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Die Kunst für alle: Malerei, Plastik, Graphik, Architektur — 44.1928-1929

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Tietze, Hans: William Blake
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https://doi.org/10.11588/diglit.14159#0399

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WILLIAM BLAKE. DER FLUSS DES LEBENS

Die Malereien und Zeichnungen sind, wie gesagt,
fast alle in England geblieben oder nach Amerika
gekommen; von den Originalbüchern, die er
selbst schrieb, illustrierte und in kleinen Auf-
lagen druckte, sind nur ganz spärliche Exemplare
auf den Kontinent gelangt; von deutschen Biblio-
theken besitzen meines Wissens nur München
und Wien einige Beispiele. Dennoch ist auch
für uns Deutsche der Augenblick gekommen,
uns der Bedeutung Blakes für uns zu besinnen.
Was ihn in Vergessenheit gestürzt hat, ist der
siegreiche Materialismus des 19. Jahrh. gewesen;
der Triumphzug der naturalistischen Kunst ist
vorbeigebraust und hat uns arm und elend zurück-
gelassen; fast sind wir in unserer erbitterten

Enttäuschung geneigt, den erniedrigten Stolz
dieser Kunst im Bilde von Blakes Nebukadnezar
uns vorzustellen. Der Expressionismus hat mit
feurigen Zungen das Geistige gefordert, aber
meist mit unreinen Mitteln gestaltet; unerfüllt
steht sein Verlangen nach dem Übeiirdischen als
Sehnsucht in unserem Leben. Wenn es darum
ernst ist, der Kunst die verlorengegangene Wahr-
heit wiederzugewinnen, so kann uns ein Meister
wie Blake, der die Echtheit seiner Kunst durch
ein Leben ungetrübter Heiterkeit bestätigte, als
Führer dienen. Er zeigt ein Ziel: eine Kunst,
die aufhört im geläufigen Sinn des Wortes Kunst
zu sein und restlos im Dienst des Geistigen

aufgeht. Hans Tietze

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