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Die Kunst für alle: Malerei, Plastik, Graphik, Architektur — 21.1905-1906

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Fuchs, Georg: Die Plastik auf der Münchener Internationalen Kunstausstellung 1905
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https://doi.org/10.11588/diglit.12156#0049

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Berlin

DIE PLASTIK AUF DER MÜNCHENER INTERNAT. KUNSTAUSSTELLUNG 1905

Glücklich vertreten sind die Münchener
Stilisten dann noch mit mehr oder weniger
dekorativen Arbeiten, wie sie hier u. a. Stuck,
Roemer, Dasio (Abb. S. 29), Wadere, Düll
und Petzold, Henn (Abb. S. 38) in zum Teil
trefflicher Ausführung zeigen.

Ganz vornehmlich muß man sich freuen,
daß nach und nach in den deutschen Bild-
hauern das Verständnis für das heimische
Gesteinmaterial erwacht und mit dem Ver-
ständnis die Liebe zu ihm. Der Marmor
stimmt nicht in unsere Luft; am wenigsten
in der auf einem klassizistischen Mißver-
ständnisse der Antike beruhenden Farblosig-
keit. Die Alten haben ihre Skulpturen stets
koloristisch behandelt, vornehmlich durch
dekorative Zutaten in Metall, Elfenbein und
Halbedelsteinen. Nichts macht unsere Aus-
stellungen langweiliger und öder, als die
endlose Masse dieser geisterbleichen, glatten,
zuckersüßen Marmore und Gipse, an denen,
wenn überhaupt, kein Verdienst ist als besten-
falls das des hübschen weiblichen Modells.
Die Ueberproduktion solch übler Dinge ist
jedoch durch den weißen Marmor nicht un-
wesentlich gefördert worden. Die Verwen-
dung eines anderen, herberen und tonigeren
Materials, wie es die deutsche Erde dar-
bietet, zwingt an sich schon zu einer ernsteren
Kunstauffassung, zu einer strengeren Form-
behandlung und zu einem materialgerechteren
Denken. Drum lobe ich mir die einfachen
Steinfiguren, welche H. Lang für die Schwa-
binger Erlöserkirche gemeißelt und hier aus-
gestellthat. Georg Schreyögg verwandte bei
seinem Grabmal mit der würdig und schlicht
komponierten und wirklich monumental emp-
fundenen Reliefgruppe „Abschied" (Abb. S.37)
belgischen Marmor. Es hängt vielleicht auch
ein wenig an der Wahl des Materials, daß wir
bei diesem Künstler so starke Fortschritte fest-
stellen können. Auch seine Büsten (Marmor
und Bronze) geben hierzu Anlaß. Ueberhaupt
haben die Münchener sehr viel bildnerische
Kraft und technisches Geschick in ihren Bildnis-
büsten niedergelegt. Obenan stehen da Hugo
Kaufmann, Schwegerle (Abb. S. 44), Jobst,
E.Wagner, Glicenstein, Hinterseher, Irene
Sattler (Abb. S. 48), Storch (Abb. S. 30),
Jäckle, Taschner und Beyrer. Unter den
Figuren und Gruppen sind unter den Deutschen
die von H. Siegwart, „Schwinger", Wand-
schneider „Coriolan", Herter „Jugend",
Schmid- Kestner „Schreitendes Mädchen"
(Abb. S. 31), Fr. Christ „Susanna" (Abb. S. 42),
K. G. Barth „Diejugend", K. L.Sand „Musik"
(Abb. S. 43) die bemerkenswertesten. Im
übrigen gewähren die Abbildungen eine in-

struktivere Uebersicht über den Gehalt an
plastischen Schöpfungen, als das Wort anzu-
deuten vermag. Ich verweise daher um so
mehr auf diese, als ohnedem kaum Veran-
lassung gegeben ist, einzelne Künstlerindivi-
dualitäten eingehender zu analysieren.

Viel bemerkt wurden die Kollektionen nam-
hafter italienischer Bildhauer wie Canonica
(Abb. S. 26 u. 30), Ugo, Bistolfi (Abb. S. 35),
Trentacoste, del Bo, de Albertis (Abb.
S. 25), Romagnoli (Abb. S. 34) u. a. Den
Schöpfungen Cifariello's— typische Erzeug-
nisse der effektvollen italienischen Natura-
listik — wandte sich selbstverständlich die
Teilnahme des großen Publikums in ethöhtem
Maße zu, nachdem der Künstler während
der Dauer der Ausstellung der Held und Mär-
tyrer einer jener modernen Neurastheniker-
tragödien geworden war, welche das bevor-
zugte Stoffgebiet der modischen Sensations-
romane und Theaterstücke bilden. Vor allen
trat aber wieder Fürst Paul Trolbetzkoy, der

KARL EBBINGHAUS BRONZEFIGUR
IX. Internationale Kunstausstellung in München

Die Kunst für Alle XXI.

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