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Die Kunst für alle: Malerei, Plastik, Graphik, Architektur — 24.1908-1909

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Abels, Ludwig W.: Ivan Mestrovic
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https://doi.org/10.11588/diglit.12503#0321

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-*-4^> IVAN MESTROVIC <^~~

erzieht. Immer sparsamer wird der Künstler;
schlichte knappe Formen, ein enges Anein-
andergliedern der Körperteile, einen strengen
Rhythmus der Bewegungen, eine flächige, mög-
lichst wenig durchlöcherte Gesamtansicht, —
das sind die Ziele der besten modernen Plastiker.
Aber manche bleiben im historischen Stil
stecken, kopieren die gotische, die ägyptische
Formenwelt. Mestrovic hat seinen eigenen
Stil. Alle die genannten Elemente sind da-
von aufgesogen worden; die Heimateindrücke
leuchten am stärksten hervor; aber das Ganze
ist in seiner Art einzig, ist echter Mestrovic.
Das kann man von wenigen Künstlern der
Gegenwart sagen.

Am gewaltigsten offenbarte sich die große
Kraft des Künstlers indem „Quell des Lebens"
(Abb. s. S. 294 u. Jahrg. 1907/8 S. 391). Die
Abbildungen hier können keinen Begriff ge-
ben von der überwältigenden Wirkung dieses
in der Vorhalle des Palais Wittgenstein auf-

gestellten Wandbrunnens. In zehn Monate
langem Kampfe hat der Künstler dieses groß-
zügige, schlichte und doch an Leben und Poesie
reiche Werk, dem härtesten Material abge-
rungen. Man beachte die mächtige Archi-
tektur dieses Wandbrunnens, eine natürliche
Architektur ohne aufgeklebte Konsolen oder
Kapitäle. Wie sich die Phantasie kindlicher
Epochen den Menschen aus Staub erschaffen
vorstellt, so scheinen diese vier Gestalten aus
dem Felsen gezeugt. Die einfache Urauf-
fassung der Quelle als der Lebensspenderin ist
in menschlichen Formen verkörpert. Von links
naht ein junges Paar, dürstend und heiß ver-
langend dem rätselhaften Born; und zurRechten
steht ein altes Menschenpaar, das all die Macht
und den Segen der Lebensquelle gefühlt und
ausgekostet hat, mit ehrfurchtsvoller, resig-
nierter Gebärde. In festgeschlossener Masse
und dabei doch lebensvollster Durchgliederung
sind diese Körpergruppen dem Aufbau des
Wandbrunnens angeschlossen, der nach oben
durch einen vorspringenden Halbbogen abge-
grenzt ist; in der Seitenansicht ist nur je eine
Figur zu sehen, die zweite verschwindet in
der Felswand. Aus der Fläche unter dem
Bogen quillt in zartem Relief die Form eines
mütterlichen Busens, und eine schlanke Geister-
hand drückt, zwei Finger vorspreizend, — wie
es die Mütter tun, die ihrem Kindlein die Brust
reichen, an dieser segenbergenden Schwellung.
Unterhalb dieses mütterlichenQuellsziehtsich,
friesartig angeordnet, ein Reigen von Kinder-
gestalten in Relief die Wand entlang, von dem
jungen Paar zum alten hinüber: die Früchte
des Lebensprozesses und die Keime zukünftiger
Lebensquellen. — Dann noch am Boden vorn
im Viereck ein kleines Wasserbassin, aus dem
ein feiner Springbrunnen emporzischt. Das
ganze 3 m hohe und etwa 2 m breite wuchtige
Werk, aus einem Riesenblock schwarzen belgi-
schen Marmors herausgehauen, wirkt in der
sprechenden Knappheit der — durchwegs der
Menschenwelt entnommenen und in einfachster
Formel gebundenen — Züge wie eine mystische
Offenbarung der Ewigkeit.

Ich habe dieses Opus eingehender geschildert,
weil es an einem Wendepunkt in der Ent-
wicklung des Künstlers steht. Was Mestrovic
seither geschaffen : Zwei meisterliche Figuren
von Adam und Eva, einige Säulen, Postamente,
Vasen mit figuralen Darstellungen — ist der-
selben künstlerischen Auffassung entsprungen.
Auch als Zeichnerund RadiererhatderKünstler
in der letzten Zeit Interessantes geleistet. Sein
Geist beschäftigt sich gern mit den Sagen seines
Volkes. Auch einige der hier abgebildeten
, (so das Relief Abb. S. 290) behandeln

ivan mestrovic akt Plastiken

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