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Die Kunst für alle: Malerei, Plastik, Graphik, Architektur — 46.1930-1931

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Wolfer, Oskar: Zum 400. Todesjahr Hans Burgkmairs
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Escherich, Mela: Kunst und Mystik, [1]
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https://doi.org/10.11588/diglit.16478#0385

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ist überaus reizvoll., in der Ausstellung zu ver-
folgen, wie die Formen der Gotik von denen der
Renaissance verdrängt wurden. Um diese Ent-
wicklung klar vor Augen zu führen, sind die
Werke des Vaters Thoman Burgkmair erstmals
zusammengebracht worden., dessen Arbeit auf
den Sohn Hans zu Anfang seiner künstlerischen
Laufbahn bestimmenden Einfluß ausgeübt hat.
Das Gesetzliche der nordischen Kunst geht zu-
nächst nicht ohne weiteres in das Sinnliche der
südlichen Formgebung über. Die mittelalterliche
Auffassung, daß. weil die Seele ein übernalür-
liches W esen ist. der Körper nur höheren Mach-
ten dienstbar sei, ist in den frühen Werken
wirksam. Die Natur ist dem Geist untergeordnet
und die gotische Formgebung mit ihrer über-
rationalen Auffassung des Kosmos schlägt durch.
Immer mehr macht sich jedoch in den Arbeiten
das Streben nach einer überzeugenden Darstel-
lung der natürlichen Zusammenhänge gellend
und die Gestalten, die wie ein Klang aus einer
höheren Welt wirken und dieser untergeordnet
sind, lösen sich durch individualisierte ab. In
Italien und in den Niederlanden hat sich die
Wandlung, die die Kunst den Menschen näher-

KUNST UN

Das Wort Mystik ist eine Zeitlang so in den
Sprachgebrauch gekommen, daß es vulgär
wurde, das heißt, daß niemand mehr sich um
seinen Sinn kümmerte. Mystisch nennt man
heute alles, was in einem gewissen Gegensatz zu
real steht: alles was abseilig vom Gewöhnlichen,
aber auch alles, was unklar und unverständlich
ist. Im weitern Sinne überhaupt alles, was sich
über den banalen Durchschnitt erhebt und an
den Beschauer oder Leser geistige Ansprüche
stellt.

Übrigens sehen die Begriffe auch weit ausein-
ander. Es gibt Leute, die Mystik nur im Sujet
erkennen; für die z. B. eine „Auferstehung
Christi- mystisch ist, ein „Stilleben" aber nicht.
Andre hingegen nennen alles mystisch, was im
Ringen nach höherm Ausdruck mißglückt ist.
Jede nicht zur Klarheit gelangte Sprache, die

brachte, vollzogen. Die Erkenntnis einer natür-
lichen Gesetzmäßigkeit, von der alle Gegebenheit
abhängig ist, war neu erschlossen. Augsburg
war in der damaligen Zeit ein Kulturzentrum,
in dem sich die Gegensätze von Nord und Süd
kreuzten. So wirkten die geistigen Strömungen
jener reichen Zeit auf das Schaffen Hans Burgk-
mairs ein. Er hatte sich durch große Reisen
nach Italien gebildet und die Farbenglut der
V enezianer war von starkem Einfluß, wie seine
Palette und die Abstufung der Föne seiner
Bilder beweist. Eine Auffassung machte sich
geltend, der ein Naturbegriff zugrunde lag, der
die Körperlichkeit und den Geist, die substan-
tielle Form und die Bewegung vereinigte. \on
der Sicherheit des neuen künstlerischen Aus-
drucks zeugen Schöpfungen, wie etwa „Maria
mit dem Kind" oder der Johannesaltar. Ein
Doppelbildnis, das den Künstler und seine
Frau, kurz vor dem Tod gemalt, darstellt, ist
ein unübertreffliches Vorbild späterer Bild-
nismaler geworden. Auch auf graphischem
Gebiet war Burgkmair, überwiegend im Auf-
trag des Kaisers Maximilian, ebenfalls mit Erfolg

tätig. Öskar "Wolfer

D MySTIK

sich in Verworrenheiten verliert oder in Ansätzen
stecken bleibt, wird als Mystik abgetan.
Man beliebt Unklarheit mit Geheimnis zu ver-
wechseln.

Mystik ist das Klarste, weil das Innerste der
Dinge.

Aber natürlich — sie ist Geheimnis.
Geheimnis, das immerwährend bereit ist, sich
jedem zu erschließen, der fähig ist, zu schauen
und zu fühlen.

In der Beligion spricht man von einem Zustand
der Gnade. Das gilt ebenso für die Kunst. Man
nennt es hier künstlerisches Erlebnis. Der Be-
schauer muß in den Zustand der Gnade kommen.
Dann kann ein Farbenklang von Grünewald
oder eine Flammengeste von Greco oder ein Still-
leben von van Gogh oder ein Kopf von Jawlenskv
zur mystischen Vision werden.

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