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Die Kunst für alle: Malerei, Plastik, Graphik, Architektur — 19.1903-1904

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Zuckerkandl, Bertha: Die 20. Ausstellung der Wiener Sezession
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https://doi.org/10.11588/diglit.12082#0438
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-^Ö> DIE 20. AUSSTELLUNG DER WIENER SEZESSION <&=Z^

einen goldschimmernden Diskus in den Händen tief mit dieser Farbensymbolik verwebt ist
haltend. Auch hier nimmt eine zu gewollte der seelische Impuls, welcher den feurig
Tendenz den freien, reinen Eindruck eines vorwärtsdringenden O r p h e u s durchbebt und
originellen Empfindens vorweg. die zarte, zögernde Eurydike zurückschauern

Sehr echt und wirkungsvoll erscheint da- läßt,
gegen Hans Tichy's „Orpheus und Eurydike." Jettmar, welcher zuerst durch die dichte-
Es gehört zu jenen dekorativen Gemälden, risch tiefe und seltsame Art seiner Naturüber-
die nicht wie so oft nur Vergrößerungen Setzungen Aufmerksamkeit erregte, hat schon
eines in Staffeleiform gedachten und em- im Vorjahre mit einer figuralen Suite ganz
pfundenen Bildes sind. Es hat die große Fleck- leise akademische Tendenzen gestreift. Nun
und Linienverteilung eines Raum-und Flächen- kommt in seinem diesjährigen Werke „Die
schmuckes. Durch die Farbe allein schon, Parzen" (s. Abb. S. 417) diese Neigung
bevor noch das Sujet und die Figuren vom sehr stark zum Ausdruck. Die Körper der
Auge erfaßt werden, bietet es einen rein drei in Jugend und Schönheit prangenden
malerischen Genuß. Ein tiefes, mystisches Parzen sind untadelhaft gezeichnet, mit großen
Blau, durch welches die Figuren gleichsam Kenntnissen modelliert. Die Verschlingung
schweben, und das Todesschatten kündet, ge- und Lösung der Kompositionslinien ganz ohne
mischt von dem eindringenden, kämpfenden Anstrengung in ein klares Gebilde gefügt.
Morgenrot des winkenden Lebens. Innig und Und die Farbengebung ist sogar sehr persön-
lich; der lila-rot und ins rosa ver-
dämmernde Akzent schlägt bei
Jettmar immer durch. In Wien
hat einstens Rahl dem Akade-
mismus eine gewisse Größe und
Würde gegeben. Er hat ihn bei-
nahe zum empfundenen Stil ge-
macht. Und an diese Momente
muß man bei der feinen, kühlen
Arbeit Jettmars denken. Sollte
diese Umbildung seiner Art nicht
nur ein Durchgangsstadium be-
deuten, so müßten wir schwer
den früheren Jettmar vermissen.
Doch alles deutet bei dem ernsten,
strebsamen Sinn des Künstlers
darauf hin, daß wir noch mancher
eigenen Blüte seines Erkennens
gewärtig sein dürfen.

Ganz als ein eigener, die Gren-
zen seines Naturells fest wahren-
der Künstler hat Karl Moll die
ihm gestellte Aufgabe gelöst. Wir
haben gesehen, wie er in der Kunst
der Naturwiedergabe, durch das
innige Versenken in Heimmotive
zu bedeutenden Konzentrationen
gelangt ist. Und seine Neigung,
nur Erlebtes, Geschautes zu ge-
stalten, hat ihm auch das Thema
zu den diesmal figuralen Kom-
positionen gegeben. Er malt ein-
fache Vorgänge in seiner Wohn-
stätte. Die weißblaue Stube, mit
dem sauber gedeckten Frühstücks-
tisch, und dem lieben, herzigen
Kindlein davor, welchem sein
franz metzner erde Mahl bereitet wird (s. Abb. S. 435)

20. Aussteilung der wiener Sezession ist ein Interieurbild, dessen Reiz

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