der Bedeutung bleiben.

GEDANKEN UBER KUNST

Die Kunst gehört keinem Lande an, sie stammt
vom Himmel.

Michelangelo

Halte dich ans Schöne! Vom Schönen lebt das
Gute im Menschen und auch seine Gesundheit.

Feuchtersieben

Am hellsten leuchtet der Menschengeist, wo Glanz
der Kunst mit Glanz der Wissenschaft sich eint.

HENRY RYLAND DER JUNGE ORPHEUS Du Bois-Reymond

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