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Die Kunst für alle: Malerei, Plastik, Graphik, Architektur — 22.1906-1907

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Kromer, H. E.: Werkzeug und Epoche, [1]
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https://doi.org/10.11588/diglit.12155#0494

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WERKZEUG UND EPOCHE

Von H. E. Kromer

ie im vorigen Jahre in Berlin veran- zeichnet vor den übrigen durch den Beginn
staltete Jahrhundert-Ausstellung umfaßte impressionistischer Kunstanschauung." Und
die Jahre 1775—1875. Warum gerade diese durch den ganzen Aufsatz des Leiters unserer
Zahl? Wer war 1875 gestorben oder neu Nationalgalerie klingt es hindurch: alle ver-
aufgetreten? Kaulbach, der letzte einer für gangene Zeit ist nur Vorbereitung gewesen,
groß gehaltenen Zeit, starb 1874, Piloty mit nur eine Zeit der Erwartung, das Auftreten
seiner Schule wirkte schon lange, wirkt noch des Impressionismus ist die Zeit der Erfül-
heute. Böcklin wurde damals schon von lung! Die nächste retrospektive Ausstellung
einem großen Kreise gefeiert, also? Herr der Nationalgalerie wird dann wohl unter
von Tschudi sagt in der Neuen Rundschau, dem Signum geboren werden: „und als die
Heft 5, Mai 1906: „Das Jahr 1875 ist ausge- Zeit erfüllet war." Aus der ganzen Arbeit

kann man herauslesen, daß der
Verfasser der Ansicht ist, eine
besondere Erkenntnis, ein beson-
deres Heranreifen, ein besonderer
Mut habe dazu gehört, die so
wiederzugeben, wie sie dem Un-
befangenen, nicht wie sie dem für
das Formale geschulten Auge er-
scheinen. So z. B. Seite 593:
„Die Malerei ist dünn und zaghaft,
es fehlt ihr etwas die Lebensfülle
des unmittelbar Geschauten.u von
einem Bilde Spitzwegs heißt es:
„Das mit seinen feinen durch alle
Nuancen geführten grauen Tönen,
auf denen die wenigen starken Far-
ben so lebendig stehen, beweist,
daß er hier einmal nach der Natur
gemalt hat," usw. Wir müssen
unter der Bezeichnung „nach der
Natur" hier und in dem ganzen
Aufsatz verstehen, „nach der Natur
außerhalb des Ateliers", denn der
Hauptvorwurf, welcher den Leuten
vor 1875 gemacht wird, ist der,
daß sie Szenen, die sich im Freien
abspielen, mit Figuren belebten,
die im Atelierlicht mit konzen-
trierter Licht-, Schatten- und Re-
flexführung gemalt waren. Das
ist ja auch ganz richtig, unserem
Auge ist die Inkongruenz der Be-
leuchtungen in derartigen Bildern
heute unerträglich. Ich leugne nur,
daß ein besonderer Mut dazu ge-
hörte, Landschaften oder Figuren
im Freien zu malen! Die Möglich-
keit gehörte zunächst dazu! Es war
gar nicht in das Belieben der
Künstler gestellt oder Sache ihres
Mutes, mit dem Malkasten hinaus-
graf Leopold von kalckreuth selbstbildn,s zugehen und flott vor der Natur
xin. Aussteilung der Berliner Secession zu malen. Es war bis zu einer

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