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Die Kunst für alle: Malerei, Plastik, Graphik, Architektur — 30.1914-1915

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Ostini, Fritz von; Hengeler, Adolf [Ill.]: Aus einem Tage-Buch: 1914; von A. Hengeler
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https://doi.org/10.11588/diglit.13093#0189

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AjselnemTäge-ßuch

Wer Adolf Hengeler kennt, der weiß: eine Auslese aus diesem farbigen Tagebuch,
er gehört zu jenen Künstlern, für die deren Ertrag nur zur Milderung von Kriegs-
Schaffen ein Müssen aus tiefstem Zwang der not verwendet werden soll, im Verlag von
Seele heraus bedeutet, denen es Glück und Inhalt Carl Schnell, München, herauszugeben. Die
des Lebens ist. So schlägt sich auch jedes Zeichnungen erscheinen in Mappen von je sechs
seinerinneren und äußeren Erlebnisse in Werken Blättern unter dem Titel „Aus einem Tage-
nieder, die durchaus nicht immer als Bilder buch 1914" und bis jetzt sind drei solcher
in Goldrahmen der Welt bekannt werden, son- Mappen herausgekommen. Sie haben schnell
dem sehr oft, nur zu des Künstlers eigener einen großen Kreis von Abnehmern gefunden,
Freude entstanden, still in die Mappe gelegt, sowohl um der glänzenden Einfälle willen, die
oder in den Winkel gestellt werden. Als nun dem, um das Schicksal seines Volkes heiß
im letzten Hochsommer der Krieg losbrach erregten Künstler der Augenblick eingegeben
und eine Meute von Staaten über Deutschland hat und die durch eine kräftige und klare Sinn-
herfiel, ihm die Früchte seiner Kultur und bildlichkeit den Nagel immer auf den Kopf
seines beharrlichen Fleißes zu rauben und treffen, als auch wegen des hohen Wertes der
Elend und Ohnmacht über unser friedliebendes Zeichnungen selbst. Zudem ist es eine be-
Kulturvolk zu bringen, ergriff ein heiliger Zorn sondere Eigentümlichkeit von Hengelers Bunt-
über alle die Schandtat und Tücke auch den stifttechnik, daß diese sich im autotypischen
Maler Hengeler. Die Ruhe zu einem behag- Vierfarbendruck geradezu vollkommen wieder-
lichen Schaffen fand der nicht mehr, dessen geben läßt. Wer Gelegenheit hatte, mit einer
ureigenstes Gebiet sonst das malerische Idyll solchen Wiedergabe das Urbild zu vergleichen,
ist—seit dem 1. August hat er keinen Pinsel wird in Verlegenheit gewesen sein, jene von
mehr in Oelfarbe getaucht. Aber seinen Groll diesem zu unterscheiden. Was mit leichten
wie seine Liebe mußte er sich doch von der Strichen gezeichnet ist, kommt auch leicht und
Seele arbeiten und so griff er zum Buntstift körperlos heraus und wo der Künstler mit
und entwarf — zunächst nur für sich — eine seinenFarbstiftenkräftigeDrucker-undSchatten-
Fülle satirischer und allegorischer Blätter, die töne erzeugte, ist durch das Uebereinander-
sich auf die Entstehungsgeschichte des Welt- drucken der vier Platten auch wieder eine
krieges und auf dessen einzelne Ereignisse Tiefe erreicht, in der man den eigentümlichen
bezogen. fetten Glanz der Oelkreidestifte zu erkennen

Die Buntstifttechnik, die er da anwandte, vermeint,
hatte er für sich zu anderen Zwecken längst Das erste Blatt in der Reihe heißt: „Michel
zu reizvoller Eigenart entwickelt, zu der Fähig- und seine Nachbarn". Da steht der Michel
keit, mit wenigen Strichen viel zu sagen und auf seinem wohlgepflegten Grunde und be-
mit geringem Aufwand von Farben — mehr arbeitet einen Acker. Ein stachliger Zaun
als fünf oder sechs Stifte sind selten ver- trennt ihn vom Nachbarlande zur Linken, aus
wendet — eine ganz merkwürdige, oft prickelnde dem der rote gallische Hahn tückisch herüber-
Art von Farbigkeit zu erzielen, bald kräftig blickt; zur Rechten steigt über einer Wetter-
und heiter zu sein, bald wieder eine feine, wölke, drohend, mit gierig geöffnetem Rachen
zurückhaltende, harmonische Tönung zu finden, der russische Bär auf. Im Hintergrunde sieht
die oft gar nicht weit über Schwarzweiß hin- man das Meer und jenseits von ihm sitzt
ausgeht und doch im Ausdruck um ein Gutes zwischen seinen Goldsäcken John Bull, mit
reicher ist. dem Fernrohr neidisch herüberguckend auf
So entstanden bis jetzt wohl an hundert Michels Wohlstand. Zweites Blatt: „Der Feuer-
Blätter, entstanden aus dem Zorn oder der herd Europas". Der Dämon des Krieges mit
Begeisterung des Augenblicks heraus, nicht der Fackel, zum Verderben bereit im Hinter-
für Zwecke irgend einer Veröffentlichung, gründe, vorne die elende Hütte Serbien, aus
Schließlich aber ließ sich der Künstler bewegen, der schon der Brand raucht — das Blatt trägt

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