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Die Kunst für alle: Malerei, Plastik, Graphik, Architektur — 38.1922-1923

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Herler, Herbert Fritz: Deutsche Malerei der Romantik: zur Ausstellung des Verbandes der Kunstfreunde in den Ländern am Rhein; Wiesbaden 1922
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https://doi.org/10.11588/diglit.14165#0198

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deutet den Ausgang der Epoche wahrer Romantik.
Und wie wenig haben doch die echten roman-
tischen Künstler von den bohemegenialischen
Eigenschaften, die man ihnen gewöhnlich an-
dichtet (und zwar aus eigner, Romantik genann-
ter Sentimentalität), und wie viel besitzen sie
an hohen Qualitäten, die man ihnen abspricht.
Dies zu erweisen, ist die Wiesbadener Ausstel-
lung schon im reichsten Maße genügend, —
wenn man nur die ins Biedermeier tendierenden
Künstler für den Augenblick ausscheidet. Was
einem unmittelbar entgegentritt, ist die unbe-
dingte Sauberkeit! Eine Reinheit des Gefühls,
die sich in der Reinlichkeit der Ausführung
ihre adäquate Form schafft. Was zwischen der
Konzeption und der Vollendung liegt, — liegen
muß, wäre es auch nicht durch zahlreiche schrift-
liche Zeugnisse und das große Studienmaterial
belegt —, ist unendlicher Fleiß. Die Künstler
der romantischen Epoche gaben sich nicht zu-
frieden mit der einfachen Tatsache des Gefühls
— das noch keine Aussage über künstlerische
Fähigkeit bedeutet —; sie rangen und mühten
sich, sie waren Arbeiter und Handwerker im
besten Sinne des Wortes. Daher die peinliche
Akkuratesse des fertigen Werkes.

Und mit dieser Tatsache ist auch schon die
wertvolle Beziehung auf die Gegenwart ge-
schaffen. Von dieser Sauberkeit, Handwerklich-
keit, Arbeitsamkeit trotz größter Gefühlstiefe
kann eine heutige Kunst sich nur willig beein-
flussen lassen. Dies kann sie von der Kunst
der Romantik lernen, — nicht aber in ihrem
eignen Gefühlsplural ohne Formungskraft sich
von falschen Lobrednern bestärken lassen mit
dem Hinweis auf die „formverachtende Gefühls-
seligkeit" der Romantik.

Was sich als letztes Wertvolles der Aus-
stellung ergibt, ist vielleicht und sicherlich zum
Teil, eine Angelegenheit mehr für den Kunst-
historiker als für den Laienbesucher: Die zahl-
reichen Leihgaben aus Privatbesitz und die
damit verbundene erstmalige Möglichkeit der
Betrachtung und Prüfung von Neuentdeckun-
gen. Neben dem Besitz der öffentlichen Kunst-
institute sind aus Dresdner, Frankfurter, Kölner,

Mainzer, Darmstädter, Wiesbadener, Düssel-
dorfer, Karlsruher, Mannheimer, Elberfelder
Privatbesitz Werke von Cornelius, Carus, Fried-
rich, Blechen, Fellner, Koch, Lessing, Fohr,
Fries, Runge, Kersting, Rethel, Richter, Rott-
mann, P. Becker, G. Ph. Schmitt, Steinle, Schwind,
Settegast, Mintrop und vielen anderen aus-
gestellt. Unter den Neuentdeckungen stehen
an erster Stelle die vom Grafen Hardenberg,
Darmstadt, wiederaufgefundenen Bilder C. Fohrs,
dessen prachtvolle Darmstädter „Romantische
Landschaft" sowie die wundervollen Zeichnun-
gen aus Darmstadt und Heidelberg unbedingt
den Mittelpunkt der Ausstellung bilden. Die
neuentdeckte „Waldschlucht" mit allen charak-
teristischen Merkmalen des Künstlers, ist sicher
als ein Frühwerk Fohrs anzusprechen, ebenso
das große ungemein kraftvolle Aquarell „Illy-
rische Küstenlandschaft" wohl richtig mit der
Zeichnung identifiziert, die Fohr selbst im Brief
vom 2. Mai 1818 aus Rom an seine Eltern
beschreibt (s. Dieffenbachs Fohr-Biographie,
neu herausgegeben von Rud. Schrey, Frank-
furt a. M., 1918). Die „Tiroler Landschaft"
allerdings dürfte eine unsichere Zuschreibung
sein; man denkt eher an den Heidelberger
G. W. Issel, mit dessen im Heidelberger Museum
aufbewahrten Werken, vor allem dem „Ein-
samen Baum" große Verwandtschaft besteht.
Eine kleinere aquarellierte Federzeichnung aus
Frankfurter Privatbesitz: „Italienische Wall-
fahrer" wäre ebenfalls eine unzweifelhafte Neu-
entdeckung. — Zwei Zeichnungen zur „Undine"
aus Karlsruhe, zu denen noch zwei weitere
nicht ausgestellte in Mannheim und Hannover
gehören, sind fälschlich Franz Pforr zugeschrie-
ben. Sie Fohr zuzuweisen besteht auch nur
geringe Möglichkeit; sie dürften aus dem Kreise
der Klosterbrüder von S. Isidoro stammen, etwa
von Ludwig Vogel.

Womit auch der Kunsthistoriker sein Recht
und seine Befriedigung erfahren hätte — so daß
er sich zurückverwandeln darf in den Nur-
Genießer, in welcher Gestalt er die Ausstellung
noch einmal durchwandert, um sie nur ungern
zu verlassen. Herbert Fritz Herler

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