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Die Kunst für alle: Malerei, Plastik, Graphik, Architektur — 49.1933-1934

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Lücht-Anthes, Heide: Kleine Laiengedanken über Kunst
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https://doi.org/10.11588/diglit.16481#0115

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INHALT DIESES HEFTES:

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Künstler im Lichte einer neuen Zeit: Albin 5 Bilder aus der Spitzweg-Ausstellung der
Egger Lienz.......................... 101 Galerie Heinemann....................113

Holzplastik von Prof. Heinz Weddig.......107 Michael Powolny, Weihnachtskrippe .......118

Das neue Reichsbankgebäude in Berlin.....119

Moderne Photographie: Flug und Wolken ..108 „ , '

& " & Gehobene Schatze .......................121

„Westfront 1933". Die Ausstellung in Essen 110 S o n d e r b e i 1 a g e n :

Zwei Münchner Künstler begegnen sich Albert Egger Lienz. Totentanz 1809 . . . geg. 101

(Spitzweg und Leibi) ..................113 Photographie: Sonnenuntergang, New York 108

Umschlagbild: Georg Schrimpf, Moorlandschaft

Kleine Laiengedanken über Kunst

Geschrieben auf einer afrikanischen Farm

Man denke sich einen Menschen, der in Europa auf-
wuchs, immer viel Sinn für kultivierte Schönheit jeder
Art hatte, — man denke sich diesen Menschen durch
allerlei Zufalls-Umstände versetzt in eine vollkommen
andere Sphäre. Irgendwo in Ubersee, in einem Land
ohne Kultur und ohne jede geistige Tradition muß er
um sein Leben, um seine nackte Existenz kämpfen. Ein
aufs rein Außere gerichtetes, werktätiges, alle Energien
anspannendes Ringen beginnt. Keinen Augenblick kann
er innerlich Atem holen. Jahre hindurch geht das so.
Innere Stimmen werden übertönt von äußeren Lebens-
klängen. Und zwar von Werten, die jedem geistig ein-
gestellten, aber der Not gehorchend körperlich kämp-
fenden und arbeitenden Menschen eine gütige und weise
Natur vorbehalten hat. Eine andere — nicht minder-
wertigere — Art Glück nimmt Besitz von ihm. Er wird
ein „anderer Mensch".

Wird er das wirklich? Sollte diese neuerworbene An-
schauung des Daseins nicht nur eine zweite Seite seines
vollen Menschentums sein, die einzig im Zusammen-
klang mit seinem ehemals geistig orientierten Leben
ein Ganzes ergibt? Die Mehrzahl übersieht das. Sie
gerät aus der einen Halbheit des Lebens in die andere,
die gewiß genau so daseinsberechtigt und voller Wert
ist, die allein aber auch eben nur halb bleibt.
Dieser Gedanke wurde mir zur Wirklichkeit, als ich
nach sieben Afrika-Jahren in einer Umgebung, die
meinem persönlichen Empfinden ganz fremd und we-
sensfern war, in einer Zeit der wirtschaftlich schwersten
direkten ..Not'" (in einer Zeit, da kein Geld mehr
da war für das nötigste neue Arbeitszeug, für heile
Stiefelsohlen, für Kartoffeln, ach nur für Briefmarken!),
als ich da mitten in afrikanischer Hitze, in Alltagslast
und drückenden Sorgen ein Heft der„Kunst fürAlle"in
die Hand bekam. Es ist oft eine schwere innere Müdigkeit
in uns Übersee-Menschen, wir wissen es rmeist nur
nicht. Sie läßt sehr häufig gar nicht zu. daß irgr~J

etwas ganz stark zu uns spricht, ganz nah an uns heran-
kommt. Wer kann wissen, wie es kam, daß der Nebel
vor meinem inneren Auge sich hob, gerade in diesem
Augenblick, daß ein Licht vor mir aufging, daß die
Bilder dieser „Kunst für Alle' mich mitten ins Herz
trafen? Ja, mitten ins Herz!

Jede Linie in den ausdrucksvollen Plastiken des „Richard
Knecht" war so, wie ich, gerade ich sie immer ersehnt
hatte, die Gemälde des Lesser Ury sprachen so sanfte
Sprache, vor allem in den wundervollen Baumgruppen.
Franz Masereels Mosaiken hämmerten sich in hochauf-
schlagendem Herzen unauslöschlich ein. Die nachfol-
genden Bilder, Madonnengruppen, Holzplastiken Ernst
Barlachs, auch die Porzellanfiguren — alles wurde um-
faßt und erfaßt von hellgeöffneten, gesegneten Augen.
Weiß Gott, Kunst ist eine Gabe des Himmels. Sie ist
ein Zusammenklang des Schönsten, was es an Schöpfer-
kraft des Geistes und Gestaltung des Wirklichen gibt,
und wohl dem, der mitten aus einem wohl tatvoll leben-
digen, aber fast ganz veräußerlichten Dasein heraus in
den hinreißenden Rhythmus dieser gottgesegneten Kunst
gelangen darf. Wer das erlebte, weiß, daß er diese
„offenen Augen" nicht wieder verlieren kann, daß sie
ihm nun erst seines Lebens letzte Schönheit vermitteln
werden. Er weiß, daß er nun voll und ganz jeder wahr-
haft edlen Kunst aufgetan ist und daß diese neu erwor-
bene Liebe sich auf jedes Gebiet — sei es Malerei,
Musik, Dichtung oder sonst etwas — erstrecken wird.
Er weiß auch, daß sein Leben erst jetzt — nun aber
ganz gewiß — ein gerundetes Ganzes ergibt, das ihn zu-
tiefst erfüllen wird.

Nun erst, in der Harmonie eines schaffenden, werktätig
naturhaften Lebens mit dem inneren Glanz einer tiefen
Liebe zu gesegneter künstlerischer Schönheit, — nun
erst wird er sein Leben empfinden als ein herrlich voll-
endetes Ganzes, das wahrhaftig wert ist, gelebt und

~"1iebt ZU werden ! - Heide Lüthi-Anthes

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