-^&> AUS DEN BERLINER KUNSTSALONS
ihrer prächtigen Tiefe, das sind Dinge, die eine
starke künstlerische Selbständigkeit und einen fein
erzogenen Farbensinn verraten. Rhein ist einer von
den wenigen, die Liebermann studiert haben, ohne
von ihm ins Schlepptau genommen zu werden. Von
Liebermann selbst sind eine ganze Reihe neuester
Bilder und Zeichnungen ausgestellt. Es ist erstaun-
lich, wie der Künstler von Jahr zu Jahr fortschreitet,
sich über sich selbst hinaus entwickelt. Ganz neue
Farbenklänge tauchen auf, ebenso ein neues Emp-
finden für Helligkeitswerte. Man vergleiche nur
einmal die >Linnenkamer im Amsterdamer Altfrauen-
hause« mit früheren Bildern ähnlichen Sujets! Oft
allerdings, besonders bei den Strandbildern aus
Noordwijk, erscheint die Farbenwahl etwas frag-
würdig. In den Einzelheiten wird Liebermann
immer rudimentärer; es gehört wahrlich der Mut
eines souveränen Beherrschers aller künstlerischen
Mittel dazu, derartige Stenogramme niederzuschrei-
ben. — Ganz köstlich, von feinstem Humor und
entzückendster Naivität sind die Bildchen von
Reinhold Nägele. Ein wenig Walser, ein wenig
Erler, wohl auch Somoff, aber doch wieder noch
eine ganz eigene Note. Rein zeichnerisch konzi-
piert, aber mit feinem Farbengeschmack ausge-
stattet und vorzüglich komponiert. Man fühlt sich
versucht, jedes dieser Figürchen mit der Lupe zu
lesen; wir hoffen, öfter in diese Versuchung zu
kommen.
Im Künstlerhaus finden wir neben einer guten Kol
lektion Landschaften von Oswald Gette eine bemer-
kenswerte Reihe von Werken des Klubs Berliner Land-
schafler ausgestellt. Sehr verschiedene Naturen haben
sich hier zusammengetan, gemeinsam aber ist allen
ein kräftiges, herzhaftes Anfassen der Natur ohne
kränkliches Stilisieren. Schwere, wuchtige Bilder aus
Sylt von Ernst Kolbe hängen neben weicheren
Schilderungen von Alfred Liedtke; KarlWendel,
Hans Hartig sowie Leonh. Sandrock schließen
sich würdig an. Hans Klohss bringt eine Anzahl
entzückend frischer Aquarelle. Ein ganzer Saal ist
dem höchst interessanten, bewußt retrospektiv ge-
richteten Porträtisten Theodule Ribot eingeräumt.
Daneben allerhand Kleinigkeiten aus dem Nachlaß
von Georg Barlösius, sowie eine Reihe zart
gemalter, liebenswürdiger Landschaften des ver-
stoibenen Gustav Pflugradt vor. Ferner eine
Reverenz gegen Skahbina, von dem u. a. meh-
rere frisch aufgefaßte Szenen aus dem Berliner
Straßenleben dahängen. Allen übrigen Raum absor-
bieren die Werke von Ludwig Dill und Adolf
Holzel. Der eigenartige, melancholische Land-
schaftscharakter des Dachauer Mooses ist wohl nie
so prägnant wiedergegeben wie in den weich zer-
flossenen Bildern Dills mit ihrer köstlichen Nuan-
cierung brauner Töne und dem wuchtigen Zusam-
mennehmen der Massen. Immer wieder dieselben
Themen und immer wieder interessant behandelt.
Holzel hat wohl eine gewisse Wesensverwandtschaft
mit Dill; sein Wollen aber erstreckt sich auf weitere
Gebiete. Es duldet ihn nicht allein beim Porträ-
tieren der Landschaft, worin er eigene, oft etwas
wirre Töne anschlägt, ohne die künstlerisch geschlos-
sene Wirkung, die Dill dank seiner bewußten Be-
schränkung fast stets erreicht; sein Bestes ist wohl
die prächtige Ansicht von Cannstatt. Er geht weiter
zur menschlichen Figur, und was er da im letzten
Jahre an Konzentration der Form und an farbigem
Zusammenstimmen der Körper mit ihrer Umgebung
geschaffen hat, das zeigt eine ernsthafte Entwick-
lung. Auf Anhieb sind diese Bilder allerdings nicht
zu genießen, erst wenn man sich länger mit ihnen
beschäftigt, geht einem auf, was sie eigentlich in
sich tragen. Vorzüglich in der ganz schlichten Kom-
position ist die >Anbetung<, ebenso die Gruppe einer
sitzenden jungen Mutter mit einer dahinterstehen-
den Alten. Diese beiden Figuren, die farbig sehr
gut differenziert sind, besitzen dabei eine eminente
Kraft der Erscheinung.
Schulte bringt vielerlei. Drei Porträtisten. Leo
Samberger ist sicherlich einer der subjektivsten
Bildnismaler unserer Zeit. Das Temperament aller
Dargestellten scheint zu einer fabelhaft nervösen
Unruhe potenziert, es ist, wie wenn ein Verwand-
lungskünstler zu allen Bildern gesessen hätte. Ein
ganzer Saal gehört den Porträts von Philipp A.
Läszlö (London). Früher waren die hohen und
höchsten Herrschaften nicht zufrieden, wenn sie nicht
ihr Porträt von Tizian, von van Dyck hatten; im
19. Jahrhundert waren es Krüger, Menzel, Lenbach,
die die Züge unserer Herrscher und Aristokraten
unsterblich machten. Muß das 20. Jahrhundert wirk-
lich mit einem Läszlö vorlieb nehmen? Findet man
wirklich keinen Größeren dazu? Ferdinand See-
boeck (Rom) hat Porträtplastiken von verschieden-
ster Qualität ausgestellt. Mir will scheinen, daß es
ihm oftmals nicht gelingt, einen großen Charakter
entschieden herauszuarbeiten. Gleichwohl sind Köpfe
wie der Althoffs, Paulsens, des Großherzogpaars
von Baden weit über dem Durchschnitts-Niveau
stehende Arbeiten. Von Hans von Bartels sind
drei in Farbe und Bewegung gute Brandungsbilder
da, sowie mehrere holländische Interieurs von star-
ker, leuchtender Farbe. Rudolf Hellwag (Karls-
ruhe) bringt englische Landschaften, fein auf Braun
abgestimmt, gern mit nebelvoller Atmosphäre, Ferd.
Dorsch frische, bewegliche Bilder, in denen er
etwas allzu biedermeierisch kokettiert. Gut ist er
überall, wo er die Oelpalette aus der Hand legt.
Endlich noch neben Thorolf Holmboe mit seinen
nordischen Landschaften und Eisbären: Fritz Over-
beck. Es zeigt sich hier wieder, daß die in stumpfen
Farben gehaltenen Bilder des ausgezeichneten, viel-
seitigen Landschafters von viel größerer Ausdrucks-
kraft sind, wie die in leuchtendem Kolorit strahlen-
den. Sein helles Grün wirkt dann direkt unwahr.
Prachtvoll ist ein Waldbild von ihm und die ernste
Sylter Dünenlandschaft.
Mit Freuden haben wir bei Keller & Reiner die
Ausstellung von Carl Max Rebel (Rom) begrüßt.
Schon vor einiger Zeit traten uns dort feine Bilder
des Künstlers entgegen. Der oberflächliche Beschauer
wird sich mit dem Urteil »Verwässerte Auflage von
Böcklin« davon abwenden. In gewisser Weise mag
er recht haben. Rebel steht oft zu stark unter dem
Einflüsse Böcklins, und je enger er sich an sein
Vorbild anlehnt, um so drückender fällt der Ver-
gleich zu seinen Ungunsten aus. So hätten wir den
Hymnus >An die Schönheit« gerne vermißt, ebenso
mehrere andere Bilder, die allzusehr nicht nur in
der Stimmung, sondern auch im rein Aeußerlichen
böcklinisch anmuten. Aber es steckt doch noch
anderes in dem Künstler. Erstlich noch eine Schu-
lung, die er nur selten verleugnet: die Florentiner
Quattrocentisten haben's ihm angetan; er muß ein-
mal stark unter ihrem Bann gestanden haben. Nun
aber scheint er doch die Kraft zu haben, sich zu
einer ganz persönlichen Kunst hindurchzuzwingen.
Das sieht man vor allem an seinen ganz ausge-
zeichneten Porträts. Da ist beides, Quattrocento und
Böcklin, verarbeitet, da kommt aber auch das Eigenste
Rebeis zum Ausdruck. Besonders das Bild der Frau
Assia Spiro im weißen Kleide vor einer weitgedehn-
ten Campagnalandschaft;dann das Porträt einer Dame
mit schwarzem Haar und einer Perlenkette, sowie das
große Bildnis der Frau Isy Rebel zeigen eine glänzende
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ihrer prächtigen Tiefe, das sind Dinge, die eine
starke künstlerische Selbständigkeit und einen fein
erzogenen Farbensinn verraten. Rhein ist einer von
den wenigen, die Liebermann studiert haben, ohne
von ihm ins Schlepptau genommen zu werden. Von
Liebermann selbst sind eine ganze Reihe neuester
Bilder und Zeichnungen ausgestellt. Es ist erstaun-
lich, wie der Künstler von Jahr zu Jahr fortschreitet,
sich über sich selbst hinaus entwickelt. Ganz neue
Farbenklänge tauchen auf, ebenso ein neues Emp-
finden für Helligkeitswerte. Man vergleiche nur
einmal die >Linnenkamer im Amsterdamer Altfrauen-
hause« mit früheren Bildern ähnlichen Sujets! Oft
allerdings, besonders bei den Strandbildern aus
Noordwijk, erscheint die Farbenwahl etwas frag-
würdig. In den Einzelheiten wird Liebermann
immer rudimentärer; es gehört wahrlich der Mut
eines souveränen Beherrschers aller künstlerischen
Mittel dazu, derartige Stenogramme niederzuschrei-
ben. — Ganz köstlich, von feinstem Humor und
entzückendster Naivität sind die Bildchen von
Reinhold Nägele. Ein wenig Walser, ein wenig
Erler, wohl auch Somoff, aber doch wieder noch
eine ganz eigene Note. Rein zeichnerisch konzi-
piert, aber mit feinem Farbengeschmack ausge-
stattet und vorzüglich komponiert. Man fühlt sich
versucht, jedes dieser Figürchen mit der Lupe zu
lesen; wir hoffen, öfter in diese Versuchung zu
kommen.
Im Künstlerhaus finden wir neben einer guten Kol
lektion Landschaften von Oswald Gette eine bemer-
kenswerte Reihe von Werken des Klubs Berliner Land-
schafler ausgestellt. Sehr verschiedene Naturen haben
sich hier zusammengetan, gemeinsam aber ist allen
ein kräftiges, herzhaftes Anfassen der Natur ohne
kränkliches Stilisieren. Schwere, wuchtige Bilder aus
Sylt von Ernst Kolbe hängen neben weicheren
Schilderungen von Alfred Liedtke; KarlWendel,
Hans Hartig sowie Leonh. Sandrock schließen
sich würdig an. Hans Klohss bringt eine Anzahl
entzückend frischer Aquarelle. Ein ganzer Saal ist
dem höchst interessanten, bewußt retrospektiv ge-
richteten Porträtisten Theodule Ribot eingeräumt.
Daneben allerhand Kleinigkeiten aus dem Nachlaß
von Georg Barlösius, sowie eine Reihe zart
gemalter, liebenswürdiger Landschaften des ver-
stoibenen Gustav Pflugradt vor. Ferner eine
Reverenz gegen Skahbina, von dem u. a. meh-
rere frisch aufgefaßte Szenen aus dem Berliner
Straßenleben dahängen. Allen übrigen Raum absor-
bieren die Werke von Ludwig Dill und Adolf
Holzel. Der eigenartige, melancholische Land-
schaftscharakter des Dachauer Mooses ist wohl nie
so prägnant wiedergegeben wie in den weich zer-
flossenen Bildern Dills mit ihrer köstlichen Nuan-
cierung brauner Töne und dem wuchtigen Zusam-
mennehmen der Massen. Immer wieder dieselben
Themen und immer wieder interessant behandelt.
Holzel hat wohl eine gewisse Wesensverwandtschaft
mit Dill; sein Wollen aber erstreckt sich auf weitere
Gebiete. Es duldet ihn nicht allein beim Porträ-
tieren der Landschaft, worin er eigene, oft etwas
wirre Töne anschlägt, ohne die künstlerisch geschlos-
sene Wirkung, die Dill dank seiner bewußten Be-
schränkung fast stets erreicht; sein Bestes ist wohl
die prächtige Ansicht von Cannstatt. Er geht weiter
zur menschlichen Figur, und was er da im letzten
Jahre an Konzentration der Form und an farbigem
Zusammenstimmen der Körper mit ihrer Umgebung
geschaffen hat, das zeigt eine ernsthafte Entwick-
lung. Auf Anhieb sind diese Bilder allerdings nicht
zu genießen, erst wenn man sich länger mit ihnen
beschäftigt, geht einem auf, was sie eigentlich in
sich tragen. Vorzüglich in der ganz schlichten Kom-
position ist die >Anbetung<, ebenso die Gruppe einer
sitzenden jungen Mutter mit einer dahinterstehen-
den Alten. Diese beiden Figuren, die farbig sehr
gut differenziert sind, besitzen dabei eine eminente
Kraft der Erscheinung.
Schulte bringt vielerlei. Drei Porträtisten. Leo
Samberger ist sicherlich einer der subjektivsten
Bildnismaler unserer Zeit. Das Temperament aller
Dargestellten scheint zu einer fabelhaft nervösen
Unruhe potenziert, es ist, wie wenn ein Verwand-
lungskünstler zu allen Bildern gesessen hätte. Ein
ganzer Saal gehört den Porträts von Philipp A.
Läszlö (London). Früher waren die hohen und
höchsten Herrschaften nicht zufrieden, wenn sie nicht
ihr Porträt von Tizian, von van Dyck hatten; im
19. Jahrhundert waren es Krüger, Menzel, Lenbach,
die die Züge unserer Herrscher und Aristokraten
unsterblich machten. Muß das 20. Jahrhundert wirk-
lich mit einem Läszlö vorlieb nehmen? Findet man
wirklich keinen Größeren dazu? Ferdinand See-
boeck (Rom) hat Porträtplastiken von verschieden-
ster Qualität ausgestellt. Mir will scheinen, daß es
ihm oftmals nicht gelingt, einen großen Charakter
entschieden herauszuarbeiten. Gleichwohl sind Köpfe
wie der Althoffs, Paulsens, des Großherzogpaars
von Baden weit über dem Durchschnitts-Niveau
stehende Arbeiten. Von Hans von Bartels sind
drei in Farbe und Bewegung gute Brandungsbilder
da, sowie mehrere holländische Interieurs von star-
ker, leuchtender Farbe. Rudolf Hellwag (Karls-
ruhe) bringt englische Landschaften, fein auf Braun
abgestimmt, gern mit nebelvoller Atmosphäre, Ferd.
Dorsch frische, bewegliche Bilder, in denen er
etwas allzu biedermeierisch kokettiert. Gut ist er
überall, wo er die Oelpalette aus der Hand legt.
Endlich noch neben Thorolf Holmboe mit seinen
nordischen Landschaften und Eisbären: Fritz Over-
beck. Es zeigt sich hier wieder, daß die in stumpfen
Farben gehaltenen Bilder des ausgezeichneten, viel-
seitigen Landschafters von viel größerer Ausdrucks-
kraft sind, wie die in leuchtendem Kolorit strahlen-
den. Sein helles Grün wirkt dann direkt unwahr.
Prachtvoll ist ein Waldbild von ihm und die ernste
Sylter Dünenlandschaft.
Mit Freuden haben wir bei Keller & Reiner die
Ausstellung von Carl Max Rebel (Rom) begrüßt.
Schon vor einiger Zeit traten uns dort feine Bilder
des Künstlers entgegen. Der oberflächliche Beschauer
wird sich mit dem Urteil »Verwässerte Auflage von
Böcklin« davon abwenden. In gewisser Weise mag
er recht haben. Rebel steht oft zu stark unter dem
Einflüsse Böcklins, und je enger er sich an sein
Vorbild anlehnt, um so drückender fällt der Ver-
gleich zu seinen Ungunsten aus. So hätten wir den
Hymnus >An die Schönheit« gerne vermißt, ebenso
mehrere andere Bilder, die allzusehr nicht nur in
der Stimmung, sondern auch im rein Aeußerlichen
böcklinisch anmuten. Aber es steckt doch noch
anderes in dem Künstler. Erstlich noch eine Schu-
lung, die er nur selten verleugnet: die Florentiner
Quattrocentisten haben's ihm angetan; er muß ein-
mal stark unter ihrem Bann gestanden haben. Nun
aber scheint er doch die Kraft zu haben, sich zu
einer ganz persönlichen Kunst hindurchzuzwingen.
Das sieht man vor allem an seinen ganz ausge-
zeichneten Porträts. Da ist beides, Quattrocento und
Böcklin, verarbeitet, da kommt aber auch das Eigenste
Rebeis zum Ausdruck. Besonders das Bild der Frau
Assia Spiro im weißen Kleide vor einer weitgedehn-
ten Campagnalandschaft;dann das Porträt einer Dame
mit schwarzem Haar und einer Perlenkette, sowie das
große Bildnis der Frau Isy Rebel zeigen eine glänzende
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