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Die Kunst für alle: Malerei, Plastik, Graphik, Architektur — 45.1929-1930

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Roh, ...: Der Maler Otto Herbig
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https://doi.org/10.11588/diglit.14160#0074

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Wogengesamtmasse hervorbricht. Es ist merk- jedesmal einer kommt, der innerhalb des gleichen
würdig, daß trotz malerischer Einstellung Her- Materials die Grenzen sprengt, so daß man nun
bigs beste Ergebnisse in der Graphik liegen, mit einem Schlag erkennt, wie wir einen be-
Einige Blätter gibt es von ihm (Lithos), wo er stimmten, historischen Abschnitt mit den „ewi-
— nur in Schwarzweiß — verschiedene Aus- gen Grenzen" einer Technik vorschnell gleich-
druckselemente in düstere Spannung brachte: gesetzt hatten. So hatte man gesagt, Pastelltöne
wo sich das schwellende, eindeutige Volumen seien zarte, blonde, lichteFarbstufungen. Herbig
mit rätselhaftem Schattendämmer begegnet und zeigt aber, daß man mit ihnen ins düsterste
dabei plötzlich der rändernde Kontur anspringt, Gewitterdunkel hinuntersteigen kann, aus wel-
selbständiges Leben erreichend. chem, wie von Blitz und aufgerissenem Himmel

Ein weiteres Element, aufglühende Farbigkeit, jäh erhellt, saftige (oder brennende) Scharf-Far-
erbrachte Herbig in seinen Pastellen. Hier konnte bigkeit brechen kann. Ich sah im Graphischen
er das graphische Material beibehalten, ohne Kabinett Franke (München) und bei Prof. Nohl
auf Eigenfarbigkeit zu verzichten. Y\ as hier (Göttingen) reine Landschaften dieser Art,
gelang, ist insofern schon bemerkenswert, als die sich intensiv einprägten. Die ganze Skala
Herbig hier eine düstere Glut und lohende solch trächtiger und dennoch banger Gewitter-
Intensität der Farbe erreichte, wie man sie dem reife war da farbvoll eingefangen. Ich finde
Pastell nie zugetraut hätte. Auf allen Kunstge- Herbig am manierlosesten und freiesten im
bieten neigen wir zur Verfestigung der Yorstel- Ausdruck, wenn er sich der bewegten ab-
lungen von gewissen Grenzen des Materials. Bis sohlten Landschaft anvertraut und sie in der

Pastelltechnik erbringt.
Bei seinen früheren Themen,
die lange Zeit um Mutter
und Kind kreisten, blieben
gelegentlich noch unerfüllte
Stellen, wenngleich auch da
(und vielleicht gerade an die-
sem Ringen mit den ..Näch-
sten" eines schwer geprüften
Lebensj kraftvolle Bild griffe
gelangen. Bilder, die gerade
dadurch bewegen konnten,
daß sie dem Muttersein oder
dem Kinde die übliche kon-
ventionelle Umfriedetheit
nahmen, um gerade in diesen
erdnahen AYesen dämonische
Dunkelheit des Gesamtda-
seins zu spiegeln.
Die Form wird scheinbar
immer weniger springend,
zerrissen und zerwühlt, sie
wölbt sich in neueren Arbei-
ten mehr und mehr in ee-
bändigter Kraft heraus, ohne
die Farbe problemlos über
die dunkelnden Zerstörungs-
kräfte, über das Fragmen-
tarische oder Fragliche
alles Seins siegen zu lassen.

OTTOHERBIG. SCHIMMEL UND TROMMLER Dr. Roh

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