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Die Kunst für alle: Malerei, Plastik, Graphik, Architektur — 21.1905-1906

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Von Ausstellungen und Sammlungen - Personal- und Atelier-Nachrichten - Vermischte Nachrichten - Neue Kunstliteratur
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-^sö> VON AUSSTELLUNGEN UND SAMMLUNGEN <^=^

Mysterium der dunkelsten seelischen Emanationen
sucht er zu erlauschen, und was er an die Ober-
fläche bringt, übersetzt er notgedrungen ins Körper-
liche. Ihm ist die sichtbare Welt nur ein Alphabet,
um Uebersinnliches zu versinnlichen. Trotzdem
wirken sowohl die Temperabilder als die Holz-
schnitte und die reizenden, auf Elfenbein gemalten
Miniaturen des Künstlers durch rein malerischen
Reiz. Man fühlt, Reichel könnte seine Empfin-
dungen nicht dichterisch, nicht musikalisch aus-
drücken, durch das Bildnerische allein vermag er
seine Gefühlswelt zu projizieren. Hier ist jedenfalls
eine interessante Entwicklung zu verfolgen. b. z.

CTUTTGART. Ausstellung des Ortsvereins Stutt-
gart der allgemeinen deutschen Kunstgenossen-
schaft (Museum der bildenden Künste). »Der Streit
ist der Vater aller Dinge«. In der Tat: Die Zer-
splitterungen in der hiesigen Künstlerschaft sind
an sich durchaus nicht gleichbedeutend mit einer
Schwächung der künstlerischen Produktion gewesen.
Man bedenke, daß wir nun drei künstlerische Grup-
pen in unserer Stadt besitzen: den 2Künstlerbund«
mit sämtlichen Akademieprofessoren und einer Reihe
namhafter Maler, ferner die 'Freie Vereinigung? und
die oben genannte Kunstgenossenschaft, und man
wird gerne zugeben, daß die Ausstellung der letzten
Gruppe, die doch nur einen kleinen Bruchteil unserer
Künstlerschaft rerpäsentiert, ein schönes Zeugnis
von dem regen Kunstleben in unserer Stadt ablegt.
Vor allem aber denke man nicht an die übliche bis
an die Decke gefüllte ; Kunstgenossenschafts-Aus-
stellung«! Die, welche wir heute durchwandern, ist
klein und geschmackvoll arrangiert, sie umfaßt
60 Oelgemälde, ein Dutzend Plastiken und ca. 40
Werke derSchwarz-Weiß-Kunst. Wirsehen das Innere
einer Bauernstube aus dem Isartal von Georg
Jauss, das mit seiner sonntäglichen Stimmung, mit
seinem durch die weißen Fenstervorhänge hindurch-
brechenden und so leuchtend schön gemalten Son-
nenlicht das Beste ist, was ich bis jetzt von diesem
Künstler gesehen habe. Einige landschaftliche Zeich-
nungen von ihm sind sofort für das Kupferstich-
kabinett angekauft worden. — Der talentvolle und
schon als junger Akademieschüler in München aus-
gezeichnete Leo Bauer, ein üppiger Kolorist, der
starke Farbenwirkungen liebt, bringt ein vornehmes
Interieur mit einer vom Lampenlicht beschienenen
Dame in Weiß, sowie verschiedene andere Arbeiten
von starkem malerischen Talent, während sein Na-
mensvetter Karl Bauer durch seinen bekannten
! Ritter vor dem Kampfe«, Hans Weisshaar durch
ein meisterlich studiertes Porträt, H. Plock durch
ein zartes intimes Bildnis eines bleichen Mädchens
und Fritz Zundel durch seine bekannten, etwas
grau gehaltenen Arbeitertypen vertreten ist. Von
Karl Schmauk ist noch ein an Innigkeit des
Ausdrucks und Zartheit der Tonstimmung hervor-
ragendes 1 Liebespaar am See« zu erwähnen und
desgleichen dieNamen A. Gärtner, Th. Lauxmann,
P. Quack, Fr. Reiss, Clara Rettich, Johanna
Koch, H. Diez, Hedw. Mohn, L. v. Hocke. —
Unter den Landschaftsmalern wäre der sich selbst
so treu gebliebene Senior der Gruppe Julius Korn-
beck mit einer ungemein liebevoll durchstudierten
1 Heuernte an erster Stelle zu nennen und unter
den Jüngeren vor allem H. Drück und F. Hollen-
berg. Für die beiden letzteren bedeuten ihre Werke
in dieser Ausstellung den Höhepunkt ihres Schaffens;
so für Drück eine > Abendstimmung« mit feinen,
wahren Tönen sowie eine zart abgestufte »Mond-
nacht«, und für Hollenberg sein »Blick in das Neckar-
tal« mit der prachtvollen Energie der Linien und

der klaren, einfachen Struktur dieser schön ge-
schwungenen Gegend. Nur schade, daß der Vorder-
grund nicht glücklicher gestimmt ist. — Auch die
Schwarz-Weiß-Abteilung enthält einige gute Arbeiten
dieses Künstlers, sowie solche von Leo Bauer,
G. Jauß, Th. Lauxmann, G. Eyb und in der plasti-
schen Abteilung sind die Bildhauer M. Bezner,
F. Böres, A. v. Donndorf, E. Kiemlen, G. Rhein-
eck mit Büsten und Werken der Kleinplastik gleich-
falls gut vertreten. — Das beste aber an dieser
Ausstellung ist — wenige Ausnahmen abgerechnet —
die Abwesenheit jeglicher -Ausstellungsreminis-
zenzen-Malerei- und damit verbunden eine erfreu-
liche Betonung und Variation künstlerischer Indi-
vidualitäten, h. t.

1V/IÜNCHEN. Bayern feiert 1906 die Zentenar-
*** feier seines Bestehens als Königreich; aus
diesem Anlaß wird durch die Münchener Künstler-
genossenschaft im Glaspalast eine Ausstellung von
Kunstwerken aus den Jahren 1800—1850 von solchen
Künstlern, die einst in Bayern geschaffen haben,
veranstaltet. Hoffentlich wird der Privatbesitz dem
Unternehmen durch Darleihung solcher Werke für
die Dauer der Ausstellung, Juni bis Oktober, seine
Unterstützung in weitgehender Weise zu teil werden
lassen. Die anfängliche Befürchtung, daß durch
den früheren Termin der Berliner Jahrhundertaus-
stellung das Münchener Unternehmen in seiner
Bedeutung herabgesetzt werden könnte, erweist sich
bei näherer Prüfung als unbegründet, denn das
Berliner Programm umfaßt erstens ein zeitlich viel
größeres Gebiet (1785—1875) und gibt einen Ueber-
blick über die künstlerische Tätigkeit ganz Deutsch-
lands, während das Münchener Projekt nur die
bayerische Kunst 1800—1850 zur eingehenden Dar-
stellung bringen soll.

FRANKFURT a. M. Die Dezemberausstellung im
* Kunstverein beherrschten Jan Toorop und Lud-
wig von Hofmann. Von der seltsam vielgestal-
tigen Kunst des interessanten Halbmalayen gab die
ungemein reichhaltige Kollektion ein treffliches Bild.
Man bestaunte die fremdartig phantastische, nach
Japan weisende Kunst seiner Stilisierung in den
malayischen Legendendarstellungen und sah in den
zahlreichen mit allen möglichen Mitteln unternom-
menen Versuchen, die feinsten Lichtprobleme zu
bewältigen, Aeußerungen eines tiefen Strebens nach
umfassender Beherrschung aller nur erdenklichen
technischen Fertigkeiten. In den zahlreichen neo-
impressionistischen Studien, die auch in der tollsten
pointillistisch erzielten Farbenwirrnis eine wunder-
voll weiche Gesamtstimmung festzuhalten wissen,
stand ein in ganz ruhigen, einheitlich zusammenge-
haltenen Tönen gemaltes Damenporträt in wirkungs-
vollem Gegensatz. Ludwig von Hofmanns lichte
Kunst ist mir in seinen neuen Bildern aus dem er-
träumten arkadisch-freien Wunderland bezwingender
und tiefer erschienen als jemals früher. In kleineren
Kollektionen zeigten H. Liesegang und A. Egers-
dörfer feine Landschaftsstudien. E. Luthmers Re-
genstimmungen aus Berliner Straßen fesselten durch
die interessante technischeBehandlung.die auf jegliche
Detailwirkung zugunsten eines ganz dünn gegebenen
grauen Gesamttones verzichtete. Ruth Mercier bot
Stillleben und Landschaftsstudien aus dem Süden in
äußerst feinen Aquarellen von miniaturhafter Schärfe.
Josef Dambergers bekannte Bauernbilder erfreuten
durch die tüchtige Charakteristik, die so viel von
Leibi angenommen hat, C. Sutter und W. Thiel-
mann lieferten gelungene Studienergebnisse in ein
paar kleinen Odenwaldlandschaften und gewandt

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