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Die Kunst für alle: Malerei, Plastik, Graphik, Architektur — 28.1912-1913

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Michel, Wilhelm: Edmund Dulac
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https://doi.org/10.11588/diglit.13091#0119

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EDMUND DULAC

Von Wilhelm Michel

r\ie Kunst Edmund Dulacs, obwohl sein Name französischer Her-
*—' kunft scheint, lebt durchaus von dem überlieferten Geschmack
und der hohen Kultur Alt-Englands. Kultur, Geschmack ist hier
alles: das erlesene Tongefühl, die spirituelle, verfeinerte Phan-
tastik, die gepflegte, geistvolle Aquarelltechnik. Es ist eine im
höchsten Maße salonfähige und liebenswürdige Kunst, Beiwörter,
die das Schaffen eines deutschen Illustrators entwerten würden, die
aber hier auf durchaus positive Qualitäten deuten. Salonfähigkeit
heißt hier nicht Zimperlichkeit, Liebenswürdigkeit nicht Flachheit.
Der Geist, der Witz, die verfeinerte Empfindung der großen Welt
sind hier gegenwärtig; die Ironie feiert ihre Triumphe und mit
ihr verbindet sich gerade soviel freundliche Sentimentalität, als
dem Märchenerzähler unbedingt vonnöten ist.

Märchenerzähler ist Dulac von Grund aus, das bedeutet: er hat
wirklich die Leidenschaft fürs Erzählen. Wir haben ja in der Kunst
gerade die Zeiten hinter uns, in denen jede Art des Erzählens
für unkünstlerisch galt, offenbar, weil man die Gebiete der Illu-
stration und der reinen Malerei nicht genau genug zu scheiden
wußte. Dulac zeigt sich von dieser Verachtung für das Gegen-
ständliche nicht im mindesten irritiert. Er schränkt sich in der
ILegel auf ganz konkrete Textstellen ein und holt dann aus diesen
ganz bestimmten Situationen alles an zeichnerischem und male-
rischem Reize heraus, was ihm zugänglich ist. Mit einer genieße-
rischen Behaglichkeit, die keine Eile und keinen „Künstlerhochmut"
kennt, malt er diese kleinen Augenblicksbilder aus, und gerade
das gibt seinen Zeichnungen die epische Stimmung, die holde
Märchenlaune. Zwar liegt das Schwergewicht bei ihm stets auf
der Kontur, aber das hindert ihn nicht, der Malerfreude an den
kleinsten Lichtbrechungen auf zarten, durchsichtigen Mädchen-
wangen, auf zerknitterten Seidenstoffen vollauf Genüge zu tun.
Die farbige Struktur seiner Blätter ist im Grunde genommen ein-
fach; schwach belichtete Situationen sind stets auf ein nächtiges
Blau, andere auf jenes lichte Braun gestimmt, das wie ein weiches
Bett alle Farben gefällig aufnimmt und jedem Tone der Palette
einen günstigen Untergrund sichert. Eben mit dem hervorragen-
den Tongefühle, das ihn auszeichnet, hängt seine Vorliebe für ge-
brochene Farben zusammen, die besonders an den stillebenhaften

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; Kunst ftlr Alle XXVIII. 5. 1. Dezember 1912

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