Universitätsbibliothek HeidelbergUniversitätsbibliothek Heidelberg
Metadaten

Die Kunst für alle: Malerei, Plastik, Graphik, Architektur — 19.1903-1904

DOI Artikel:
Rosenhagen, Hans: Aus den Berliner Kunstsalons
DOI Seite / Zitierlink: 
https://doi.org/10.11588/diglit.12082#0261

DWork-Logo
Überblick
loading ...
Faksimile
0.5
1 cm
facsimile
Vollansicht
OCR-Volltext
-sr4stf> AUS DEN BERLINER KUNSTSALONS <ö

jules dupre gestrandet

dell, sondern wirkliche reife Kunst. Ein wunder-
volles Stück Malerei ist ferner ein neues Porträt
d'Andrades. Slevogt hat ihn noch einmal in der
Rolle des Don Juan gemalt, in einem schwarzen
Sammtkostüm mit schwefelgelbem Wamms und
gelben Schuhen, in der Scene, wo er seine Hand
voll Grausen, aber mutig in die marmorne des
Komturs legt. Das Wagnis, einen Menschen im
Affekt zu porträtieren, ist dem Künstler über Er-
warten geglückt. Es ist nichts Uebertriebenes in
dem Bilde, obwohl die ungeheure Erschütterung in
der Miene des berühmten Sängers nicht etwa durch
die gespenstische Erscheinung des Komturs, son-
dern nur durch die, eine höchst interessante Note
in das Bild bringende weiße Hand des Geistes
motiviert wird. Man denkt kaum an das Theater,
da d'Andrade mit einem entschlossenen großen
Schritt aus einem einfach dunklen Grund hervor-
tritt. Auch dieses erstaunliche Bildnis, oder auch
nur die in schwarzen Seidentricots steckenden
schönen Beine des portugiesischen Sängers ver
möchte gegenwärtig wohl kein Künstler in Deutsch-
land Slevogt nachzumalen. Ein drittes prachtvolles
Werk des Berliner Malers ist das Porträt eines
Herrn in mittleren Jahren mit einem kleinen Schnurr-
bart und einem Pincenez, der mit dem Rücken
gegen eine freie Landschaft, von der Morgensonne
umglänzt, in einer Laube sitzt und ein Buch in der
Hand hält, von dem er eben aufblickt. Nicht nur,
daß die Freilichtschilderung wunderbar gelungen
ist, auch die Darstellung des Menschen muß aus-
gezeichnet genannt werden. Ueber das malerische
Problem ist das psychologische nicht im geringsten
vernachlässigt. Der Mann, der durch die funkeln-
den Augengläser den Beschauer ansieht, lebt, nimmt
dessen volles Interesse in Anspruch. Die übrigen

neuen Arbeiten Slevogts sind mehr skizzen- und
studienhafter Natur, einige darunter ganz wunder-
schön, So »Die Bräutec, zwei weibliche Gestalten,
eine weiß, die andere schwarz gekleidet, auf einem
goldbraunen Divan hockend, die verschiedenen Reiter-
studien, die Studien zum d'Andrade, der >Jäger;
auf dem Pürschgange, die an einer Leine hängenden
>Schneehühner«, die >Falken<, ein >Erdbeerstill-
leben«, die Studie zum Porträt von Emil Thomas,
das Bildnis eines weißgekleideten kleinen Mädchens
u. s. w. Außerdem stellt der Künstler eine Reihe
älterer, in Berlin noch nicht gezeigter Arbeiten aus,
von denen >Die Zeitungsleser« von 1890, die Dame
im graukarierten Morgenkleid >In der Sophaecke«
von 1891, das >Bad< von 1892 mit dem auf dem
Bauche liegenden weiblichen Akt, die >Ringerschule<
von 1893 und ein kleines >Selbstporträt« beweisen,
daß der Künstler schon vor zehn Jahren eine außer-
gewöhnliche Erscheinung, ein hervorragender Maler
war. Paul Baum, der eine größere Kollektion neuer
Arbeiten bringt, hat sich in aller Stille zu einem
der besten und eigenartigsten deutschen Land-
schafter entwickelt. Sein fortwährendes Scharfen vor
der Natur, sein intimes zeichnerisches Studium
gestatten ihm jetzt, sich in der zwanglosesten Weise
als Maler zu betätigen. Er hat sich ganz dem Neo-
impressionismus ergeben, behandelt aber die selt-
same Technik mit einer Meisterschaft, einer Frei-
heit und einem Geschmack, daß man sie als etwas
Selbstverständliches, als den Ausdruck seiner per-
sönlichen Ueberzeugung empfindet. Er ist förmlich
breit in malerischer Beziehung geworden und er-
reicht durch Stimmung seiner Bilder auf Grau hin
eine Noblesse des farbigen Ausdrucks, die zu seiner
graziösen und feinen Naturauffassung in glücklichstem
Verhältnis steht. Dabei wirkt er nie französisch.

244
 
Annotationen