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Die Kunst für alle: Malerei, Plastik, Graphik, Architektur — 22.1906-1907

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Gensel, Walther: Die XIII. Ausstellung der Berliner Secession
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https://doi.org/10.11588/diglit.12155#0483

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-*=feö> DIE XIII. AUSSTELLUNG DER BERLINER SECESSION <^>~

MAX SLEVOGT SELBSTBILDNIS

XIII. Ausstellung der Berliner Secession

ich den eingesandten Werken derersten Gruppe
im allgemeinen freudig zustimme, denen der
zweiten schon kritischer gegenüberstehe, die
der dritten aber, wenn ich meine Ueberzeu-
gung offen aussprechen soll, zum großen Teil
mit Entschiedenheit ablehnen muß, so bin ich
mir wohl bewußt dadurch bei vielen in den
Ruf eines Erzreaktionärs zu geraten, der mit
seiner Zeit nicht mitzugehen vermag. Aber
die Erklärung für dieses Urteil ist nicht gar
so schwer zu finden. Liebermann, Trübner,
Kalckreuth waren eigenartige und selbständige,
aber doch aus der Tradition und aus strenger
Schulung heraus entwickelte Persönlichkeiten,
als sie, um an der drohenden allgemeinen
Versumpfung nicht mitschuldig zu werden,
aus den allgemeinen Verbänden austraten und
Secessionisten wurden. Die zweite Gruppe
besteht aus Männern, die, in der Bewunderung
jener und der von ihnen verehrten Meister
aufgewachsen und in ihre Fußstapfen tretend,
zuweilen ihnen Ebenbürtiges geschaffen haben,
oft aber auch in bloßer Nachahmung stecken
geblieben sind. Der Nachwuchs dagegen kennt

überhaupt keine Tradition mehr oder gefällt
sich in Nachahmung der bizarrsten Geister.
Gerät aber der Nacheiferer der großen alten
Meister oft in hohle Schönrednerei, so der
eines van Gogh, Gauguin oder gar Münch
meist in kindische Karikatur. Und dazu kommt
in einigen Fällen eine mit aller Schärfe zu-
rückzuweisende Verhöhnung der einfachsten
Gesetze des Anstandes. Große Kunst vermag
sich auch mit einem heiklen Gegenstand abzu-
finden; wo die Kunst aber fehlt, bleibt nur das
Gemeine zurück. Bilder, wie die jedes religiöse
Empfinden brutal herausfordernde Kreuzigung
oder die Manets Olympia travestierende „Courti-
sane" — ich nenne absichtlich keine Namen
— müssen den öffentlichen Ausstellungen fern
gehalten werden. Das zu verlangen ist nicht
nur ein Recht, sondern eine Pflicht aller derer,
denen die Kultur unseres Volkes am Herzen
liegt. Nicht nur keine Londoner sondern auch
keine Pariser Ausstellungsleitung — das sei
den ewig Toleranten gesagt — würde solche
Werke dulden. Wer aber vermeint, daß nur
durch solche scharfen Gegensätze Leben und

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