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Die Kunst für alle: Malerei, Plastik, Graphik, Architektur — 44.1928-1929

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Grohmann, Will: Robert Sterl
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Heilmaier, Hans: Emile-Antoine Bourdelle: ein Wort zur Brüsseler Ausstellung
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https://doi.org/10.11588/diglit.14159#0161

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ein, die farbenreiche Melodie des Wolgalandes
bringt alle Anlagen zum Klingen. Die farbige
und zeichnerische Instrumentation dieser Ar-
beiten ist so vehement und abwechslungsreich,
daß Landschaften entstehen, die wir der besten
deutschen Landschaftsmalerei zurechnen müs-
sen. So wie Barlach in Rußland den gotterfüllten
Menschen gefunden hatte, so findet Sterl hier
die Freiheit zur Unbegrenztheit, im Mensch-
lichen wie im Künstlerischen. In Rußland hatte
Sterl bereits eine größere Anzahl Musiker- und
Orchesterbilder gemalt. Die Voraussetzungen
zu diesen Darstellungen liegen schon in den
ersten Jahren nach 1900. Sterl stand führenden
Musikern wie Petri, E. v. Schlich nahe, lernte
durch sie u. a. Nikisch kennen, besuchte Opern
und Konzerte und fand im Musikalischen eine
Bestätigung eigener schöpferischer Kräfte. Mit
der Seligkeit eines Menschen, für den Musik
Erhöhung des Lebensgefühlsist,schafft Sterl Bil-
der von Opernaufführungen („Rosenkavalier",
„Ariadne,"), Dirigenten („Schuch", „Nikisch")
und Orchestern, bei denen die letzten Grenzen
der Wirklichkeit fallen, der Impressionismus
seiner realistischen Bezüge entkleidet wird und
die Phantasie des Handgelenkes der des Herzens
willig folgt. \^ enn der Impressionismus mit
Programm etwas zu tun hätte, hier würde er

sich selbst Lügen strafen, so sehr berühren sich
die Gegensätze, durchdringen sich die Bezirke
des Sichtbaren und der Vorstellung. Von Pro-
grammen hat Sterl von Anfang an nicht viel
gehalten, er hat, wie Liebermann im Vorwort
des Sterl-Katalogs (Chemnitzer Kunslhütte)
sagtstets gemalt.wieihmderSchnabelgewachsen
ist. Es gibt kein Programm als das der Leistung
selbst, und die ist überall, wo sie eigen ist, eine
Sache für sich. Bei Sterl kommt als Plus hinzu
ein angeborener Sinn für Form, der bei musi-
kalischen Naturen besonders häufig ist, für eine
Form, die nirgends zur Konstruktion oder zum
Schema wird, weil sie tiefer steckt als im Auge.
Sie ist nicht polyphon, nicht fugenhaft, sondern
seiner ganzen Veranlagung entsprechend, homo-
phon, auf Momente klanglicher Akkorde sich
konzentrierend wie bei R.Strauß. Sie suggeriert
uns in den Synkopen der „Wolgaschlepper"
die Melodie des Wolgaliedes, im Parallelismus
seiner arbeitenden Männer einen Marschrhyth-
mus, in den schwebenden Körpern der Stein-
ablader ein tänzerisches Stakkato. Die Ton-
art ist fast immer Dur, bejahend, sieghaft,
diesseitig. Wäre es anders, wir wären um ein
großes Stück dieser so beschaffenen, immer-
hin auch erfreuenden W elt gekommen.

^ ill Grohmann

EMILE-ANTOINE BOURDELLE

EIN WORT ZUR BRÜSSELER AUSSTELLUNG

Die Bedeutung eines künstlerischen Lebens-
werks offenbart sich in ihrer Komplexität erst
dann, wenn nach einem bestimmten Zeitablauf
sich ganz von selbst jene abwägende Urleils-
möglichkeit ergibt, die Einfluß und Milbestim-
mung einer Persönlichkeit auf ihre Epoche zu
Faktoren der Bewertung machen kann.
Das Bourdellesche W erk, dessen wichtigster
Schalfensabschnitt mit dem Tiefstand der Bild-
hauerei zusammenfällt, muß heute schon als
eine Christophorus-Last für seinen Schöpfer
angesehen werden. Das Aufsichnehmen dieser
Last verdiente allein die Einreihung dieses
Mannes in den vordersten Rang zeitgenössischer

Bildhauerkunst der letzten fünfzig Jahre.
„Bourdelle est le heros en marche ..." schrieb
Elie Faure vor fast einem Vierteljahrhundert
und hat damit eine Prophezeiimg ausge-
sprochen.

Ich sehe zwei Hände vor mir: die „Hand des
Schöpfers" von Rodin und die „Hand" mit der
weniger anspruchsvollen Betitelung seines
Schülers Bourdelle. Erstere spreizt sicli wie eine
Trophäe siegesgewiß über der zur Form sich
bildenden Masse. Letztere zeigt den schmerz-
lichen Willen der Finger, sich zur Faust zu
ballen. Die beiden Flände scheinen mir Symbol.
Der circulus vitiosus des zur Einmaligkeit ver-

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