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Die Kunst für alle: Malerei, Plastik, Graphik, Architektur — 21.1905-1906

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Ostini, Fritz von: Münchener künstlerische Festkarten
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https://doi.org/10.11588/diglit.12156#0220

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-s-4sö> MÜNCHENER KÜNSTLERISCHE FESTKARTEN *C^=^

theose überquellender, übermütiger Faschings- Garausgemacht. Eine andere Veranstaltung
lust, wie sie anmutiger und temperamentvoller der Kunstakademiker liefert seit Jahren
zugleich kaum je im Bilde gegeben worden reichliche und wertvolle Beiträge zu dem
sein mag, ein Werk typisch für den Geist Kapitel „Künstlerische Festkarten", die so-
echt künstlerischer Lebenslust. Auch vom genannte Schwabinger Bauern - Kirchweih,
großen Münchener Schützenfest her sind Auch sie hat ihren künstlerischen Stil, als
uns verwandte Schöpfungen des Künstlers deren markigster Repräsentant wohl Ignatius
bekannt und seine „Schützenliesel" ist schließ- Taschner gelten darf —es ist der ins Bild-
lich auch eine Festkarte in Kolossalformat, nerische übersetzte Stil Ludwig Thomas,
Für das große Lenbachfest im Hoftheater hat potenzierte süddeutsche Kraft. Die Tanz-,
der gleiche Maler wieder zum Stift gegriffen; Eintritts- und „ Ansichts"-Karten, die gelegent-
aber, entsprechend dem Geist des Festes, das lieh dieser, aus allen Gauen Deutschlands
nicht tolle Faschingslaune,
sondern gravitätische Pracht
zur Erscheinung bringen und
die Antike farbig und neu
erstehen lassen sollte, hat
F. A. v. Kaulbach denn auch
hier seine Ausdrucksweise
gewählt: den modifizierten
Stil griechischer Vasenbilder
(s. Heft 13 des XIII. Jahrg.).
So spiegelt sich auch in den
Blättern dieser bunten Chro-
nik weiser Narrheit immer
der Geist der Zeit!

Von den Festkarten der
märchenhaft schönen großen
Akademiker-Kneipen im
Saale des Münchener Kindl-
Kellers ist nur die eine
hier wiedergegeben, die zur
Kneipe „Auf dem Meeres-
gründe" von Paul Hey. Sie
gibt ein Stück jenes Zauber-
festes in voller Wirklichkeit
wieder. Genau solch ein
zertrümmertes Wrack, be-
sucht von Wassergeistern
aller Art, Ungeheuern und
den vergnügten Gespenstern
der Opfer des Meeres, lag

c , i ■ u. JULIUS PAUL JUNGHANNS BAUER NKIRTA 1901

im Saale vom blauen Licht
umflutet, das uns den Ein-
druck der kristallenen Salzflut mit ver- besuchten originellen Kostümfeste ausgegeben
blüffender Suggestivkraft vortäuschte. Ein wurden, füllen schon eine stattliche Mappe,
andermal war „Märchen und Sage" das Pro- sind meist in frischen starken Farben und
gramm dieses Festes und in einem dritten derbkräftigen Formen gehalten, wie eine Reihe
Jahre die „Unterwelt", in der vielleicht von hier nachgebildeter Proben dartut; und sind
künstlerischer Gestaltungskraft das genialste so das rechte künstlerische Abbild des Festes
geboten wurde, Bilder von düsterster und selbst. Dies zeigt einen Humor, eine Echt-
grellster Phantastik, die unverlöschbar im heit, Urwüchsigkeit und Farbenpracht ohne-
Gedächtnis bleiben. Der böseste aller Dä- gleichen und ist denn auch so beliebt, daß
monen der Unterwelt war damals der Dämon trotz zweinächtiger Dauer die Nachfrage nach
„Defizit" und er verschwand nicht wie seine Karten das Angebot noch weit übersteigt,
anderen Kollegen mit dem Tagesgrauen, Der Anblick, der nur allzu dicht gedrängten
sondern er blieb lebendig und hat den Menge in den charakteristischen Volkstrachten,
großen Akademikerkneipen denn auch den deren farbige Zusammenstellung geradezu

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