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Die Kunst für alle: Malerei, Plastik, Graphik, Architektur — 25.1909-1910

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Wolf, Georg Jacob: Tschudis Neuordnung der k. älteren Pinakothek in München
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https://doi.org/10.11588/diglit.12502#0232

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TSCHUDIS NEUORDNUNG DER K. ALTEREN PINAKOTHEK IN MÜNCHEN

TSGHUDIS NEUORDNUNG DER K-ÄLTEREN hängt, und auch die beiden Zirbelholztafeln mit dem

heiligen Gregorius und Augustinus, die aus dem

PINAKOTHEK IN MÜNCHEN Dom in Brixen stammen und dem Michael Pacher

zugeschrieben werden, an hervorragender Stelle
pine große Kunstsammlung ist wie ein Garten, plaziert wurden. Wichtiger ist, was hinauskam und
der immer wieder der hegenden und pflegenden, besonders, was hereinkam. Hinaus: das mag frei-
beschneidenden und pflanzenden Hand des Gärtners lieh manchen schmerzen. Die italienischen Cinque-
bedarf. Eine Gemäldegalerie darf nicht wild wach- centisten und Seicentisten, die zahlreich verschwan-
sen nach zufälligem Belieben vieler, sie darf auch den, hatten manchen Freund, des Teniers Jahr-
nicht erstarren in dem einmal geschaffenen Zustand, markt vor der Kirche Santa Maria dell' Imprunatac
sondern wie die Kunstgeschichte als eine sehr fluk- gefiel manchem, der nicht wußte, daß die große
tuierende Wissenschaft ihre Urteile immer wieder Schwarte eine Kopie nach einem Callotschen Stich
ändert — auch die alten Meister, die vermeintlich ist . . . Durch das Wegräumen solcher geringer
feststehenden Werte«, unterliegen, wie wir sehen, einzuschätzenden Bilder schaffte Tschudi Luft. Nun
gewissen Revisionierungen —, so muß auch eine konnte er unseren Rubens-Schatz lockerer hängen,
Gemäldesammlung ein lebendiger Organismus blei- den späteren Franzosen, von denen er besonders
ben: wer sie zum »ruhenden Pol in der Erscheinungen Georges de Marees zu schätzen scheint, einen ganzen
Flucht« stempeln will, verkennt ihre Aufgabe, ver- Saal einräumen, Platz gewinnen für die Neuer-
dammt sie zur Erstarrung, Verstaubung . . . Die Werbungen und für die Bilder, die er aus den
Alte Pinakothek in München war bisher ein sehr Filialgalerien in der Provinz hereinnahm. Diese
konservatives Institut: gelegentliche Neuerwer- »Plünderung« der Provinzgalerien, besonders der
bungen, gelegentliche Umhängungen gab's wohl, Augsburger, rief einen Sturm der Entrüstung hervor,
aber alles geschah so sachte, unauffällig und aber bei ruhigem Nachdenken, bei einiger Erhebung
gelinde, daß es kaum der Rede wert war. Mit über lokalpatriotische Sentimentalität wird man zu-
Tschudis Regierungsantritt kam ein neuer Zug geben müssen, daß für Tschudi nicht nur das Recht,
in die Entwicklung der Pinakothek; erst wenige sondern sogar die Pflicht bestand, die Schätze der
Monate ist der neue Direktor im Amt, und Filialen in die Zentralgalerie zu kanalisieren. Aus
schon kann er uns eine stattlich verjüngte, ver- Augsburg kam der köstliche große Tintoretto - Maria
besserte, gesäuberte, an Quantität geschmälerte, an hat das beste Teil erwählt«, das berühmte, kunst-
Qualität unvergleichlich vermehrte Galerie zeigen ... geschichtlich so merkwürdige Stilleben von Jacopo
DieUmhängungen,dieVerbesserungenindemGrund- de Barbari, der sogenannte Lionardo, ein Parmeg-
ton der Säle etc., das ist das geringste, wiewohl es gianino u.a., aus Schleißheim wurden neben anderem
nicht ohne Bedeutung ist, daß die altdeutschen der reizvolle Mädchenakt von Boucher hereingeholt
Meister der Dürerzeit jetzt vor kalkweißem Grund, und das Reiterbild des Olivarez, das bisher dem
dem gotischer Dome gleich, gestellt wurden, daß Velasquez zugeschrieben, von Tschudi jedoch dem
das Mathias Grünewald-Bild vom heiligen Mauritius Mazo vindiziert wird, ferner Stilleben von Jan Fyt,
und Erasmus an besonders prononcierter Stelle Altarflügel von Burgkmaier usf. Auch das National-

ADOLFHENGEL

ER AUS DER KNEIPZEITUNG DER MÜNCHENER ALLOTRIA

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