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Die Kunst für alle: Malerei, Plastik, Graphik, Architektur — 41.1925-1926

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Dreyer, A.: Der Vollblutromantiker Franz Pocci: ein Gedenkblatt zu seinem 50. Todestage (7. Mai 1926)
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https://doi.org/10.11588/diglit.14161#0317

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„Schlipperdibix!" lautet sein Leibsprüchlein. sich, wie hier, auch in einer heiteren Gabe, der
Dem Sultan stellt er sich als Doktor der „BÜ- „Viola tricolor". Sein Auge entdeckte, daß die
miblamiphilosophie" vor und begrüßt ihn mit unscheinbaren Stiefmütterchen menschliche Ge-
der Anrede: „Erhabener Türkenkopf!" sichter darstellen. Zu diesen Blumen zeichnete
In den Puppenspielen läßt Pocci seiner Neigung er die dazu gehörigen Körper, und so entstand,
zur Satire freien Lauf. Sie geißelt beinahe alle nach Hollands Urteil, ein „heiteres Capriccio".
Stände, mit Vorliebe jedoch die Beamten, die Auch in seinen hundert „Namenbildern" tritt
Gelehrten, die Künstler und Arzte. Den Doktor der Reichtum seiner unerschöpflichen Phanta-
Sassafras empfängt der Totengräber auf dem sie klar zutage. Diese und sein unversieglicher
Friedhof mit den W'orten: „Wie, kommt Ihr Humor führten ihm Stift und Feder in seiner
selbst einmal hierher? Gewöhnlich schickt Ihr etwas boshaften Satire auf das verknöcherte Be-
mir nur Eure Patienten heraus." Zu jedem amtentum jener Zeit, die unter dem Titel „Der
Stück bot seine Künstlerhand humorvolle Vi- Staatshämorrhoidarius" inmehreren Bänden der
gnetten. Auf dem Titelblatt hält der Schalksnarr „Fliegenden Blätter" und später als Buch er-
eine Maske vors Gesicht: Poccis leibhaftiges schien.

Konterfei. In rastloser Tätigkeit schwand dem Künstler
'otentänze schuf er auch. Im- Jahr um Jahr. „Gevatter Tod", den er so oft
mer wieder beschäftigte er in Wort und Bild verherrlicht hatte, nahte sich
sich mit dem unheimlichen ihm nicht als Schreckgespenst, sondern als
Sensenmann und suchtein der Freund. Am 7. Mai 1876 erlag er einem Schlag-
Art von Holbein die dämoni- anfall.

seile Gestalt des Menschen- Gleich Eichendorff blieb er der Romantik treu,

würgers in stimmungsvollen selbst als diese sich längst überlebt hatte. Neben

Bildern festzuhalten, wozu flüchtigen Improvisationen gelangen ihm doch

er später begleitende Verse vortreffliche Schöpfungen, die nicht veralten,

schrieb. In allerlei Gestalten erscheint hier der Aus der Tiefe eines reichen goldigen Gemüts

Unerbittliche seinen ahnungslosen Opfern, so cmillt all das, womit er die Mit- und Nachwelt

als Schnitter in Bauerntracht, als Glöckner im bescherte. Ein Stück von seinem Flerzen liegt

Habit eines Klosterbruders, als Holzleserin im nach seinem Bekenntnis in seinen dichterischen

Walde, als Fährmann im schwankenden Kahn, und künstlerischen Gaben:
als Bergführer; zuletzt schreitet er als Lands- „Denn alles, was und wie ich's gab,

knecht über einen Y\ all von Leichen zur bren- Nahm ich aus meines Herzens Hab',

neiiden Burg. Aus meines Lebens tiefem Schacht

Seine anthropomorphistische Kunst spiegelt Hab' ich's auf das Papier gebracht."

Dr. A. Drever

Die Kunst für Alle. XXXXI.

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