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Die Kunst für alle: Malerei, Plastik, Graphik, Architektur — 28.1912-1913

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Rohe, Maximilian Karl: Bewegungen in der neueren Malerei und ihre Ansichten
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https://doi.org/10.11588/diglit.13091#0332

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( gebungen veranlaßt werden, die dem naiven mit den „Grundelementen" davon. Irgendwo

) Betrachter zunächst als völlig unverständlich waren auch noch die Ideen Picassos auf ge-

\ und darum als höchst neuartig erscheinen, legentliche Aeußerungen Carrieres zurückge-

J Als Exempel zu Fall eins mag für die neuere führt, der schon ähnliche Probleme erwogen

) Malerei etwa Manet angezogen sein, der, obgleich haben soll. Inwieweit letzteres zutrifft, ver-

) höchstens Mitbegründer der Impressionisten- mag ich augenblicklich nicht zu entscheiden,

^ schule, uns doch als ihr organisierendes Haupt plausibler erscheint es mir aber, daß Picasso

i erscheint, da er neben seinen schöpferischen an Cezanne anknüpft, der in fortschreitender

1 Qualitäten vor allem auch über stark methodi- Entwicklung seines künstlerischen*Fühlens und

( sehen Sinn und Lehrtrieb verfügte und außer Empfindens mehr und mehr zu einer zweidimen-

) durch sein Beispiel durch fortgesetzte münd- sionalen Umwertung räumlicher Eindrücke ge-

) lieh und schriftlich gegebene Erläuterungen drängt wurde und von dem auch verschiedene

) auf den Kreis der ihm Nahestehenden ein- Aussprüche bekannt geworden sind, die auf ein

) zuwirken suchte. Hingegen sehen wir gerade Aufdämmern der Erkenntnis von Methoden

) heute wieder vielerorten Beispiele für Fall schließen lassen, die diesen Umwertungspro-

' zwei und da unter ihnen ein paar wahre Schul- zeß zu einem ganz bewußt und exakt vor-

j beispiele zu entdecken sind, mag deren Be- genommenen werden zu lassen dienlich sein

trachtung nicht ohne einigen Nutzen für die konnten.

Erkenntnis der gesamten Lage der heutigen Lehrreich ist nun zu sehen, wie Picasso

) Malerei sein. hier weiter zu bauen sich anschickt. In einem

) So spricht und schreibt man beispielsweise Vorgehen recht subjektiver und abstrakter Form

) viel über jene neuere Bewegung in der Malerei, klappt er in Arbeiten der geschilderten Art

) die man als den „Kubismus" bezeichnet. Als die Flächen eines kubischen Gebildes einfach

j Anreger dieser Richtung gilt vielen ein in in die Ebene auf, als ob es sich um die

J Paris tätiger Spanier, Pablo Picasso, und mehr Lösung gewisser Aufgaben aus der darstellen-

( als alles andere haben Arbeiten aus seiner den Geometrie handle und in völliger Ver-

i letzten Entwicklungsphase die Köpfe in Ver- nichtung jeder Erscheinungsform legt er dann

( wirrung gesetzt und Anlaß geboten zu leb- weiterhin noch in seinen „Kompositionen" diese

) haften Kunstdebatten. Diese, seine Arbeiten, Flächen höchst willkürlich so aus- und neben-

5 mit denen sich bekannt zu machen man heute einander, daß ein sehr mystisches Gebilde

) ja an allen Zentren des modernen Kunstlebens entsteht, so etwa, als ob man sich einen Gegen-

) genugsam Gelegenheit hat, erinnern ihrem stand durch ein polyedrisch geschliffenes Glas

/ ersten Eindruck nach etwa an mit Farben hindurch angesehen und diesen verzerrten

überzogene Figurentafeln aus Lehrbüchern der Eindruck wiedergegeben hätte(Abb. S. 304). Nun

I Flächengeometrie und man zerbricht sich nicht läßt sich nicht leugnen, daß gerade das „Dunkle",

\ wenig den Kopf darüber, was ihr Autor eigent- das dergleichen Arbeiten an sich haben, etwas

( lieh damit meint. In ihnen liegen jedoch Stimulierendes und die Phantasie Anregendes

) nicht die alleinigen Manifestationen dieses besitzt, so etwa wie es bei der „Dunkelheit des

) Künstlers vor, sondern er hat früher ganz Grundes" mancher Dichterwerke der Fall ist,

) allgemein verständliche Bilder zur Schau ge- aber man soll doch die Kirche beim Dorf

) stellt, die in der Qualität allerdings unter- lassen und nicht von „Offenbarungen eines

( schiedlich waren, eine starke Empfänglichkeit Genius" faseln, wo es sich im letzten Ende

; für Eindrücke von allen möglichen Seiten her nur um eine mit Hilfe wissenschaftlich und

I bekundeten, aber durchaus das Bild einer be- logisch höchst problematischer Schlüsse ins

) deutenden, ungemein empfindungsvollen Ver- sinnlos Abstrakte, ja Groteske getriebene

( anlagung hinterließen. und die Grenzen objektiver Erfassungsmöglich-

j In Schriften nun, die die Bestrebungen der keit weit überschreitende Verzerrung einer

) neueren Kunst kommentieren, habe ich Ver- von Haus aus vielleicht ganz gesunden und

) suche zur Ausdeutung der „kubistischen" Ex- fruchtbaren Idee handelt. Denn dies ist der

| perimente Picassos gefunden und gelesen, daß Unterschied zwischen dem wahrhaft genialen

1 Picasso eine Uebersetzung der räumlichen Menschen und seinem theoretisierenden Epi-
t Erscheinungsform der Objekte in einen male- gonen: der erstere gewinnt seine neue Form
( rischen Flächenstil anstrebe und dabei mehr als notwendiges Korrelat einer gesteigerten
!\ und mehr der absoluten Malerei zustrebe, d. h. inneren Anschauung und sie bleibt, wenn
J einer Malerei, die auf alles noch Gegen- auch nicht sofort allen verständlich, so doch
J ständliche überhaupt verzichtend, lediglich mehr unter allen Umständen immer sinnvoll und
0 mit gewissen Bestandteilen von Form und organisch, während der letztere von der leeren

2 Farbe operiert, im Falle Picasso nur mehr Form ausgeht und mit ihr mehr oder min-

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