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Die Kunst für alle: Malerei, Plastik, Graphik, Architektur — 37.1921-1922

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Kurth, Willy: August Gaul
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https://doi.org/10.11588/diglit.14154#0145

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AUGUST GAUL f

Er war im wahrsten Sinne ein Meister. Was er
schuf, mußte so sein; eine andere Lösung gab
es nicht. Aufgabe und Vollendung glichen einem
organischen Wachstum. Das moderne subjektive
Ich trat zurück; so war er im alten Sinne Meister.
Stein und Bronze waren ihm Keime, die Form
ihre Blüte. Und was dazwischen lag, war aus-
gefüllt nicht vom Wollen, sondern vom Müssen,
vom Dienen. Des Menschen Wesen lag in des
Künstlers Tun. Seine einfache Natur folgte willig
der anderen größeren Natur. Ein Glauben ver-
band ihn mit der Schöpfung. Mehr als der Mensch
mußte somit das Tier ihm wesentlich sein, schaltet
seine Gestaltung doch mehr als des Menschen-
ebenbild alle Sehnsüchte und Visionen aus und
fordert Hingabe.

Ein Zufall führte ihn zu seiner Bestimmung.
Als der Schüler im Atelier Calandrellis in Berlin,
wohin der am 22. Oktober 1869 in Groß-Auheim
bei Hanau geborene Künstler kam, 1876 bei der Ver-
losung eine Freikarte für den Zoologischen Gar-
ten in Berlin erhielt, war sein Stoffgebiet abge-
grenzt. Als das in der Schule Reinhold Begas
gefestigte Können und Talent in Italien im Marees-
Hildebrand-Kreis die Richtung auf das Einfache
und Große empfing, war der Stil des Künstlers
gefunden. Aus dem Pathos der Löwen des Kaiser-
Wilhelm-Denkmals in Berlin wurde die wunder-
volle einfache Welt seiner Tiere. Wie eine große
Familie erscheinen sie uns, nur durch Formen,
kaum durch Wesen geschieden. Sein stiller Sinn,
seine unbestechliche Liebe zur Aufrichtigkeit und
Wahrhaftigkeit kannte zwar nicht die unheim-
lichen Dämonien des Elementaren, fuhr aber
ebenso gefestigt bei den Klippen der falschen
Tiersentimentalität vorbei. In dem Formenmaß der
ägyptischen Tierbildnerei war das Streben seiner
reinen Stilkunst einbeschlossen. Und immer erneute,

immer geliebte Naturnähe hielt ihn von jedem hi-
storisierenden Stilarchaismus zurück. Sein Wollen
war sein Können. Diese Ausgeglichenheit gab sei-
nen Schöpfungen den Charakter des Klassischen.

Er hatte sich gefunden, als er 1901 in der Ber-
liner Secession eine große bronzene Löwin aus-
stellte. Drei Jahre später folgte der Löwe, der
heute vor der Nationalgalerie steht. Die Form
war hier nicht mehr wie in den Löwen des Kaiser-
Wilhelm-Denkmals Motiv, sondern Gestalt und
Wesen geworden. Wie wäre seine Kunst für den
Platz bestimmt gewesen; doch hat die Zeit ihm
nur wenige monumentale Aufgaben gestellt. Ein
Brunnen auf dem Schwanenmarkt in Krefeld,
Schmuck für ein Geschäftshaus in Hamburg und
Berlin (Wertheim) blieben geringe Zeugen seiner
Kunst. Ein Entenbrunnen in Charlottenburg, den
ein Privatmann stiftete, nannte der Volksmund
bald den Streichelbrunnen. Kein Kind konnte
vorüber, ohne die Tiere nicht zu streicheln und
kein schöneres Zeichen für die Selbstverständlich-
keit der Form. Sie lag im besten Sinne des Wortes
in der Hand, war Gebilde des Tastsinns, ohne
jedes malerische Scheinleben. Ein Elefanten-
brunnen für den Steinplatz ist Entwurf geblieben.
Kein großes Werk trug die Zeit ihm auf. So
strömte seine ganze Liebe in die kleinen Tiere
und das kleine Format. Er spielte mit diesen
Formen in reinster Naivität, und Humor entstand
ohne Pointierung. Auch im Stehen ist seine Ente
noch Watscheln und der Pinguin komisch wie
nur irgendein Biedermeiergevatter. Die Form war
komisch, nicht die novellistische Situation. Rein
war sein Bilden, streng seine Aufgabe und klar
sein Ziel. Unbeschwert von der doktrinären
Problematik der Stilsucher wuchs seine Phantasie
in das Monumentale. In langer schleichender Hals-
krankheit blieb Liebe und Kraft zum Bilden leben-
dig. Der Umriß seiner Persönlichkeit ist so ein-
fach und groß wie der seiner Geschöpfe. W. Kurth

ULFERT JANSSEN STEINBOCK

Die Kunst für Alle. XXXMI 120 17
 
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