^=4^> DIE DEUTSCHE JAHRHUNDERT-AUSSTELLUNG <£g^
uns wirklich kennen gelehrt. Es ist eine Ueber- sogenannten „Bilde" — jeder letzte Rest von
raschung. Er war, wie man zu sagen pflegt, Konvention wegfiel und der Künstler sich
Architekturmaler, Schüler von Gropius. Das berechtigt oder sogar verpflichtet fühlte, ganz
Berliner königliche Schloß ist der Mittel- die Natur nachzutäuschen, wie er sie vor
punkt seiner Tätigkeit. Er malte die Außen- sich hatte.
Seiten, die Schloßhöfe, die Portaldurchblicke, W.Brücke d.J.(aus Stralsund), J. H. Hintze
die Wendeltreppen. Ueber die atmosphäri- (aus Berlin) und Roch (woher?) bleiben in
sehen Probleme war er sich bereits ganz ihren Berliner Ansichten weit, meilenweit
klar. Und mit staunenswerter Meisterschaft hinter Gärtner zurück. Der universelle K. F.
führt er, wohl im Anschluß an Beiotto, das Schinkel (aus Neuruppin) verrät in seinem
Sonnenlicht über die Fassaden, um die Säu- Rügenschen und seinem Haff-Panorama wenig-
len herum, durch die hohen Torwölbungen, stens den verwandten Zug.
Meisterhaft ist ferner der farbige, ganz durch- Die ausgestellten Bildnisse von K. W. Wach
sichtige, bläuliche Schatten, den er über die (aus Berlin) und E. Magnus (aus Berlin)
von der Sonne abgekehrten Gemäuer breitet, stammen aus der späteren Zeit dieser Künstler.
Es ist alles in Luft gehüllt: nur die Staffage Wachs Prinzessinnenporträt ist bei aller an-
nicht, die daher etwas aus dem Ensemble her- gestrebten Grazie noch zeremoniell befangen
ausfällt. Der Blick die „Linden" entlang, vom und künstlerisch recht unbelebt. In Magnus'
Denkmal Scharnhorsts aus, beim letzten Auf- Jenny Lind-Bild aber webt etwas von dem
glühen der Abendröte, enthält bereis alles, was Mondlichtzauber und Nachtigallflöten, das nun
ein Pleinairist sehen und malen kann, den noch einmal für uns alle, die wir sie ja freilich
keine Ahnung von Impressionismus überkam, nicht mehr sehen und hören konnten, diese
Die größte Ueberraschung aber dürfte doch das Gestalt umgibt. Derlei besonders gilt als
aus Petersburg hierhergesandte „Panorama von spezifisch deutsches Kunstempfinden. Und
Berlin" sein, aufgenommen vom Dache der es ist auch wirklich annehmbar gemalt.
Werderschen Kirche. Man traut seinen Augen E.Meyerheims(ausDanzig) „Kegelgesellschaft"
nicht, daß so etwas 1835 gemalt sein soll. von 1834 — Kegelschieben ist das nationale
Ich kann mir nur denken, daß bei einem Gegengewicht zur Schwärmerei — gibt offen-
„ Panorama" eben im Gegensatze zum bar lauter Bildnisse wieder, die wir aber nicht
ADOLF VON MENZEL (1815-1905) FAMILIENGRUPPE IM ZIMMER BEI LAMPENLICHT
Deutsche Jahrhundert-Ausstellung Berlin 1906
314
uns wirklich kennen gelehrt. Es ist eine Ueber- sogenannten „Bilde" — jeder letzte Rest von
raschung. Er war, wie man zu sagen pflegt, Konvention wegfiel und der Künstler sich
Architekturmaler, Schüler von Gropius. Das berechtigt oder sogar verpflichtet fühlte, ganz
Berliner königliche Schloß ist der Mittel- die Natur nachzutäuschen, wie er sie vor
punkt seiner Tätigkeit. Er malte die Außen- sich hatte.
Seiten, die Schloßhöfe, die Portaldurchblicke, W.Brücke d.J.(aus Stralsund), J. H. Hintze
die Wendeltreppen. Ueber die atmosphäri- (aus Berlin) und Roch (woher?) bleiben in
sehen Probleme war er sich bereits ganz ihren Berliner Ansichten weit, meilenweit
klar. Und mit staunenswerter Meisterschaft hinter Gärtner zurück. Der universelle K. F.
führt er, wohl im Anschluß an Beiotto, das Schinkel (aus Neuruppin) verrät in seinem
Sonnenlicht über die Fassaden, um die Säu- Rügenschen und seinem Haff-Panorama wenig-
len herum, durch die hohen Torwölbungen, stens den verwandten Zug.
Meisterhaft ist ferner der farbige, ganz durch- Die ausgestellten Bildnisse von K. W. Wach
sichtige, bläuliche Schatten, den er über die (aus Berlin) und E. Magnus (aus Berlin)
von der Sonne abgekehrten Gemäuer breitet, stammen aus der späteren Zeit dieser Künstler.
Es ist alles in Luft gehüllt: nur die Staffage Wachs Prinzessinnenporträt ist bei aller an-
nicht, die daher etwas aus dem Ensemble her- gestrebten Grazie noch zeremoniell befangen
ausfällt. Der Blick die „Linden" entlang, vom und künstlerisch recht unbelebt. In Magnus'
Denkmal Scharnhorsts aus, beim letzten Auf- Jenny Lind-Bild aber webt etwas von dem
glühen der Abendröte, enthält bereis alles, was Mondlichtzauber und Nachtigallflöten, das nun
ein Pleinairist sehen und malen kann, den noch einmal für uns alle, die wir sie ja freilich
keine Ahnung von Impressionismus überkam, nicht mehr sehen und hören konnten, diese
Die größte Ueberraschung aber dürfte doch das Gestalt umgibt. Derlei besonders gilt als
aus Petersburg hierhergesandte „Panorama von spezifisch deutsches Kunstempfinden. Und
Berlin" sein, aufgenommen vom Dache der es ist auch wirklich annehmbar gemalt.
Werderschen Kirche. Man traut seinen Augen E.Meyerheims(ausDanzig) „Kegelgesellschaft"
nicht, daß so etwas 1835 gemalt sein soll. von 1834 — Kegelschieben ist das nationale
Ich kann mir nur denken, daß bei einem Gegengewicht zur Schwärmerei — gibt offen-
„ Panorama" eben im Gegensatze zum bar lauter Bildnisse wieder, die wir aber nicht
ADOLF VON MENZEL (1815-1905) FAMILIENGRUPPE IM ZIMMER BEI LAMPENLICHT
Deutsche Jahrhundert-Ausstellung Berlin 1906
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