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Die Kunst für alle: Malerei, Plastik, Graphik, Architektur — 37.1921-1922

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Lessing, Waldemar: Heinrich Hess: Bildnisse
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https://doi.org/10.11588/diglit.14154#0250

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HEINRICH HESS
BILDNISSE

Heinrich Heß steht uns durch seine Bildnis-
kunst menschlich näher als durch seine
religiösen und mythologischen Kompositionen.

Die bedeutendsten Bildnisse von Heß sind
in der Zeit seines römischen Aufenthaltes
(1821—1826) entstanden, als er in dem Kreise
der Nazarener lebte und von ihren romantischen
Idealen erfüllt war. Daß die Dargestellten, über
ihre individuelle Erscheinung hinaus, zu typischen
Gestalten nicht nur ihrer Zeit geworden sind,
erklärt die bleibende Gültigkeit dieser Porträts.

In der römischen Zeit entstanden vor
allem drei Bildnisse: das der Marchesa Flo-
renzi, das Thorwaldsens, — beide in der Neuen
Pinakothek — und das des Mädchens von Albano
im Lübecker Museum,

Das große Porträt der Marchesa Florenzi
bestellte Kronprinz Ludwig 1821. Im Karneval
hatte des Kronprinzen Herz für die Marchesa
Feuer gefangen, als sie auf dem Korso mit
ihrem Gatten im Wagen neben dem des Kron-
prinzen haltend, den jungen Fürsten mit Blu-
men und Süßigkeiten bombardierte. Die Mar-
chesa war aber nicht nur unter den „Schönsten
die Schönste" auf dem Karneval, sie muß ein
eigentümlich romantisches Köpfchen gewesen
sein. In den deutschen Gelehrten und Künstlern
fand sie den Umgang, der ihren geistigen und
künstlerischen Interessen entsprach. Sie sah
den Kronprinzen mit seinen Herren auf ihrer
Villa Columbella bei Perugia zu Gast, lernte
Deutsch, übersetzte Schelling ins Italienische,
blieb aber den feurigen Huldigungen des
Kronprinzen gegenüber eine Italienerin, die
aus einer Karnevalslaune keine Konsequenzen
zu ziehen bereit war.

Ein sentimentalischer Einschlag gibt ihrem
Porträt das Unrömische. Auch der für den
Fremden römischste aller römischen Blicke vom
Pincio auf St. Peter entbehrt in diesem lieb-
lichen, durch die Laube der Bäume gebildeten,
Ausschnitt alles römisch Monumentalen. Deutsch
romantische Stimmung liegt in der Art, wie
der feine Kopf sich leise neigt, wie die eine
Hand Feldblümchen hält, die andere den Hut
lässig an einem Bande von dem Knie herunter-
gleiten läßt. Aber die hochgezogene linke
Braue und der prüfende Blick warnen davor,
in der zweiundzwanzigjährigen ravennatischen
Marchesa ein schwärmerisch hingebungsvolles

deutsches Mädchen zu sehen. Die farbige
Haltung des Bildes, das stumpfe Karmoisinrot
des Kleides, die grauen Töne in den Fliesen,
Säulen, Bäumen und in dem Rosa der Stadt
zielen ebensowenig auf koloristischen Effekt,
wie die Marchesa selbst nicht darauf aus war,
durch Koketterie zu erobern. Daß sich Heß
für dies Bild erst eine, bis ins letzte ausgeführte,
kleine Bleistiftzeichnung (Graph. Slg. München)
anfertigte, ist charakteristisch für die Malerei
der Nazarener. Die Zeichnung galt ihnen so
viel, daß sie die Farbe nur als etwas Nach-
trägliches, fast Nebensächliches ansahen.

Das Porträt Thorwaldsens in der Neuen
Pinakothek ist 1823 entstanden. Thorwaldsen
war damals schon der gefeierte Künstler von
europäischem Ruf. Auf Heß' Bilde ist er der
Meister mit Meißel und Hammer. In monu-
mentaler, gesammelter Ruhe, lichtäugig, milde
und rein ins Leben blickend. Die patriarchalisch
würdige Kleidung — der graue Mantel mit dem
weißen Pelzbesatz, das weiße weiche Hemd —
dienen nur dazu, den edlen Kopf und die festen,
lauteren Hände in ihrer Bedeutung hervorzu-
heben. Wie der im humanistischen Sinne völlig
ungebildete Thorwaldsen den Geist der Antike
aus reiner künstlerischer Wahlverwandtschaft
erweckte, so weht ohne nazarenisches Nachemp-
finden aus einem solchen Werke der Geist nor-
discher Renaissance. Alles Nebensächliche tritt
zurück. Selbst nicht der farbig reizvolle Ausblick
zieht das Interesse auf sich. Der Lorbeerkranz
bleibt im Dunkeln vollends kaum erkennbar.

Zu diesen Bildnissen gesellt sich als drittes
Zeugnis für das den Deutsch-Römern vorschwe-
bende Ideal einer Verbindung deutschen und
klassischen Geistes das Porträt des Mädchens
von Albano des Lübecker Museums — 1823 ent-
standen. Die Schönheit der Vittoria Caldoni soll,
wie A. Keßner in seinen römischen Studien
berichtet, 44 Künstler zum Porträtieren der Win-
zerin von Albano begeistert haben. Daß Vittoria
mit „der unendlich reinen Form des Gesichtes"
knospenhafte Reinheit des Wesens verband, zog
die Deutschen unwiderstehlich zu ihr. „Sie ist
wie eine Blume, die am stillsten Ort, von Wind
und Wetter unberührt, aus der Erde gequollen
ist", sagt Schnorr, der sie auch porträtierte.
Thorwaldsen meinte: „Wenn man noch so ein
treues Bild von ihr zustande brächte, so würde

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