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Die Kunst für alle: Malerei, Plastik, Graphik, Architektur — 39.1923-1924

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Schuch, Carl: Aus Briefen von Carl Schuch
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AUS BRIEFEN VON CARL SCHUCH*)

Wenn ich auch diesen Winter bloss zwei bis
drei Monate gemalt, so habe ich ihn doch
so gut angewendet, dass ich damit zufrieden
sein darf. Wenn ich diesen Sommer auch so
benütze, dann darf dies Jahr als nicht verloren
gelten. Das ist jetzt die nächste Aufgabe, etwas
durchaus Solides zu malen, mit gleichviel wie-
viel Zeitaufwand, aber es muss solange daran
geschuftet werden, bis es nach jeder Richtung
hin befriedigt — das kostet sehr wenig Lein-
wand, aber wahrscheinlich viel Ernst und Wil-
len. Meine vorjährigen Schmierereien sind fast
alle vernichtet. Ich kann dir nur dasselbe emp-
fehlen in Bezug auf eine ernstere Ansicht
über das Ziel. Was du für dein Ziel hältst,
das ist in der Bildungsstufe gegeben, die du
zu erreichen strebst. Dann kommt es nur auf
den Willen an, mit dem man gegen gedanken-
lose Gewöhnung ankämpft. Bei dem Viel- und
Schnellmalen ist weder die Überlegung stets
dabei, noch der kräftige Wille ausreichend, seine
Aufgabe ausser seinen Gewohnheiten zu lösen,
und die Ehrlichkeit.

Etwas Echtes habe ich wieder in Marseille
gesehen und in Nizza. An letzterem Ort einen
„Waldbach" von Courbet, in Marseille seinen
lebensgroßen „fliehenden Hirsch" und einen ganz
grünen Daubigny, Bäume auf einer saftigen
Weide im matten Sonnenschein, bei mäßig-
blauer gesprenkelter Luft. Pferde und eine weiße
Kuh weiden im Schatten der Bäume. Gross,
ungefähr 5 Fuss breit, 2,5 bis 3 Fuss hoch, bloss
blau und grün, eine fabelhafte Durchführung
der Pflanzen auf der Weide, und Terrainbewe-
gung. Solche Leute dürfen alles, nicht nur sie
könnens, nein, sie haben es auch zuerst ge-
macht und aus sich heraus. Wenn Courbet oft
die Spachtel gebraucht, wenn Daubigny einen
„Riesenspinat" malt, ein Bild aus einer Farbe,
so ist das sehr gut und schön, und wenn da-
mit, daß einer Spinat malt oder mit der Spach-
tel auch der Geist und das Talent dieser Meister
überginge, so wäre das auch ganz schön. Ich
meine aber, wer soviel Geist und Talent hätte,
würde gewiss auch seinerseits eine aus seiner
Individualität kommende originale und geist-
volle Darstellungsart finden.

o

Das Echte berührt eigentümlich wohltätig;
man kann sich mit dem ganzen Ich vertrauens-
voll dem Eindruck hingeben, es hebt einen

*) Briefe an den Maler Karl Hagemeister. — Aus der Serie
Künstlerbriefe. Verlag Leopold Heidrich, Wien. In derselben
Serie sind auch Briefe von Rudolf von Alt, sowie von Carl
Rahl erschienen.

über sich hinaus statt herunter, man ist ganz
glücklich, Zug für Zug den Geist des Künst-
lers herauszulesen, man stösst auf lauter Edles
und Gediegenes, lauter Geistvolles, da ist alles
ohne Zudringlichkeit, Manier, Marktschreierei
und jene Züge, die den Beschauer mit Gewalt
anschreien, um ihn aufmerksam zu machen auf
Eigenschaften, die der Maler für besonders
wichtig hält, oder ein Flunkern mit Virtuosi-
täten zweifelhafter Art. Da verrät alles das
harmonische Gleichgewicht in den Fähigkeiten
eines feinen Menschen und ernsthaften echten
Künstlers — und weil er dies ist, so ist sein
Werk voll Einfachheit und Wahrheit, voll Har-
monie und Geist. Er kann nur Rechtes wollen,
und er kann es auch ausführen was er will.
«

Über Courbet, der doch bedeutend war nach
einigen Seiten hin, ein Urteil zu fällen, ist sehr
schwer. Das gemeine Urteil ist freilich gleich
fertig mit gut oder schlecht, etwas oder nichts.
Das setzt einen positiven Standpunkt, ein ab-
solutes Schöne voraus, an dem die Leistung
gemessen wird, und gerade das, dass wir das
nicht mehr annehmen, unterscheidet ja unsern
heutigen Standpunkt von dem, der allein selig-
machenden „Klassität". Die Erscheinungen die-
ser Welt sind ausserdem zu kompliziert, als dass
sie unbedingt gut oder schlecht wären, und wir
tun besser, statt zu verurteilen, zu verstehen
zu suchen. Seine unzweifelhafte Begabung hat
jedenfalls viel gelitten durch seine Kampfatti-
tüde. Er hat mit seinem Pinsel oft mehr ge-
kämpft als gemalt. Berechtigt als Mit- und
Vorkämpfer der neuen Zeit gegen die Roman-
tik, hat er sich oft in der Hitze des Gefechtes
doch zu weit hinreissen lassen, und oft kin-
disch das grade Gegenteil von dem gesucht, was
gemacht worden war. Das ist vor allem keine
künstlerische Absicht, und diese Nebenabsichten
haben ihn auch oft weit abgeführt von der
Kunst, die das einmal nicht verträgt und um
ihrer selbst willen gepflegt sein will.

Aber er hatte einen unvergleichlichen Vor-
zug — er war es selbst, stand auf eigenen
Füssen, sah mit eigenen Augen, brach alle Kon-
vention, und viel entschiedener als jeder andere
auf eine natürlichere Auffassung hin. Diese
seine bahnbrechende Vorstellung, eine eigene
selbständige wars, die nun die Konsequenzen
eines natürlicheren Lichts, das täglich kühl sil-
brige Licht, nach sich zog, zu dessen Ausdruck
er wieder zu einer andern einfachen Malweise
kam, die vor der Natur notwendig ist, die Prima-
malerei, da man nicht mehr die vorbereitenden
 
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