PERSONAL-NACHRICHTEN
— ED. VON GEBHARDT-AUSSTELLUNG
B
Liebe des Poeten und der wuchtigen Gestaltungs- den. In zwei großen und zwei kleinen Sälen um-
kraft eines großen Bildkünstlers hielt er diese Land- faßt diese Ausstellung 44 Oelgemälde und eine
Schaftsstimmungen fest. Doch wurde er auch dem große Reihe von Entwürfen, Studien und ausge-
Abendzauber eines melancholischen mecklenburgi- führteren Einzelköpfen, und zwar von dem >Einzug
sehen Sees gerecht, ja selbst an die so viel anders Christi in Jerusalem« von 1863 und der »Auferwek-
geartete französische Landschaft ging er heran. Die kung von Jairi Töchterlein« von 1864 an bis zu den
Ausstellung bei Heinemann zeigt uns außerdem erst im vorigen Jahre vollendeten Bildern des > Ver-
interessante Stilleben, die der Meister in Paris malte, lorenen Sohnes«, des ^Christus in Bethanien« und
Kopien nach alten und neueren Künstlern, die eben- der >Heilung eines Kranken«. Als Ganzes fügt
dort entstanden, Interieurs, sehr tonig und voll, aus diese Ueberschau über das gesamte Lebenswerk,
dem heute fast ganz vergessenen Malerdörfchen Pang bei der die beiden Hauptwerke, die Wandmalereien
bei Rosenheim, ein Selbstporträt, mehrere Tier- in Lokkum und in der Düsseldorfer Friedenskirche,
stücke usw., sie weist uns also dergestalt den ganzen allerdings nur durch vorbereitende oder in kleinerem
inneren Reichtum, die Gesichtefülle eines großen Maßstabe wiederholende Oelbilder vertreten sind,
und auf seinem Spezialgebiet, der intimen Land- dem Bilde des Meisters, wie es jedem kunstlieben-
schaft, sogar bahnbrechenden Künstlers, dessen den Deutschen vertraut ist, kaum einen neuen Zug
Kunst auch heute noch, wo die Landschaftsmalerei hinzu. Wie weit sind wir von jener Zeit entfernt,
schon wieder andere Pfade eingeschlagen hat, ihre da man sich für oder wider das altdeutsche Kostüm
volle Bedeutung behalten hat. g. j. Wolf seiner biblischen Gestalten ereiferte! Gebhardt ist
seitdem Klassiker geworden und Klassiker kritisiert
Ii■ mininiiTPii man n'cnt mehr, man sucht sie zu verstehen —
PERSONAL -NACHRICHTEN auch in ihren Mängeln oder Begrenztheiten. Der
ERLIN. Zum Direktor der Berliner National- erste und nachhaltigste Eindruck, den man hier
galerie ist Professor Ludw.g Justi ernannt empfangt, .st der emer tiefen Ehrfurcht vor der un-
worden - eine Lösung, die in eingeweihten Kreisen geheuren Arbei skraft und dem gewaltigen Können
seit langem erwartet wurde, bei der aber scheinbar des Me'Sters. Jedes seiner großen Bilder■ ist das
doch erft einige Hindernisse zu überwinden waren. Ergebnis des Zusammenarbeitens ungezählter Stu-
Justi, der einer angesehenen Gelehrtenfamilie ent- dlen> lon den.en j.'ele weitaus fertigere Leistungen
J.__' . Tr„.„r ___j i „,.; _____ D „c „__ darstellen, als die Bilder so mancher unserer
stammt (sein Vater Ferdinand usti war Professor . - • • * tn i . j . .
für vergleichende Sprachforschung in Marburg, sein ,un§en Sezess.onisten. Dazu kommt dann eine sich
Onkel Karl Justi ist der berühmte Bonner Kunst- s e,I8 steigernde Bewunderung vor der ungemein
historiker), hat eine erstaunlich schnelle Laufbahn starke" religiösen Empfindung und der ganz außer-
hinter sich. 1876 in Marburg geboren, wurde er ?r»entliehen psychologischen Vertiefung des Kunst-
mm d_:..„.,!„,„.,. :„ d=.i:„ mm c...'___j- „ !ers. Bei einer Szene wie >Christus und Nikodemus«
1901 rrivatdozent in Berlin, 191)3 Extraordinarius ... ,. . ,~, . , . „, . . . ~
für Kunstgeschichte in Halle, 1904 Direktor des ist der 5*el^5^G.e*a L s° bts auf den letzten Rest
Städelschen Instituts in Frankfürt a. M., 1905 erster a?S1geSchopf''t daß 'ch ^ wen'gstens von lebenden
ständiger Sekretär der Berliner Akademie. Von Malehrn> ",.^ts a" dle Seite zu gellen wußte. Eines
6 • u *>«• u au-.. • j ■ n>- solchen Bildes kann man nie überdrüssig werden.
seinen wissenschaftlichen Arbeiten sind seine Durer- ^-r- j _ .__.__.___c.u - c- • i
r , . ™. . , . Die Freude am rein malerischen achein, am Spiel
forschungen und sein im vorigen Winter erschiene- , 7, V; . . c . „ ,____, . .' „ Uu 5u
„, r -u /->■ u i. u r* des Lichtes und der Farben, kommt bei Gebhardt
nes Werk über Giorgione hervorzuheben. Gegen- er u , und dem es zuzuschreiben
wartig leitet er die Herausgabe einer umfangreichen ; . h Verhältnis zu seinen
Kunstgeschichte. Die Aufgabe, die sich ihm m > Er f zu . . modernen
seiner neuen Ste lung bietet, ist ebenso lohnend e. . . . D.,. ^ D • ■ j ,,
.... „°„ r„™\____i, iT^-o i^i. c. Sinn bei seinen Bildern. Bei seinen wundervo en
wie schwierig; außer Geschmack, Urteilskraft, 0. ,. _ ... . . c. , , ,
„ uu •» j c » ui r\ ■ \- » i Studien rastet er nicht, b s er e ner Figur den denk-
Raschheit des Entschlusses, Organisationstalent er- . /-„.,, . ,„. ! ■ . n . * .. .
fordert sie vor allem großes diplomatisches Ge- ?ar höchsten Ausdruck in den Gesichtszügen wie
schick. Daß er diese Eigenschaften besitzt, darf in der Bewegung gegeben hat, und dieses ungemein
nach seinen bisherif-en Erfolgen als sicher selten gesteigerte Leben der einzelnen Figuren ubernimmt
nach seinen bisherigen trrolgen als sicher gelten. er nun auf die großen BMeT Führt aber auf einem
CTUTTGART. Vor kurzem ist hier der Maler Bilde von zwanzig, dreißig, vierzig Personen jede
Karl Alexander von Otterstedt gestorben. eigentlich ein eigenes Dasein, so zersplittert sich
Er war eine ganz originelle Persönlichkeit, in seinen das Interesse etwas. Am stärksten finden wir dies bei
Lebensgewohnheiten an Whistler erinnernd, und des- einigen der letzten Bilder des Meisters wie >Moses
halb wohl von allen Stuttgarter Künstlern dem Pub- schlägt Wasser aus dem Felsen«. Man zeigt sich
likum als Persönlichkeit am meisten von Ansehen da bewundernd die einzelnen Köpfe: >Sieh mal den,
bekannt. Der Verstorbene war ein ungewöhnliches und den, und den da hinten«, aber die Freude an
koloristisches Talent, nicht in naturalistischem Sinne, dem Bilde als malerische Gesamterscheinung ist
sondern mehr an Monticelli erinnernd; ein be- geringer. Das soll, wie gesagt, keine Kritik, son-
rauschend üppiges Farbenspiel, an die Farbenwun- dern eine Erklärung sein. Zuweilen mag es aber
der des Orients gemahnend. Insbesondere hat er auch an dem rechten Willen fehlen, in Gebhardts
Blumenstücke von geradezu faszinierender Pracht Wesen einzudringen. Es müßte doch merkwürdig
der Farbe geschaffen. h. t. zugehen, wenn wir, die wir uns in die Meister der
verschiedensten Schulen »einzufühlen« verstehen,
,__ .. _.. _ , , ... nicht unsere Augen und unsere Empfindungen auch
EU. VON bEbHARDT-AU55TELLUNG auf seine Werke einstellen könnten. Der schönste
IN BERLIN Erfolg der Ausstellung aber wäre es, wenn nicht
nur das Verständnis der Kunstfreunde für Gebhardt
DERLIN. Der 70. Geburtstag Eduard von Geb- durch sie vermehrt würde, sondern recht viele junge
*-* Hardts ist hier ein wenig spät, aber in umso Künstler in ihr die Ehrfurcht vor solcher Gewissen-
würdigerer Weise bei Schulte nachgefeiert wor- haftigkeit im Schaffen lernten.
Redaktionsschluß: 9. November 1909 Ausgabe: 25. November 1909
Herausgeber: F.Schtartz. Für die Redaktion verantwortlich: P. Kirchgraber. — Druck und Verlag von F. Bruckmann a.-g.
Sämtlich in München
— ED. VON GEBHARDT-AUSSTELLUNG
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Liebe des Poeten und der wuchtigen Gestaltungs- den. In zwei großen und zwei kleinen Sälen um-
kraft eines großen Bildkünstlers hielt er diese Land- faßt diese Ausstellung 44 Oelgemälde und eine
Schaftsstimmungen fest. Doch wurde er auch dem große Reihe von Entwürfen, Studien und ausge-
Abendzauber eines melancholischen mecklenburgi- führteren Einzelköpfen, und zwar von dem >Einzug
sehen Sees gerecht, ja selbst an die so viel anders Christi in Jerusalem« von 1863 und der »Auferwek-
geartete französische Landschaft ging er heran. Die kung von Jairi Töchterlein« von 1864 an bis zu den
Ausstellung bei Heinemann zeigt uns außerdem erst im vorigen Jahre vollendeten Bildern des > Ver-
interessante Stilleben, die der Meister in Paris malte, lorenen Sohnes«, des ^Christus in Bethanien« und
Kopien nach alten und neueren Künstlern, die eben- der >Heilung eines Kranken«. Als Ganzes fügt
dort entstanden, Interieurs, sehr tonig und voll, aus diese Ueberschau über das gesamte Lebenswerk,
dem heute fast ganz vergessenen Malerdörfchen Pang bei der die beiden Hauptwerke, die Wandmalereien
bei Rosenheim, ein Selbstporträt, mehrere Tier- in Lokkum und in der Düsseldorfer Friedenskirche,
stücke usw., sie weist uns also dergestalt den ganzen allerdings nur durch vorbereitende oder in kleinerem
inneren Reichtum, die Gesichtefülle eines großen Maßstabe wiederholende Oelbilder vertreten sind,
und auf seinem Spezialgebiet, der intimen Land- dem Bilde des Meisters, wie es jedem kunstlieben-
schaft, sogar bahnbrechenden Künstlers, dessen den Deutschen vertraut ist, kaum einen neuen Zug
Kunst auch heute noch, wo die Landschaftsmalerei hinzu. Wie weit sind wir von jener Zeit entfernt,
schon wieder andere Pfade eingeschlagen hat, ihre da man sich für oder wider das altdeutsche Kostüm
volle Bedeutung behalten hat. g. j. Wolf seiner biblischen Gestalten ereiferte! Gebhardt ist
seitdem Klassiker geworden und Klassiker kritisiert
Ii■ mininiiTPii man n'cnt mehr, man sucht sie zu verstehen —
PERSONAL -NACHRICHTEN auch in ihren Mängeln oder Begrenztheiten. Der
ERLIN. Zum Direktor der Berliner National- erste und nachhaltigste Eindruck, den man hier
galerie ist Professor Ludw.g Justi ernannt empfangt, .st der emer tiefen Ehrfurcht vor der un-
worden - eine Lösung, die in eingeweihten Kreisen geheuren Arbei skraft und dem gewaltigen Können
seit langem erwartet wurde, bei der aber scheinbar des Me'Sters. Jedes seiner großen Bilder■ ist das
doch erft einige Hindernisse zu überwinden waren. Ergebnis des Zusammenarbeitens ungezählter Stu-
Justi, der einer angesehenen Gelehrtenfamilie ent- dlen> lon den.en j.'ele weitaus fertigere Leistungen
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stammt (sein Vater Ferdinand usti war Professor . - • • * tn i . j . .
für vergleichende Sprachforschung in Marburg, sein ,un§en Sezess.onisten. Dazu kommt dann eine sich
Onkel Karl Justi ist der berühmte Bonner Kunst- s e,I8 steigernde Bewunderung vor der ungemein
historiker), hat eine erstaunlich schnelle Laufbahn starke" religiösen Empfindung und der ganz außer-
hinter sich. 1876 in Marburg geboren, wurde er ?r»entliehen psychologischen Vertiefung des Kunst-
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1901 rrivatdozent in Berlin, 191)3 Extraordinarius ... ,. . ,~, . , . „, . . . ~
für Kunstgeschichte in Halle, 1904 Direktor des ist der 5*el^5^G.e*a L s° bts auf den letzten Rest
Städelschen Instituts in Frankfürt a. M., 1905 erster a?S1geSchopf''t daß 'ch ^ wen'gstens von lebenden
ständiger Sekretär der Berliner Akademie. Von Malehrn> ",.^ts a" dle Seite zu gellen wußte. Eines
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seinen wissenschaftlichen Arbeiten sind seine Durer- ^-r- j _ .__.__.___c.u - c- • i
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forschungen und sein im vorigen Winter erschiene- , 7, V; . . c . „ ,____, . .' „ Uu 5u
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nes Werk über Giorgione hervorzuheben. Gegen- er u , und dem es zuzuschreiben
wartig leitet er die Herausgabe einer umfangreichen ; . h Verhältnis zu seinen
Kunstgeschichte. Die Aufgabe, die sich ihm m > Er f zu . . modernen
seiner neuen Ste lung bietet, ist ebenso lohnend e. . . . D.,. ^ D • ■ j ,,
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wie schwierig; außer Geschmack, Urteilskraft, 0. ,. _ ... . . c. , , ,
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Raschheit des Entschlusses, Organisationstalent er- . /-„.,, . ,„. ! ■ . n . * .. .
fordert sie vor allem großes diplomatisches Ge- ?ar höchsten Ausdruck in den Gesichtszügen wie
schick. Daß er diese Eigenschaften besitzt, darf in der Bewegung gegeben hat, und dieses ungemein
nach seinen bisherif-en Erfolgen als sicher selten gesteigerte Leben der einzelnen Figuren ubernimmt
nach seinen bisherigen trrolgen als sicher gelten. er nun auf die großen BMeT Führt aber auf einem
CTUTTGART. Vor kurzem ist hier der Maler Bilde von zwanzig, dreißig, vierzig Personen jede
Karl Alexander von Otterstedt gestorben. eigentlich ein eigenes Dasein, so zersplittert sich
Er war eine ganz originelle Persönlichkeit, in seinen das Interesse etwas. Am stärksten finden wir dies bei
Lebensgewohnheiten an Whistler erinnernd, und des- einigen der letzten Bilder des Meisters wie >Moses
halb wohl von allen Stuttgarter Künstlern dem Pub- schlägt Wasser aus dem Felsen«. Man zeigt sich
likum als Persönlichkeit am meisten von Ansehen da bewundernd die einzelnen Köpfe: >Sieh mal den,
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koloristisches Talent, nicht in naturalistischem Sinne, dem Bilde als malerische Gesamterscheinung ist
sondern mehr an Monticelli erinnernd; ein be- geringer. Das soll, wie gesagt, keine Kritik, son-
rauschend üppiges Farbenspiel, an die Farbenwun- dern eine Erklärung sein. Zuweilen mag es aber
der des Orients gemahnend. Insbesondere hat er auch an dem rechten Willen fehlen, in Gebhardts
Blumenstücke von geradezu faszinierender Pracht Wesen einzudringen. Es müßte doch merkwürdig
der Farbe geschaffen. h. t. zugehen, wenn wir, die wir uns in die Meister der
verschiedensten Schulen »einzufühlen« verstehen,
,__ .. _.. _ , , ... nicht unsere Augen und unsere Empfindungen auch
EU. VON bEbHARDT-AU55TELLUNG auf seine Werke einstellen könnten. Der schönste
IN BERLIN Erfolg der Ausstellung aber wäre es, wenn nicht
nur das Verständnis der Kunstfreunde für Gebhardt
DERLIN. Der 70. Geburtstag Eduard von Geb- durch sie vermehrt würde, sondern recht viele junge
*-* Hardts ist hier ein wenig spät, aber in umso Künstler in ihr die Ehrfurcht vor solcher Gewissen-
würdigerer Weise bei Schulte nachgefeiert wor- haftigkeit im Schaffen lernten.
Redaktionsschluß: 9. November 1909 Ausgabe: 25. November 1909
Herausgeber: F.Schtartz. Für die Redaktion verantwortlich: P. Kirchgraber. — Druck und Verlag von F. Bruckmann a.-g.
Sämtlich in München