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Die Kunst für alle: Malerei, Plastik, Graphik, Architektur — 25.1909-1910

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Wiener Ausstellungen - Von Ausstellungen und Sammlungen - Neue Kunstliteratur - Personal-Nachrichten
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https://doi.org/10.11588/diglit.12502#0358

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WIENER AUSSTELLUNGEN

WIENER AUSSTELLUNGEN

pvie Secession fährt darin fort, anstatt die Auf-
*-* merksamkeit durch vielfältig zusammengetra-
genes Kunstgut zu zersplittern, sie lieber auf ein-
zelne Schaffenseinheiten zu lenken. So vereinigt
denn ihre 35. Ausstellung die Werke von nur
fünf, mit einer Ausnahme den österreichischen Län-
dern entstammenden Künstlern. Für den Bildhauer
Ivan Mestrovic hat sich der Gedanke einer Kol-
lektivausstellung als etwas Selbstverständliches er-
geben; er ist aus Paris hierher zurückgekehrt und
weist nun vor, was er in den knapp zwei Jahren,
die ihm neue Anregungen und ein erhöhtes bild-
nerisches Vermögen eintrugen, vor sich gebracht
hat. Daß die französischen Plastiker, denen er dort
nahe trat, und die Kenntnis der Museen nicht ohne
Einfluß geblieben sind, darüber braucht man sich,
gar bei der Jugend des Künstlers, nicht zu verwun-
dern. Aber der Zweck des Aufenthalts in der Fremde
wäre nicht erfüllt, hätte Mestrovic sich in seinem
innersten Wesen irre machen lassen. Davor be-
wahrt ihn die stark persönliche Formensprache, die
ihrerseits wieder in seiner Herkunft aus Dalmatien
wurzelt. Das Phantasieleben des Volkes, das zwi-
schen Berg und Meer haust, und dessen echt er-
haltene Erscheinung in Tracht und Gehaben ver-
leugnen sich kaum je einmal. Gleich die Doppel-
reihe von zwölf Karyatiden, die beim Eintritt in die

j. rippl-ronai dame mit käfig

Ausstellung auf Ungewöhnliches vorbereiten, erin-
nert, von ihrer ähnlichen archäologischen Herkunft
abgesehen, an die Tatsache, daß in Dalmatien die
Frauen ihre Lasten so tragen wie hier die hiera-
tischen Jungfrauen das Gebälk eines Tempelraumes;
auch das starre Gefältel der Kleidung beruht nicht
auf freier Erfindung, sondern ist der Volkstracht
entlehnt. Fragmente für einen Tempel nennt Mestro-
vic jene steilen Gebilde; und Fragmente weiterhin,
als zu einer Gruppe >Die Witwen« gehörig, sind
die mächtigen Gestalten in Trauer und schmerz-
lichem Verlangen sich beugender und dehnender
Frauen. Ueberlebensgroß in den Maßverhältnissen
sind es zudem, wenn man so sagen darf, auch im
Ausdruck von Kampf und Zorn die Männer, gar die
einzelnen Kriegerköpfe. Ein Heros läßt sich aus
dem Gegebenen, denn die Gliedmaßen sind frag-
mentarisch, zu einem apokalyptischen Mäher er-
gänzen. In der Tat: Urweltliches und Geheimnis-
volles hat alles an sich, was man hier in rhapso-
dischen Ausbrüchen als Teile einer großen plasti-
schen Epopöe empfindet, deren Grundmotive Melan-
cholie und Trotz sind. Ihnen entspricht einmal der
weiche und beruhigte Linienfluß in Kompositionen
wie die Erinnerung (anläßlich der vorjährigen
Münchener Ausstellung abgebildet S. 53) und die leider
bloß in Gips vorhandene Gruppe >Mutter und Kind ,
anderseits die übertreibende Steigerung von Physio-
gnomie und Haltung. Mestrovic weiß auch innerhalb
der Wiedergabe des Individuellen eine typische Breite
zu wahren, wie in dem haarumwallten Kopfe eines
lajos mark bildnis im freien blinden Sängergreises und in der knappen Büste eines

Copyright Könyves Kaiman, Budapest dalmatinischen Mädchens. In allerlei Material, das

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