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Die Kunst für alle: Malerei, Plastik, Graphik, Architektur — 39.1923-1924

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Nasse, Hermann: Die Frühjahrsausstellung der Münchner Secession
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Muschler, Reinhold Conrad: Theodor-von-Gosen-Ausstellung in Breslau
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https://doi.org/10.11588/diglit.14151#0261

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DIE FRÜH JAHRS AUSSTELLUNG DER
MÜNCHNER SECESSION

Die Frühjahrsschau der Secessions-Ausstel-
lung in der Galerie Paulus bringt eine will-
kommene Gelegenheit, die älteren führenden
Meister der alten Secession nicht nur, sondern
auch in erfreulich großer Anzahl und mit vielen
Arbeiten die Jüngsten dieser Künstlervereinigung
auf dem Gebiete der Graphik, der Handzeich-
nung, des Aquarells eingehender und intimer
kennenzulernen, als dies bei den alljährlichen
großen Gesamtausstellungen im Glaspalast mög-
lich ist. Aus solchem Wunsche auch der Künst-
ler heraus, einmal in breiterer Weise zu Worte
zu kommen und eine anschauliche und ab-
rundende Ergänzung zu den Ölgemälden zu
bieten, begreift s'.ch die wirkliche überwältigende
Fülle des Dargebotenen. Und daß die Aus-
stellungsleitung klug, verständnisvoll und ent-
gegenkommend besonders die Jüngeren, die
Schulen und Schüler der bekanntesten Lehrer,
wie Zügel, Habermann, Stuck, Becker-Gundahl,
Herterich, die ja selbst auch mehr oder weniger
umfangreich zur Stelle sind, so recht in den Vor-
dergrund gestellt hat, werden ihr nicht nur diese
danken. Zumal es in der Tat eine sehenswerte,
eine im Durchschnitt wirklich gute Ausstellung
ist. Gewiß findet sich auch eine Anzahl älterer
Blätter unter den die sämtlichen Räume der
Galerie füllenden Arbeiten, gewiß sind auch
Blätter da, die das von früheren Ausstellungen
her gebildete Urteil zwar vielleicht befestigen,
aber nicht abändern, im ganzen jedoch gibt es
große Überraschungen und zwar durchweg er-
freulicher Art. Wenn wir hier einige Namen nen-
nen, so soll damit nichts Ungünstiges oder Ab-
lehnendes über die gesagt sein, die der Platzmangel
zu nennen verbietet. Im Oberlichtsaal sei beispiels-
weise auf Seylers brillante Indianerbilder, auf
Pietzschs kraftvolle Landschaftsaquarelle, auf
Hüthers Ausdruckskompositionen, Thalheimers
feintonige Koloristik, Plenks zarte dekorative
Note, auf Hahns Plastiken hingewiesen. Von der
Becker-Gundahl-Schule, die diesmal besonders
gut vertreten ist, seien als begabt J. Bergmann,
Kaspar, Nernd, Zeller, genannt. Qualität bieten
aber auch Trumm, Geibel, Dill, Kirchner Kunz,
Hiller, Oppler, Grossmann, Hause und manche
andere, kurz es sind kaum Nieten vorhanden.

Nasse

THEODOR-VON-GOSEN-
AUSSTELLUNG IN BRESLAU

In der neunten Ausstellung der Gesellschaft
der Kunstfreunde im Museum der bildenden
Künste wurde eine gedrängte Übersicht über
das Schaffen des Bildhauers Theodor von Gosen

geboten. Der jetzt fünfzigjährige Künstler, ein
Augsburger von Geburt, der seine gesamte
Schulung in München genossen hat, ist hier
Professor an der Kunstakademie. Jedes der
achtundsechzig ausgestellten Werke zeigt das
Ringen des Künstlers um die Gleichheit von
Form und Inhalt und beweist sein Erkennen
von der Wichtigkeit der Auswertung aller pla-
stischen Möglichkeiten. In der Verbindung von
Plastik und Kunstgewerbe ist sein Schaffen
vorbildlich. Von höchstem Interesse ist Theo-
dor von Gosens handwerkliche Schulung und
Freude. Er hat die Techniken feinst durchdacht,
bleibt nicht einseitig bei der einen stehen, son-
dern verwendet die einzelnen da, wo das Thema
eben diese besondere Behandlung oder das be-
sondere Material verlangt. Die Erstbedingung
des Bildhauers, im Material zu denken, erfüllt
Gosen restlos. Ebenso experimentiert er nicht
mit den technischen Methoden. Wo er in Wachs
oder Ton modelliert, ist es jedesmal eine Be-
dingung; ob er Wachs- oder Sandformerei be-
vorzugt, ist immer eine für den Fall unum-
gängliche Notwendigkeit. Deshalb entstehen —
rein handwerklich schon — Perlen wie z. B.
die Büste von Franz Strauß, dem Vater Richards,
oder Porträtparadigmata wie die Büste Otto
Roeses. All seine derartigen Arbeiten bleiben
nie beim photographischen Bilde stehn, son-
dern zeigen das Wissen um den dargestellten
Menschen, es handelt sich also um keine zu-
fällige äußerliche Ähnlichkeit allein, sondern
diese wirklichkeitsechte Sprache der Gosenschen
Büsten ist die individuelle Erfassung vom Eigen-
wert und der Eigenart des Darzustellenden.
Ungemein fesselt als Materialfaktor die Liebe
Gosens zum Eisenguß. Es ist erstaunlich, welche
unendlichen Zartheiten und — fast möchte man
sagen — Hautnuancierungen — der Künstler
mit der Eisenplastik erreicht. Der entstehende,
leichte silberne Glanz gibt Ausdruckswerte von
innigster Sprache. Die Figuren leben, ohne
auch nur im Allerentferntesten banal zu wirken.
Die Neuerweckung des Eisengusses und seine
Hochführung zu solcher Wertung, ist ein be-
sonderes Verdienst des Künstlers. In seinen
Gestalten ist eine Bewegung von so rhythmen-
der Kraft, daß sie immer von neuem packen.
Viel erreicht Gosen hier durch die Wachsfor-
merei. Dadurch entstehen Klarheiten von der
eindeutigen Wesenheit griechischer Plastiken.
Es bauen sich dann so einheitliche Formen auf
wie der „Perseus", bei dem alles ein Guß, ohne
jedes spätere Ansetzen ist. Durch das Fehlen
des Nachziselierens bilden sich solche in sich
ruhigen und doch feinst alles sagenden Arbeiten
wie der Kopf von Franz Strauß. Hypotheti-
sches und Skurriles gibt es für Gosen nicht,

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