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Die Kunst für alle: Malerei, Plastik, Graphik, Architektur — 26.1910-1911

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Wolf, Georg Jacob: Aus dem Münchner Kunstverein
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AUS DEM MÜNCHNER KUNSTVEREIN

Reinkünstlerisches Schaffen muß die höchste indivi-
duelle Selbständigkeit in der Darstellung aufweisen.

*

Nur wer es versteht, mittels des Kolorits das
Höchste zu leisten, kann das moderne Prinzip in
extrem künstlerischer Weise anwenden.

*

Der mittelmäßig Begabte strebt immer nach Kor-
rektheit; nur das große Talent strebt nach Vollendung.
*

Das Kopfmalen und noch mehr das Händemalen
kann man gewissermaßen als den Parademarsch des
Künstlers erklären; es zeigt das Können und die
Leistungsfähigkeit am sichersten.

*

Nur die Kunst, die sich vom Gegenstand unab-
hängig hält, ist bleibende Kunst. Das hindert nicht,
daß sie einen bedeutenden Gegenstand behandelt;
nur muß dann auch der Hauptnachdruck auf der
reinkünstlerischen Darstellungsweise beruhen.
*

Die zerstörende Zeit nimmt allen Kunstwerken das
Zweckdienliche und daher auch alle laienhafte Beigabe
und reinigt so das Künstlerische vom Laienhaften.
*

Das speziell Künstlerische bei wahrer Vollendung
besteht in der Vereinigung von Detailvollendung und
Harmonie des Ganzen.

wilhelm trobner^im liebesgarte n (1899)

AUS DEM MÜNCHNER KUNSTVEREIN

A lfred Zimmermann, den ein unerwarteter Tod
aus unserer Mitte nahm, hat sein künstlerisches
Werk, das uns in einem Teil der Kunstverein in einer
Nachlaßausstellung zeigt, nicht zur Vollendung führen
können. Was er zurückließ, war ein Fragment, aber
eines von hohem künstlerischen Wert. — Der Weg,
den Alfred Zimmermann zurücklegte, war weit und
nicht ohne allerlei Hemmnisse. Von Lindenschmit
ging er aus: brave Dunkelmalerei, mehr Ton als Farbe,
Neigung zur historischen Genrehaftigkeit. Der Auf-
stieg zu größerer Selbständigkeit führte an den Klas-
sikern vorbei: Velasquez, Murillo, Rubens scheinen
ihm die liebsten gewesen zu sein. Die französischen
und deutschen Impressionisten ließen Alfred Zimmer-
mann nicht unberührt, sie verleiteten ihn zu Ex-
perimenten, aber er experimentierte nicht nach ihren
Rezepten, sondern versuchte es, den gleichen Aus-
gangspunkt wie die Impressionisten nehmend, auf
eigenen Bahnen ein Ziel zu finden. Sicherlich, der
Impressionismus hat Alfred Zimmermann einiger-
maßen verwirrt, seine ganze Art hätte ihn vielmehr
in die Richtung Leibis weisen müssen. Aber er
hätte sich ebenso sicher auch wieder gefunden, wenn
ihn nicht ein vorzeitiger Tod von seinem Werk ge-
trennt hätte. Zimmermanns handwerkliches Können
ist ebenso erstaunlich wie seine Schaffenskraft. Er
produzierte leicht, ohne daß darüber jemals die
Solidität der Malerei zu kurz gekommen wäre. Und
er besaß auch das weiche Herz und das feine Auge,
die — nach Anselm Feuerbach — dazu gehören,
ein guter Maler zu sein. Gleichviel, ob man vor
Zimmermanns geistreichen Radierungen steht oder
vor seinen farbenfrohen Figurenbildern, vor den ein-
drucksvollen Porträts oder den durchsonnten Land-
schaften — man bedauert es, daß dieses Werk seines
krönenden Abschlusses, den der im vollkräftigen
Mannesalter stehende Künstler ihm gewiß noch zu
geben vermocht hätte, entbehren muß.

Der Zimmermann - Ausstellung folgte eine Aus-
stellung „Altwiener Malerei", die der Kunstverein
dem Kaiser Franz Josef zu Ehren, der seit fünfzig
Jahren Mitglied des Münchner Kunstvereins ist,
veranstaltete. Ausgehend von Füger und Lampi
schloß sie mit Makart und Rudolf von Alt ab.
Denen, welche die deutsche Jahrhundertausstellung
in Berlin gesehen hatten, hat diese Ausstellung aller-
dings keine Sensation bereiten können, denn sie gab
im großen und ganzen nur das in analytischer
Breite, was die Jahrhundertausstellung mit sozu-
sagen epigrammatischer Prägnanz und in strengster
Qualitätsauswahl dargeboten hatte. Mit dieser An-
merkung ist indessen kein Einwand gegen die Schön-
heit, Anmut und den Reiz der „Altwiener Aus-
stellung" beabsichtigt. Man freute sich vielmehr
wieder aus Herzensgrund an der Innigkeit und Treue
der Malerei eines Waldmüller und Danhauser, stellte
die hohe Qualität der Bildniskunst Amerlings fest,
und vertiefte sich in die Art der weniger bekannten
Fendi, Jettel, Eybl und M. R. Torna. R. v. Alt und
E. J. Schindler waren nicht ganz vollwertig vertreten.
Dagegen darf die Kollektion A. v. Pettenkofens als
überraschend reichhaltig und gut gepriesen werden.
Alles in allem bot die Ausstellung eine willkommene
Ueberschau über ein interessantes Gebiet deutscher
Kunst- und Kulturgeschichte (vgl. auch unseren illu-
strierten Aufsatz über Waldmüller und Danhauser in
J. 1903 9, S. 201 und über die Wiener Jubiläumsaus-
stellung in J. 1907/8, S. 457). G.J.W.

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