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Die Kunst für alle: Malerei, Plastik, Graphik, Architektur — 30.1914-1915

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Roessler, Arthur; Štursa, Jan [Ill.]: Jan Stursa
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JAN STURSA

Von Arthur Roessler

Eine zu wenig beachtete, weil von den meisten
Menschen, auch von vielen der Kunst-
liebenden, nicht erkannte Tatsache ist es, daß
die Mehrzahl der Menschen, die sich künst-
lerisch betätigen — keine Künstler sind. Die
Tätigkeit der meisten Maler und Bildhauer hat
nichts mit dem wahren ursprünglichen künst-
lerischen Scharfen zu tun, ist vielmehr im
Wesentlichen eine Beschäftigung mit dem er-
erbten Vorrat an künstlerischen Ergebnissen,
den sie vorhanden finden, und aus dem sie
sich mit verhältnismäßiger Leichtigkeit das für
ihre Zwecke Brauchbare heraussuchen, um es
anempfindend, nachahmend und umgestaltend
immer wieder als ihre Kunst hervorzubringen.

Andere, schon die Minderzahl, sind ernster
und ehrlicher um die Kunst bemüht, erreichen
sie aber auch nicht, weil sie ihr von außen
mit Verstand und Geschicklichkeit nahe zu
kommen trachten. Die bildende Kunst stellt
die Dinge jedoch nicht dar wie sie sind, son-
dern wie sie wahrgenommen werden, und
zwar wahrgenommen nicht bloß sehsinnlich,
sondern auch seelisch. Erst dann, wenn wir
vor einem künstlerischen Gebilde stehen, das
zweifellos aus dem Wollen und dem Drang
hervorging, die Erscheinung rein aus dem
Sehen, das als Anschauung gemeint ist, heraus
zu gestalten, haben wir es mit echter Kunst,
dem Werk eines echten Künstlers zu tun.

Mit der wahren künstlerischen Gestaltung
kann demnach nicht die Handwerksfertigkeit
gemeint sein, die das Natürliche möglichst
getreu, wie es von den meisten Menschen in
der sogenannten Wirklichkeit gesehen wird,
darzustellen trachtet und das Abbild an als
bewährt überlieferten mehr oder minder dog-
matischen Begriffen kontrolliert, sondern die
Herausarbeitung der von allen andern Interessen
und Vorstellungen frei gehaltenen Form des
Erschauten. Aus dem Vorhergesagten ergibt
sich, daß die Wertung eines Kunstwerkes nicht
von außen kommen kann, etwa durch Ver-
gleichung mit einem Naturgebilde und dem
Aehnlichkeitsverhältnis zu diesem, wie viele
Leute, darunter auch an der Kunst tätig sich
versuchende und abplagende, wähnen, — sie
muß vielmehr aus dem Kunstwerk selbst her-
vorgeholt, gewonnen werden, und zwar auf
Grund der empfindungsgemäßen Erkenntnis
seiner inneren organisch bedingten Ausge-
glichenheit.

So ist auch der Inhalt der von Jan Stursa,

einem wirklich schöpferischen Bildner, ge-
schaffenen plastischen Formen nicht etwa in
sprachlicher Form, also gedanklich, begrifflich
vorhanden gewesene Dinglichkeit, sondern zu
plastischen Daseinsformen verdichtete Empfin-
dung, Anschauung. Zum Verständnis seiner
Werke ist eigentlich nichts beigetragen, wenn
man sie in Worten zu umschreiben versucht,
denn umfaßt werden müssen sie durch den
die Form abtastenden und umfassenden Blick.
Plastik ist das von Stursa Geschaffene, und
nur Plastik, in Kunstformen umgewandelte
Daseinsformen, körperhaft, rund empfunden
und gesehen, und wieder nur so zu empfinden
und zu sehen. Früher einmal hat es wohl
auch Stursa eine Zeit lang gefallen, intellektuelle
Gymnastik zu treiben. Er überschätzte da-
mals das Denken als Mittel, sich des Seins
zu bemächtigen, und war unersättlich gierig
darauf erpicht, seinen Bewußtseinsinhalt nach
Möglichkeit denkend zu bereichern. Später
erkannte er jedoch, daß dem Denken eben
trotz alledem ein von ihm unabhängiges Sein
gegenüber bestehen bleibt, und jetzt gilt ihm
das Denken nur noch als eine der verschie-
denen Formen des Seins. Ob ihr Wert ein
höherer als der anderer Formen ist, dünkt
ihm eine Frage, die jeweils vom individuellen
Standpunkt aus beantwortet werden muß; er
seinerseits fand sich bestimmt, der seinem
Wesen allein gemäßen Form der Plastik den
Vorzug zu geben.

Was sich daher in den knappen Zeilen eines
Begleittextes zu der Wiedergabe einiger seiner
Plastiken über ihn sagen läßt, mag das Folgende
sein.

Starke Art erbt ins Geschlecht. Wir sehen
darum auch die kraftvolle Gesundheit des
ländlichen Mährers in Stursa als zum künst-
lerischen Empfinden und Gestalten gesteigerte
und verfeinerte Fähigkeit wirken. Jan Stursa
schafft, wie der echte Künstler es muß. Es
hat ihn dies, was nicht verwunderlich ist, mit
den tschechischen Pragern, die ihn sich ver-
pflichten wollten und die die dazu tauglichen
äußeren Mittel an der Hand haben, da sie es
sind, die über die Macht verfügen, Aufträge
zu öffentlichen Kunstdenkmälern für ihre Stadt
zu vergeben, in Widerstreit gebracht. Seine
plastischen Figuren waren ihnen nämlich zu
wenig — slavisch! Stursa will zwar gerne
Werke schaffen, die dem Volke, dem er selbst
entstammt, gehören, von ihm verstanden und

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