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Die Kunst für alle: Malerei, Plastik, Graphik, Architektur — 35.1919-1920

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Plietzsch, Eduard: Leo von König
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https://doi.org/10.11588/diglit.14153#0308

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LEO VON KÖNIG

BEIM FRÜHSTÜCK

LEO VON KÖNIG

Vor einigen Monaten veranstaltete die „Ber-
liner Secession" eine Bildnisausstellung, die
Werke aus den letzten sieben Jahrzehnten ent-
hielt. Große kunsthistorische Entdeckungen
wurden bei der Gelegenheit nicht gemacht, aber
in einer Hinsicht war die Ausstellung doch
recht lehrreich. Sie zeigte den fundamentalen
Unterschied, der in der Auffassung und Ge-
staltung des Bildnisses zwischen den heutigen
Malern und jenen Porträtisten besteht, die vor
zwei Menschenaltern tätig gewesen sind. Vor
den älteren Bildnissen stand der Betrachter
ganz unter dem Eindrucke der Persönlichkeit
des Dargestellten. In dem Bestreben, das
Modell streng sachlich wiederzugeben, gingen
die älteren Maler so weit, ihre künstlerische
Individualität nach Möglichkeit zu unterdrüc-
ken. Die Porträts unterschieden sich eigentlich
nur durch die Grade des malerischen Könnens

und durch feinere Nuancen der einzelnen „Hand-
schriften" voneinander. Kam man dann in die
Säle, die den lebenden Bildnismalern einge-
räumt waren, so bot sich dem Betrachter mit
einem Schlage ein ganz anderes Bild dar. Den
meisten Künstlern schien das Porträt nur ein
Anlaß zu sein, sich mit Problemen des maleri-
schen Stils auseinanderzusetzen; man hätte
vor den Bildnissen einen Laien vortrefflich über
das Wesen der akademischen Malweise, über
die Absichten der Impressionisten oder der
neuesten Malergeneration aufklären können.
Porträtähnlichkeit im realistischen Sinne war
oft nicht einmal angestrebt worden; die Maler
sprangen mit dem Modell höchst souverän um
und stellten ihr persönliches Erlebnis dar. Sie
verfuhren so, wie es die großen Bildnismaler
immer getan haben, denn der paradoxe Satz,
daß ein guter Porträtist stets sich selbst por-

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