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Die Kunst für alle: Malerei, Plastik, Graphik, Architektur — 24.1908-1909

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Wolf, Georg Jacob: Die Piloty-Schule
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Von Ausstellungen - Personal-Nachrichten
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https://doi.org/10.11588/diglit.12503#0475

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-^ö> VON AUSSTELLUNGEN

der alte Schwind boshaft die Auswüchse der Piloty-
schen Historienmalerei nannte, aber daneben auch
wieder welche Köstlichkeiten! An einer Wand hingen
Leibl und Habermann beisammen: auf ihr ruhte
also der besondere Nachdruck, namentlich da Haber-
mann hier mit Frühwerken aus den siebzigerJahren
von außerordentlicher Qualität vertreten war. Von
Leibi stammte das frei und groß gemalte Bildnis
seines Ateliergenossen Szinyei-Merse, eines heute
fast vergessenen Magyaren, der das enfant terrible
der Piloty-Schule war. Einige Bilder seiner Hand
lassen erkennen, daß ihn die Lichtprobleme Manets,
denen der Franzose seinen Ruhm verdankt, schon
vor diesem beschäftigten, und daß ihm das Wesent-
liche des Impressionismus schon vor den Parisern
aufgegangen war. Dieser Szinyei-Merse ist die große
Entdeckung dieser Ausstellung. Daneben gibt es
allerlei kleine Entdeckungen: so, daß Defregger
einmal wundervolle Akte gemalt hat, daß dem de-
korativen Charmeur Makart, dem man ein ganzes
Kabinett reservierte,einmal ein Frauenbildnis in ganzer
Figur glückte, das etwas von der verhaltenen Kraft
und stillen Vornehmheit der Präraffaeliten an sich
trägt, daß ferner Gabriel Schachinger, der sich
jetzt ganz auf seine Blumenstilleben-Malerei be-
schränkt, im Jahre 1873 Porträte malte, die sich an
Tiefe der Charakteristik wie an Schönheit und Ori-
ginalität des Tons mit jedem alten Meister messen
können, daß Raupp und Wopfnfr in früherenjahren
einen ungleich weiteren Motiv-Kreis besaßen und
breiter und zügiger malten . . . Alle diese kleinen
Korrekturen zusammengenommen, machen immer-
hin eine Revisionierung unseres Kunsturteils über
eine gewisse Kunstrichtung und ein bestimmtes Zeit-
ganzes notwendig. Es kommt hinzu, daß einzelne
Kollektionen, die uns zwar nichts Neues sagen, im-
merhin die Bedeutsamkeit, welche einige der Piloty-
Schüler besaßen, uns wieder mit Nachdruck ins Be-
wußtsein rufen: da sehen wir repräsentableBildnisse
von William Chase, ausgezeichnete Feinarbeiten
von Karl Gussow, reizvolle Interieurs, die Meister
Grützner in Tirol malte, eine sehr reichhaltige
Kollektion des immer noch nicht nach Verdienst
gewürdigten Nicolaus Gysis, der in allen Sätteln
fest war, Sittenbilder von Kurzbauer und M. Schmid,
frühe, kraftvolle Arbeiten Lenbachs usw.

Aus all dem erhellt, daß der historische wie der
ästhetische Wert der Ausstellung ein ganz hervor-
ragender war, und daß man es nur bedauern kann,
daß diese Bilder nach so kurzer Vereinigung wieder
in alle Winde zerstreut wurden. Georg Jacob Wolf

VON AUSSTELLUNGEN

DERLIN. Der malerischen Ausbeute von Vergnü-
gungsreisen und Expeditionen pflegt man — und
leider meist mit Recht — von vornherein etwas skep-
tisch gegenüberzustehen. Eine Enttäuschung im guten
Sinne bietet einmal die Ausstellung von Gemälden
und Zeichnungen, die während der > Danmark-Ex-
pedition« nach dem nordöstlichen Grönland 1906—1908
von den beiden Dänen Aage Bertelsen (Nestved)
und Achton Friis (Kopenhagen) hergestellt sind
und die vorderen Räume der Galerie Eduard Schulte
füllen. Es sind nicht nur die interessanten Motive
— wunderbare Eislandschaften voller kühnster Bizar-
rerie und grandiose Steinhalden von ehernerRuhe—,
es ist auch die Güte der Malerei selbst, die, mit
feinstem Gefühl die unerhörte Farbenpracht dieser
nördlichen Gegenden wiedergebend, diese Bilder weit
über ähnliche Reiseschilderungen heraushebt. Auch
die Porträtzeichnungen der beiden Künstler geben

sich als sehr gute Leistungen zu erkennen. Sehr
umfangreich ist die Kollektion von Werken des der
schottischen Akademie entstammenden T. Austen
Brown. Als Landschafter ist der Künstler jeden-
falls erfolgreicher denn als Porträtist; erträgt eine
gewisse Reserviertheit zur Schau, an deren Stelle
man gerne etwas mehr inneres Leben sehen würde.
Während die Landschaften Karl Heffners (Berlin)
eine kräftige, persönliche Note 'vermissen lassen —
seine Bilder rufen Reminiszenzen an alle möglichen
anderen Künstler wach —, dürfen wir von Hanna
Gerson (München), die ein paar sehr gute, groß
gesehene Landschaften ausgestellt hat, sicher noch
recht Erfreuliches erwarten. Adolfo Levier (Paris)
zeigt interessante Versuche der malerischen Bewälti-
gung bewegter Menschenmassen (namentlich Zirkus-,
Chantant- und Kaffeehausszenen), die aber doch noch
nicht weit über das Versuchsstadium herausgekom-
men sind. Das Gegenspiel dazu sind elegante Genre-
bilder, >das Interieur mit der Dame«, von Frantz
M. Melchers (Brüssel), der sich als Fortsetzer der
Kunst eines A. Stevens zu erkennen gibt, ohne aber
dessen souveräne Sicherheit zu besitzen. Land-
schaften hängen ferner da von Edgard Farasyn
Antwerpen), von Erich Nikutowski (Düsseldorf),
sowie einigen anderen Künstlern. Höchstes Interesse
aber beanspruchen die Werke von Charles J. Pal-
mie (München), die ein unendlich zartes Farben-
empfinden verraten und in konsequenter farbiger
Stilisierung auf Blau und Violett abgestimmt sind.
Palmie gehört zu der Gruppe von Künstlern, die
das ganze Bild aus einzelnen Tupfen mosaikartig
zusammensetzen; man kann ungeheuer brutale Wir-
kungen durch dies Verfahren erzielen, — Palmie
dagegen verwertet es zu wahren Gedichten aus ver-
dämmernden Nebelschleiern und weichem Duft. Eine
seltsame Stimmung liegt über diesen Poesien, die
trotz aller Zartheit nicht bleichsüchtig anmuten.

Schon wieder sind bei Cassirer etwa 20 Bilder
von Van Gogh ausgestellt. >Und will sich nimmer
erschöpfen und leeren ...«. Diesmal aber sind ein
paar ganz prachtvolle Dinge darunter. Erstlich das
Selbstporträt mit dem roten Bart vor der Staffelei,
das einen immer mehr gefangen nimmt, je öfter
man es sieht; dann eine kleine, ganz zahme Land-
schaft mit kahlen Bäumen und einer Windmühle,
deren Farbenauftrag erstaunlich dünn ist, und end-
lich ein in Farben glühendes Getreidefeld, ein Bild
von unendlicher Raumwirkung. Neben solchen Fan-
faren können die flauen Landschaften Renoirs nicht
aufkommen. Erfreulich unter dessen Bildern sind
allein die wenig anspruchslosen, aber gut gemalten
>Modistinnen«, sowie eine Szene am Wasser, mit
Menschen auf einem Steg. Manet und Monet sind
— nicht allzu hervorragend — vertreten.

Der übrige Raum des Salons ist den Werken der
verstorbenen PaulaModersohn eingeräumt. Einige
kleine Stilleben von großer Ausdruckskraft und aus-
gezeichnetem Kolorit geben den besten Eindruck vom
Talent der Künstlerin; in den meisten großformatigen
Stilleben überwiegen wenig angenehme, morbide,
trübeTöne, und bei den Porträtstudien wirken dieTypen
so unangenehm karikaturenmäßig, daß die Freude an
der guten Malerei dadurch schwer beeinträchtigt wird.

R. SCHM.

•pvOSSELDORF. Um nicht mit der großen Aus-
Stellung für christliche Kunst zu kollidieren,
hat der Kunstverein für Rheinland und Westfalen
seine Jahresausstellung diesmal früher eröffnet
wie üblich. Wenn innerhalb des Vereins gewisse
Rücksichten auf den Durchschnittsgeschmack nicht
von der Hand zu weisen sind, so merkt man mit
Staunen und Freude, wie in den letzten Jahren die

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