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Die Kunst für alle: Malerei, Plastik, Graphik, Architektur — 39.1923-1924

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Beringer, Joseph August: Wilhelm Steinhausen
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https://doi.org/10.11588/diglit.14151#0155

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WILHELM STEINHAUSEN f

Am 5- Januar 1924 ist in Steinhausen den Charakter
Frankfurt a. M. nach lan- seiner Landschaften mit reli-
gem Leiden, das ihn seiner ge- giöser Inbrünstigkeit spre-
segneten Arbeit entzogen hat, chen. Es ist eine höchste, feine
Wilhelm Steinhausen im bei- Kunst von Natursymbolik, die
nahe vollendeten 78. Lebens- auch in den zahlreichen Wald-
jahre gestorben. Der Heim- landschaften vom Hunsrück,
gang des Künstlers schließt wo Steinhausen ein kleines Gut
eine große Periode der main- besaß, von Eichendorffscher
fränkischen Kunst ab. Stein- Tiefe und Naturseligkeit ist. Zu
hausen war der letzte Vertre- dieser poetischen Naturver-

terderinFrankfurtim 19. Jahr- klärung in der bildenden Kunst
hundert zu hoher Blüte ge- —U ^Itohk kam Steinhausen über das Mär-
langten nazarenischen Kunst, ^^rffl Mst chen und die Legende. Diesen
insofern diese eine gefühls- poetisierenden Weg war der
und gemütsmäßige Erfassung Künstler in seinen frühesten
und Auswirkung religiöser j^,. ■ Schöpfungen gegangen, als der
Kunstweise war. Von dem jun- S^B Frankfurter Baumeister S. Ra-
gen Cornelius und von Rethel venstein ihn zur Ausschmük-
ausgehend, hat sie in Ph. Veit kung seiner Bauten mitMosai-
und in E. Steinle ihren Cha- ^BHH^^^bH^H^HBB^B ken. Sgraffitti, Decken- und
rakter stark ausgeprägt, ist in Wandmalereien Mitte der sieb-
Schwind ins Romantische ab- ziger Jahre nach Frankfurt ge-
gebogen und hat in Steinhausen ihren letzten und zogen hatte. Seit dieser Zeit war der Niederschlesier
namhaftesten Anhänger gehabt, allerdings auch Steinhausen (geb. 2. Febr. 1846 zu Sorau), der in
hier wieder in besonderer Eigenart. Berlin seine künstlerische Ausbildung genossen
Steinhausens ganze Kunst fließt aus dem Boden hatte, ein Süddeutscher geworden. Studien in
innig religiöser, evangelischer Gläubigkeit, ver- Karlsruhe (Canon und Gude), in Straßburg und
bunden mit hoher geistiger und kultureller Auf- in München, sowie eine Italienreise anfangs der
fassung und einer ungemein starken Vertiefung siebziger Jahre weiteten den Gesichts- und Kultur-
in das Wesen der deutschen Kunst. Mit dieser kreis Steinhausens.

seiner persönlichen Einstellung auf die Kunst und Eine besondere Stelle im Malwerk Steinhau-
auf sein Schaffen stand er abseits von den Strö- sens beanspruchen seine trefflichen Bildnisse, deren
mungen und Kämpfen um die neue deutsche Kunst, er eine große Reihe meist aus dem Verwandten-
die meist sich auf technische, zeitkulturelle oder und Bekanntenkreis geschaffen hat.
soziale Probleme bezogen. Es ist verständlich, daß Auch in der Graphik hat der Künstler durch-
Steinhausen mit seiner eigenartigen Stellung im aus eigene Wege betreten. Seinen frühen, im Holz-
Kunstschaffen seiner Zeit nicht den durchdringen- Schnittstil empfundenen Werken, Bibellesezeichen,
den Erfolg gehabt hat, der seiner vornehmen und Geschichte von der Geburt des Herrn, Schnee-
edlen Kunst gebührt hätte. Weder das amtliche wittchen, Illustrationen zu Brentanos Gedichten
Kirchentum. noch das Durchschnittskennertum hat usf., fügte Steinhausen die malerisch und deko-
sich für die Kunst Steinhausens stark eingesetzt. rativ empfundene Illustration zur Chronika eines
An äußeren Ehren und Anerkennungen hat es fahrenden Schülers bei und erweiterte diese mehr
Steinhausen zwar nicht gefehlt. 1900 wurde er kgl. illustrative Tätigkeit durch ein großes Steindruck-
pr. Professor, 1906 Dr. h. c. der theologischen Fa- und Radierwerk.

kultät zu Halle; auch die Ehrenmitgliedschaft ver- Das Kunstwerk Steinhausens ist in seinem Le-
schiedener akademischer Körperschaften ward ihm ben begründet. Er ist von Jugend an religiös-ro-
zuteil. An großen öffentlichen Aufträgen hat Stein- mantische Wege gegangen und hat in seiner in
hausen Bedeutendes und Eigenartiges geleistet: Frankfurt begründeten Familie die religiös-ro-
so die Ausmalung des Theobaldistiftes zu Werni- mantische Atmosphäre geschaffen, die der Unter-
gerode, den Freskozyklus der sieben Barmherzig- grund seiner ganzen Kunstweise gewesen ist. Das
keiten zu Ober-St.-Veit bei Wien für den Grafen kleine Haus in der Wolfsgangstraße barg eine
Lanckoronski, die Malereien in der Aula des Fried- Fülle von Familien- und Freundschaftsglück. Güte
richsgymnasiums zu Frankfurt (Darstellungen zur und Gastfreundlichkeit in alttestamentarischem
humanistischen und christlichen Erziehung), Bil- Sinne walteten bis in die Patriarchenjahre des
der aus dem Leben Christi für Bremen und Stutt- Künstlers in seinem von froh heranblühenden
gart, Werke, die er durch die Ausmalung der Lu- Kindern belebten Hause. Die letzten Lebensjahre
kaskirche zu Frankfurt-Sachsenhausen in einzig- Steinhausens waren durch seine eigene Krankheit
artiger und in Deutschland ohnegleichen dastehen- und durch die seiner Frau von schweren Wolken
der Weise gekrönt hat. überschattet. Seiner vor wenigen Monaten ver-
Auch die Tafelmalerei Steinhausens ist von storbenen treuen Lebensgefährtin ist der Meister
seiner religiösen Gesinnung unterströmt. Seien es nun rasch gefolgt. An seinem Grabe trauern nicht
die hellen, freundlichen Gebiete Mainfrankens oder nur seine Familie und Freunde, sondern vor allem
des Odenwaldes, oder seien es die lichtvollen Ge- die evangelische und die deutsche Kunst, der er
Stade des Bodensees, oder die lieblichen Ufer des Eigenes und unvergänglich Großes gegeben hat.
Genfer und des Neuenburger Sees: immer läßt Dr. J. A. Beringer

Die Kunst für Alle. XXXIX

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