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Die Kunst für alle: Malerei, Plastik, Graphik, Architektur — 29.1913-1914

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Weber, Leopold: Erinnerungen an Albert Welti
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https://doi.org/10.11588/diglit.13092#0184

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ERINNERUNGEN AN ALBERT WELTI*)
Von Leopold Weber

I

I

m Jahre 1891 war ich unter den graphischen streckt, trat er auf uns zu mit leisem Lächeln,
Werken im Münchner Glaspalast auf eine mit hellem, freundlich zutraulichem Blick; mitten
seltsame Radierung gestoßen: ein Knaul Men- unter die Fremden, als wären's lauter alte liebe
sehen stürmt in wildem Durcheinander auf der Bekannte, Menschen, warmherzig und offen wie
Glücksjagd dem goldspendenden Eselnach; der er, und nicht zweifelhafte Angehörige jener
trottet hochgehobenen Schwanzeshinter der Kut- „mechanten Rasse", von denen immer einer
sehe der eleganten Glücksgöttin mit dem Mopse mehr haben und mehr sein möchte als der andre,
im Schoß und dem Sonnenschirm in der Rechten Da ward mir, als spürte ich im Qualm und Bier-
(Abb. S. 164/165). Ganz verdutzt stand ich davor: dunst der Wirtsstube plötzlich etwas von jenem
wie unmittelbar, wie leidenschaftlich bei allem Wehen, unter dem das Eis knackend aufgeht
krausen Humor, sprach hier jedes Gesicht, über den Bächen . . . Hinter ihm drein aber
jede Bewegung, jeder Strich von einem inneren schritt einer mit schnurgradem Scheitel mit-
Erleben. Nicht weit davon hing das Selbst- ten durch die pechschwarzen Haare, ein
bildnis des Künstlers, darauf wies mich sein „großes Tier" unter den malenden Leuten, der
Landsmann Ernst Kreidolf: es zeigte einen klopfte ihm herablassend auf die Schulter,
heilockigen, schlanken, stramm aufrechten „Sind Sie der Albert Welti? — freut mich:
jungen Mann mit langgezogenem Schnauz, Ihre Nebelreiter und Ihre Hexen haben mich
ernsten Blickes hinter der Brille, den Radier- interessiert." Welti aber stand treuherzig-ver-
stichel in der Hand: Albert Welti. schämt da und ließ sich strahlenden Auges
Dann sah ich anno 96 in der Sommeraus- seine Ursprünglichkeit belobigen von der Zivili-
stellung der Secession seine „Mondnacht": sation im Stehkragen.
eine Frau auf breitem Ehelager schaut über Seit der Zeit verkehrten wir miteinander,
den schwarzzottigen Schnarcher an ihrer Seite Er hauste damals in der Nymphenburger-
hinweg sehnsüchtig durchs offne Fenster in die straße 101, in den oberen Stockwerken des
helle Nacht, dort stößt der Geliebte ihrer Mäd- kleinen Häuschens, das dem Kupferstecher
chenjahre,hochzuRoß, Schultheiß gehörte,
am Hügelwalde ins m&\ ^ ^"^LJI^sjSRSi ^ort DeSrußte einen
Horn (Abb. Dezember- ^|"»'^'^ meist schon im Gang
heft 1909). mit ihrer hellen, kräf-
Balddarauf,im Spät- | tigen Stimme sein jun-
herbst, lernte ich Welti ges Weib, eine statt-
persönlich kennen. Er JsJ&0Gs9$tP ^ % liehe, blauäugige, blon-
trat aus dem Neben- flEPi^lsP de Bernerin, rnittel-
zimmer einer Wirt- ul^^^^l gr°ß; in einfachem
schaft heraus, wo die - ,. ' J%L Hauskleid mit bloßem
hiesigen Schweizer Hals und offenen Ar-
Künstler sich versam- men — eine Tracht,
melt hatten. Ja, das f >V die ihrem freien, ra-
war er, wie ich ihn /S f sehen Wesen besser
aus dem Selbstbildnis «£3t%k. anstand, als städtische
kannte, nur ein wenig ,-y ^^^^W^^^^Ktt Moden; im Atelier
älter, Haar und Bart -ff'K. schwang der Meister
mehr naturmenschen- - ; fröhlich den langen
artig verwildert, und ^^ij^TKlV^t^^^^^gBw ^-D*** Arm hoch zum Will-
der forschende Ernst J kommen; und alsbald
des Auges, der mir —■• wBt tauchte unter Stuhl-
dort entgegengesehen, - 4B. beinen oder zwischen
der fehlte: die Hand - yX- "^jP^BB/t^ 1|\ Kisten auch der zwei-
weither entgegenge- '/' ~:'**t^£h^~ jährige Bub auf mit
Z~TTI . .,, 'v^t ^d^en^^^F seinem großen buschi-
*) Siehe auch unseren illu- -----m---~»-g>
strierten Aufsatz über Welti in .mciirwciTi cct Dcrmi nuic i7ciru»n»f, gen Kopf, immer in
Jahrgang 1909/10, Dezember- ALBERT WELTI SELBSTBILDNIS (ZEICHNUNG) & * '
heft Original im Besitz des Museums in Basel Bewegung auf Phanta-
Dis Kunst für AU« XXIX. j g [ 21
 
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