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Die Kunst für alle: Malerei, Plastik, Graphik, Architektur — 39.1923-1924

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Nasse, Hermann: Sulpiz Boisserée und die Kunst, [2]
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https://doi.org/10.11588/diglit.14151#0063

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SULPIZ BOISSEREE UND DIE KUNST

Eine Zeitlang sah es so aus, als ob die Samm-
lung nach Köln oder Berlin in den Besitz
Preußens gelangen würde. Schinkel knüpfte im
Auftrage des Ministers Eichhorn Verhandlungen
an. In einem Briefe an General Gneisenau be-
richtet Sulpiz, daß er sich mit Schinkel „bis zu
einem förmlichen Vertrag vereinigt habe" und
teilt die Bedingungen mit, auch die Gründe,
weshalb zunächst doch nur Berlin, erst später
Köln in Frage komme (1816). Gneisenau ant-
wortet erfreut: er habe bemerkt, „daß in der
Geschichte stets Kunst und Wissenschaft neben
kriegerischen Anstrengungen und Gefahren und
in ihrem unmittelbaren Gefolge erblüht haben".
Aber die Verhandlungen scheiterten, die Brüder
traten mit Stuttgart in Verbindung. Sulpiz be-
tont: „Der Zweck unseres Strebens geht da-
hin, unsere Sammlung — — — für das ge-
sammte deutsche Vaterland, an einem schick-
lichen Ort und auf die ferne Zukunft hin, als
einen unveräußerlichen Kunstschatz fest zu
gründen und womöglich auch unsere eigene
Tätigkeit lebenslang daran zu knüpfen" (1819).
Der König geht darauf ein und stellt für die
Sammlung den „Offizierspavillon" zur Ver-
fügung. Sulpiz berichtet: „Seit einigen Wochen
strömen die Besucher aus allen Ständen, vom
Vornehmsten bis zum Geringsten, vom Ältesten
bis zum Jüngsten, und das betet sich nicht ein-
ander nach, sondern Jedes findet auf seine Weise
eine Freude, Belehrung oder Erhebung. Be-
sonders können sich die bibelfesten Bürgerleute
nicht satt genug sehen an diesen Spiegeln eines
gesunden, frommen, seelenvollen Lebens." Ber-
tram berichtet, als Sulpiz verreist ist, daßThor-
waldsen und Professor Lund nach den Bildern
gezeichnet habe, „um Studien zu machen zu
Motiven für Komposition, Gruppierung, Stel-
lung und Draperie". . . . „Dannecker sagte ein-
mal, ich will ein Hundsfott sein, wenn diese
Kunst in der Hauptsache nicht dem Höchsten
in der Antike gleichsteht. Thorwaldsen er-
widerte lächelnd, was bedürfen wir des Ver-
gleichs mit der Antike, stellen wir diese Kunst-
werke neben die Natur selbst hin, so haben
wir den höchsten und einzigen Maßstab."

Interessante Stellen finden sich in Briefen
von einer Pariser Reise und einer solchen nach
Holland, die Sulpiz mit dem ersten Rheindampfer
unternimmt, doch müssen wir es uns versagen,
hierbei zu verweilen. Jetzt erst entdeckt er, daß
sein angeblicher „Eyck" in Wahrheit ein Rogier
van der Weyden ist.

II

1827 macht der König von Bayern sein An-
gebot auf die Sammlung, das angenommen wird.
Von der ersten Audienz bei Ludwig I. berichtet
Sulpiz: „Er rief mehreremale aus: , Aber welche
Sammlung habe ich nun, meine Herren; welche
Sammlung, wenn das Alles beisammen seyn
wird! . . . . Nur wünsche ich, daß nichts da-
von in die Zeitungen komme und besonders,
daß man den Preis nicht erfahre. Wenn man
das Geld im Spiel verliert oder für Pferde aus-
giebt, meinen die Leute, es wäre recht, es müsse
so seyn; wenn man es aber für die Kunst ver-
wendet, sprechen sie von Verschwendung."

Eine ihm angebotene Professur in Bonn
schlägt Sulpiz aus, „denn er wisse nicht, wie
und ob es ihm gelingen würde, dem Lehrfach
Genüge zu tun."

Bei der ihn sehr erschütternden Nachricht
vom Tode Goethes schreibt Sulpiz an Melchior
u. a.: „Es sind nun zweiundzwanzig Jahre, daß
wir mit dem alten Herrn in dem schönsten
Freundschaftsverhältnis gestanden haben. Ich
fühle, es kann uns nie ersetzt werden. Danken
wir darum desto mehr Gott, daß er uns dasselbe
so lange vergönnt hat und bitten wir ihn, daß er
uns die Freunde, die uns bleiben, noch weit hin-
aus erhalte. Man erwirbt doch nur wenig neue
Freunde, wenn man älter wird und desto mehr
verliert man. Ohne Liebe und Freundschaft ist
aber die schöne Welt mit allem Sonnenschein,
der Natur und der Kunst gar nichts werth."

Von Interesse sind einige Stellen über Sulpiz'
Kunstanschauungen, die zugleich ein Schlaglicht
auf die, oft sehr einseitige Kunstmeinung dieser
Zeit werfen. In Florenz entsetzt er sich in der
Sakristei von S. Lorenzo über Michelangelo:
„Du hast keinen Begriff von der Widerwärtig-
keit der gewaltsamen Verrenkungen, ich kann
es nicht anders nennen, womit die Bewegung
in den sieben Statuen angegeben ist, welche
man hier vereinigt sieht. Ebensowenig hast Du
aber auch einen Begriff und wirst ihn nicht
eher ganz erhalten, als bis Du mit Deinen
eigenen Augen gesehen, welch eine wunder-
volle Gechicklichkeit, nein, welch eine Zauber-
kraft der außerordentliche Mann besessen, den
Marmor zu behandeln. Mehrere Theile der
Statuen sind nicht ganz fertig, ja nur eben
angedeutet und meist deswegen, weil zu einer
gehörigen Ausführung die Masse des Marmors
nicht ausgereicht, wie man auf das deutlichste
sieht.....An jenen unvollendeten, nur an-
gedeuteten Theilen sieht man, wie der Künstler

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