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Die Kunst für alle: Malerei, Plastik, Graphik, Architektur — 37.1921-1922

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Schumann, Paul: Heinrich Franz-Dreber: zur Jubiläumsausstellung in der Galerie Ernst Arnold, Dresden
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Kunstliteratur
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https://doi.org/10.11588/diglit.14154#0298

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waren. Allmählich entfernte er sich dann von
der Auffassung der Reinhart und Koch: die
starre Gliederung, die Härte der Umrisse ver-
schwindet, die Farben werden weicher und har-
monischer. So erringt sich Dreher, vielleicht
auch durch den Verkehr mit Böcklin angeregt,
in den ersten zehn Jahren seines römischen
Aufenthaltes seinen eigenen Stil.

Alle seine Motive entnahm er der Natur,
der römischen Campagna, den Albaner und Sa-
biner Bergen, und meistens belebte er sie mit
Staffagefiguren, die er sei es der Wirklichkeit
entnahm oder auch in ein biblisches oder mytho-
logisches Gewand hüllte. Beispiele für die erste
Art geben die Landschaften mit den Wäscherin-
nen am Tiber (Hamburg), mit dem Mädchen,
das durch den Bach geht (Chemnitz), mit den
Banditen (Breslau). Auf „Boas und Ruth"
taufte er die große Erntelandschaft aus der
Campagna (Prof. Schöne in Münster); der
Mythologie entstammen z. B. „Sappho am
Meeresstrande" (Schackgalerie) und „Das Bad
der Diana" (Dresden). Bezeichnend ist für
Dreber, daß er seine figürlichen Zutaten stets
harmonisch in die Natur einordnet, daß Natur
und Vorgang stets innig miteinander verschmel-
zen, daß die Natur als der gegebene Schau-
platz für die auftretenden Menschen oder Göt-
ter erscheint. Überhaupt ist seinen Gemälden
eine feine farbige Harmonie eigen. Ihr Wesen
ist lyrische Poesie; heroische Haltung, kräf-
tige Farben, schroffe Gegensätze liegen ihm
fern. Keineswegs dürfte man ihm Weichlich-
keit oder Sentimentalität nachsagen, nur er-
scheinen seine farbigen Harmonien zuweilen
matt, was Dreber den Tadel Böcklins eintrug,
dem er anfänglich, wie man an einer Reihe
von Bildern sieht, ein Vorbild war, der sich aber
dann in weiterer Entwicklung scharf von Dreber
trennte. Für Dreber aber blieb die innige
poetische Belebung und die harmonische Auf-
fassung der Landschaft bezeichnend bis an das
Ende seines Schaffens. Unverkennbar ist, daß
die Krankheit Drebers Können vermindert hat;
die letzten Bilder sind nur noch Schatten derer,
die er auf der Höhe seiner Kraft schuf. Diese
seine besten Gemälde aber weisen unserem
Heinrich Franz-Dreber einen durchaus ehren-
vollen ebenbürtigen Platz in der Reihe der
deutschen Meister an, die während des ganzen
neunzehnten Jahrhunderts in Rom ihre zweite
Heimat gefunden haben, ohne dabei ihr Deutsch-
tum aufzugeben. Daß ihm ein solcher Ehren-
platz gebührt, lehrte die Dresdener Gedächtnis-
ausstellung in der Galerie Arnold in voller
Klarheit. Das Verdienst, sie angeregt zu ha-
ben, kommt dem Dresdener Galeriedirektor
Dr. Posse zu. Paul Schumann

NEUE KUNSTLITERATUR

Lüthgen, Eugen. Gotische Plastik in den
Rheinlanden. Geh. Mk. 24.—. Bonn 1921, Fried-
rich Cohen.

Der Verfasser hat in diesem seinem neuesten
Buch den nicht gerade aussichtsreichen Versuch
gewagt, auf 13 Seiten Text, die von 80 ganzseitigen
Abbildungen begleitet werden, einem weiten Kreise
das Grundlegende und Wesentliche der rheini-
schen gotischen Plastik zu übermitteln. Ist es
auch heute noch, trotz der in den letzten Jahren
immer reicher anschwellenden Literatur über
gotische Plastik keineswegs leicht, sich einem
großen Leserkreis mit wenigen andeutenden Wor-
ten über dieses Thema in seiner Gesamtheit eini-
germaßen verständlich zu machen, so wächst
naturgemäß diese Schwierigkeit, wenn, wie im vor-
liegenden Falle, eine Beschränkung durch einen
bestimmten landschaftlichen Umkreis gegeben ist.
Daher bleibt es immerhin erstaunlich, wie der
Verfasser es verstanden hat, mit den wenigen, mit
Vorsicht gewählten Worten Grundsätzliches über
das Wesen der Gotik im allgemeinen und die rhei-
nische Gotik im besonderen zu sagen. Mit einer
beachtenswerten Hartnäckigkeit wird innerhalb
des zur Verfügung stehenden knappen Textraumes
erfolgreich versucht, dem Problem der Erklärung
gotischer Gestaltungsweise von allen möglichen
Seiten her zu Leibe zu rücken. Daß es dabei unter-
lassen wurde, die Stilentwicklung von 1250—1530
neben den rein künstlerischen auch aus den histo-
rischen Bedingtheiten der einzelnen Jahrhunderte
heraus zu begründen, empfinde ich, gerade im
Hinblick auf den großen Kreis, an den sich das
Buch allem Anschein nach richtet, als bedauer-
lich; jedoch mag dies nicht ohne Absicht ge-
schehen sein.

In den Abbildungen, die den Hauptteil des
Buches einnehmen, kommt die rheinische Plastik
von der romanischen Periode bis zum ersten
Drittel des 16. Jahrhunderts zu Wort. Die Aus-
wahl der vorwiegend nach ganz vorzüglichen
Photos hergestellten Bildtafeln zeugt von dem
feinen persönlichen Geschmack des Autors, der eine
ganze Reihe zum Teil wenig oder gar nicht be-
kannter, mittelalterlicher Bildwerke in zeitlicher
Folge vorführt. Als besonders erfreulich seien die
verschiedenen großen Detailaufnahmen von Köp-
fen, vor allem die prächtigen Teilansichten der
Mutter Gottes vom Meister von Hallgarten und
der ergreifenden Darstellungen der Pietä in Bonn
und Erfurt hervorgehoben. Eine lückenlose Über-
sicht über die Haupttypen der gotischen Plastik
des Rheinlandes vermögen die 80 Abbildungen
allerdings nicht zu geben; so vermisse ich vor
allem, daß der überaus charakteristische Typ der
holzgeschnitzten niederrheinischen, sitzenden Mut-
ter Gottes mit stehendem Kind aus dem 14. Jahr-
hundert, der im Kaiser Friedrich-Museum in Berlin,
im Germanischen Museum in Nürnberg, in den
Kölner Museen und in zahlreichen deutschen Pri-
vatsammlungen so prächtig vertreten ist, mit
keinem einzigen Beispiel in dem Buche belegt
wird.

Die Ausstattung des Buches ist von sympathi-
scher Einfachheit, der Druck der Bilder geradezu
hervorragend; der Preis endlich ist für die heu-
tigen Verhältnisse so märchenhaft niedrig, daß
man nur aufrichtig wünschen kann, dies wertvolle
Bilderbuch möge bald in jedes deutsche Haus
einziehen. Hubert Wilm

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