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Die Kunst für alle: Malerei, Plastik, Graphik, Architektur — 49.1933-1934

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Heise, Carl Georg: Das Tier in der Kunst
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https://doi.org/10.11588/diglit.16481#0107

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Das Tier in der Kunst. Von Carl Georg Heise

Das Zeitalter des Fart pour Fart hat die Kunstbe-
trachtung nach gegenständlichen Gesichtspunkten
verdrängt. Der Grad der handwerklich-technischen
Vollendung oder gar der Erfüllung eines bestimm-
ten modischen Stilprogramms war zum VV ert-
messer für die künstlerische Leistung geworden.
Entwicklungsgeschichtlich ist das verständlich nach
einer Zeit der Veräußerlichung des Gegenständ-
lichen durch anekdotische Zuspitzung und ent-
sprechende Vernachlässigung der spezifisch künst-
lerischen Werte. Die Folgen aber waren höchst
bedenklich. Die zunehmende Vergrößerung der
Kluft zwischen Schaffenden und Genießenden, zwi-
schen Kunst und Volk, ist nicht zuletzt durch die Ver-
femung inhaltsbedingter Kunstbetrachtung immer
stärker angewachsen. Die natürliche Anteilnahme
des Betrachters am dargestellten Gegenstande wird
immer eine legitime Hinleitung bleiben zum ent-
scheidenden künstlerischen Vorgang: zur geistbe-
dingten Umformung des Xatureindrucks. Kunst
ist Spannung zwischen dem natürlichen und dem
geistigen Abbild der Welt.

Gewiß vom gleichen Wunsch beseelt, „altmodische
Betrachtungsweisen neu zu beleben, sind unab-
hängig voneinander zwei artverwandte Ausstellungen
entstanden. In Berlin „Tierbildwerke aus drei Jahr-
tausenden'", wenige Höchstleistungen plastischer
Gestaltung aller Zeiten und Völker, und in Lübeck
„Das Tier in der Kunst', eine vergleichsweise qua-
litativ wesentlich bescheidenere, dafür kunster-

zieherisch umfassender gedachte Andeutung aller
charakteristischen Möglichkeiten der Tierdarstel-
lung überhaupt: naturnah und form betont, als zweck-
freie Schilderung und als naturwissenschaftliches
Lehrmittel, im Ornament, in phantastischer Gestal-
tung (als Fabeltier und Tiergroteske), in der Kari-
katur, in der Heraldik, als Allegorie und Symbol,
im mj^thischen und im volkstümlichen Denken.
Noch das sympathisch in unser Thema einführende
Buch von Reinhold Piper (1910) ordnet nur ge-
legentlich nach gegenständlichen Kategorien, im
wesentlichen aber historisch. Die Lübecker Aus-
stellung nutzend, sollen nachfolgend einige Be-
obachtungen über die Vielfältigkeit der Aufgabe
und über die zwangsläufige Wiederkehr des ewig
Gleichen durch Wort und Bild erläutert werden,
ausdrücklich unhistorisch, die Besonderheit der
künstlerischen Fragestellung stärker berücksich-
tigend als zeitliche und landestümliche Zusammen-
hänge.

Die „freie" Darstellung schwingt zwischen zwei
Polen: der Naturskizze, die im scharf beobachteten
Momentbild das Charakteristische einzufangen
strebt — bei den großen Meistern aller Zeiten ist
sie zu finden, der Impressionismus hat sie besonders
gepflegt — und dem „Tierstilleben ', das in künst-
lerischer Gruppierung das Lebendige zum dekora-
tiven Schaustück zusammenfügt; den Höhepunkt
erreicht es bei den holländischen Meistern des
17. Jahrhunderts. Natürlich gibt es Zwischenstufen

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