Universitätsbibliothek HeidelbergUniversitätsbibliothek Heidelberg
Hinweis: Ihre bisherige Sitzung ist abgelaufen. Sie arbeiten in einer neuen Sitzung weiter.
Metadaten

Die Kunst für alle: Malerei, Plastik, Graphik, Architektur — 34.1918-1919

DOI Artikel:
Franz Metzner - Wilhelm Lehmbruck
DOI Seite / Zitierlink: 
https://doi.org/10.11588/diglit.13748#0320

DWork-Logo
Überblick
loading ...
Faksimile
0.5
1 cm
facsimile
Vollansicht
OCR-Volltext
FRANZ METZNER f

WILHELM LEHMBRUCK +

FA er Tod hält unter den Künstlern Berlins reiche
Ernte. Nachdem erst kürzlich vom Ab-
leben der Maler Martin Brandenburg und Hugo
Krayn und des Bildhauers Tuaillon berichtet wer-
den mußte, ist jetzt der Tod der beiden Bildhauer
Franz Metzner und Wilhelm Lehmbruck zu melden.
Mit beiden Künstlern verliert nicht nur Berlin,
sondern die moderne deutsche Kunst zwei mar-
kante Persönlichkeiten, einen reifen Meister und
einen zukunftsfrohen Werdenden.
Metzner, ein Deutschböhme von Geburt, der
im 48. Lebensjahre stand, ist aus dem Handwerk
hervorgegangen. Als Steinmetz machte er sich
frühzeitig mit dem Material gründlich vertraut,
in dem er später seine besten Kunstwerke ausge-
führt hat. Er kam bald nach Berlin, wo er nach
harten Jahren langsam Anerkennung fand, und
wo er dann mit dem Architekten Bruno Schmitz
zusammenarbeitete. Nachdem er kurze Zeit in
Wien gewirkt hatte, siedelte er vor wenigen Jah-
ren wieder nach Berlin über. In der damals unter
Lovis Corinths Führung entstandenen „Berliner
Secession“, die sich von der alten Berliner Seces-
sion losgelöst hatte, nahm er eine führende Stel-
lung ein.
Aus der Zeit, da Metzner mit Bruno Schmitz
zusammenarbeitete, stammen der plastische
Schmuck für das Berliner Weinhaus „Rheingold“
und die Kolossalfiguren am Leipziger Völker-
schlachtdenkmal, die seinen Namen in den weite-
sten Kreisen bekannt gemacht haben. In den
letzten Jahren arbeitete Metzner mit dem Berliner
Architekten Oskar Kaufmann zusammen. Der
plastische Schmuck an dem riesigen Volksbühnen-
haus am Bülowplatz und an dem kleinen „Cines“-
Theater am Noliendorfplatz sind die feinsten
Ergebnisse dieses Zusammenwirkens. In Metz-
ners Heimat stehen Denkmäler, in Prag, Teplitz,
Reichenberg, Linz und an anderen Orten.
Obgleich Franz Metzner zu Kaiser Wilhelm II.,
der sich den Figuren am Leipziger Denkmal ge-
genüber ostentativ ablehnend verhielt, persönlich
nicht die geringsten Beziehungen hatte, ist auch
er ein typischer Vertreter der ins ausschweifend
Große und Effektvolle gerichteten wilhelminischen
Ära gewesen. Der Deutschböhme hatte sich bei
uns so gut akklimatisiert, daß auch er von der
neuberlinischen „Großmannssucht“ befallen wurde.
Als Metzner vor Jahren seinen wuchtigen und
sehr persönlichen Monumentalstil fand, der auf
vereinfachte breite Flächen- und knappe Umriß-
wirkung ausging, da war das eine geniale Ein-
gebung gewesen. Leider besaß er nicht die innere
Größe, nicht die große Art der Anschauung, um
ständig die massigen Gestalten mit Kraft und Leben
erfüllen zu können. Und so wirken viele seiner
muskulösen Männer, denen man die Stärke nicht
glaubt, lediglich barock und manieriert. Dies fiel
besonders bei Einzelfiguren auf, die man in Aus-
stellungen in der Nähe betrachten konnte. Am
Bauwerk selbst ordneten sich die Reliefs und Frei-
plastiken sehr fein dem Gebäude ein und belebten
die Fläche und den Umriß mit ihrer verhaltenen
Liniensprache und den wirksam verteilten Licht-
und Schattenpartien in ausgezeichneter Weise.

Wahrhaft groß und monumental war Metzner oft
in seinen Kleinplastiken. Die Art, wie hier eine
bestimmte seelische Stimmung in einer kleinen,
ausdrucksvoll belebten Gestalt zusammengeballt
war, wie hier die einfachen und doch lebensvoll
bewegten Gebärden und Formen nicht das Ergeb-
nis einer geläufigen Manier, sondern eines kon-
zentrierenden Schöpfungsprozesses waren, erhob
die äußerlich anspruchslosen Werke über viele
seiner bekannteren Großplastiken. Außer Bildnis-
köpfen, die bisweilen unter einer allzu bewußten
und absichtlich „monumentalen“ Stilisierung litten,
stellte Franz Metzner gelegentlich auch den Torso
eines Aktes oder andere plastische Studien aus,
die größere Naturnähe als seine üblichen anderen
Arbeiten aufwiesen. Die strengen und ernsten
Werke ließen stärker als alles andere seine unge-
wöhnlichen bildnerischen Fähigkeiten erkennen
und verrieten immer wieder von neuem die Hand
eines Meisters.
Obgleich Wilhelm Lehmbruck nur zehn Jahre
jünger als Metzner war, hat man bei diesem
Rheinländer das Gefühl, es mit dem Vertre-
ter einer durch einige Jahrzehnte getrennten
Generation zu tun zu haben. Lehmbruck gehörte
zum Sturmtrupp der Expressionisten in Deutsch-
land. Vor zehn Jahren stellte er zuerst mit den
Malern aus dem Kreise der „Brücke“ seine Pla-
stiken bei uns aus. Vorher war er in Paris tätig
gewesen, wo er sogar einigen künstlerischen Er-
folg errang. Schwere Jahre des materiellen und
künstlerischen Ringens sind aber auch ihm, der
in der letzten Zeit allenthalben Anerkennung
fand, nicht erspart geblieben. Vor einigen Wo-
chen erhielt er, ebenso wie Metzner, die Be-
rufung in die Berliner Akademie. Sein schon
an sich bedauernswerter Tod — er schied frei-
willig aus dem Leben — wirkt daher um so
tragischer.
Wilhelm Lehmbruck erregte zuerst mit hoch-
gereckten Freifiguren Aufsehen, die steil und starr
stilisiert sind wie gotische Skulpturen, die aber
dabei mit differenzierten Empfindungen und Ge-
fühlen erfüllt sind. Die Art, wie eine Hand, wie
ein Kopf fein und zart behandelt sind, rückt diese
eigenwilligen Gebilde weit von den rohen und
gewaltsamen Produkten der Auch-Expressionisten
ab. Die Fähigkeit, sich in Menschen einfühlen
zu können, und eine leichte, sichere Hand, die die
unmerklichsten Regungen noch auszudrücken und
zu formen vermochte, machten Wilhelm Lehm-
bruck zu einem guten Porträtisten. Auf dem Ge-
biete der Bildnisplastik hat er mit seine feinsten
Werke geschaffen. Auch als Zeichner und Radierer
leistete er Vorzügliches, indem er Bilder schuf,
in denen der Ausdruck eines Kopfes und schöne
Bewegungsmotive mit empfindsamenStrichen rasch
und sicher Umrissen sind. Obwohl der 38 jährige
Künstler ein relativ reiches Werk hinterläßt,
hat man doch das Gefühl, daß er das Wichtigste
erst noch schaffen wollte. In der Richtung des
Ausgleiches zwischen der heftig erregten und ge-
streckten Form und ihrem zarten, bisweilen fast
feminin anmutenden seelischen Gehalt lag seine
weitere Entwicklung vorgezeichnet.
 
Annotationen